Thüringen

Torafreude in Erfurt

Rabbiner Reuven Yaacobov beim Schreiben einer Tora Foto: Uwe Steinert

Thüringen

Torafreude in Erfurt

Die Jüdische Landesgemeinde erhält am Donnerstag die von den Kirchen gespendete Schriftrolle

 30.09.2021 14:03 Uhr

Mit dem Schreiben des letzten Buchstabens wird am Donnerstag in Erfurt die neue Torarolle für die Jüdische Landesgemeinde vollendet. Das Geschenk der beiden christlichen Kirchen soll nach der Vollendung vom Hirschgarten vor der Staatskanzlei in einem festlichen Umzug zur Neuen Synagoge gebracht werden, kündigten die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und das katholische Bistum Erfurt an. Damit solle ein starkes sichtbares Zeichen der Verbundenheit und der Solidarität von Juden und Christen gesetzt werden.

Gäste Zum Programm werde neben Landesrabbiner Alexander Nachama von der Jüdischen Landesgemeinde, dem katholischen Bischof Ulrich Neymeyr und dem evangelischen Bischof Friedrich Kramer auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erwartet, hieß es.

Bischof Kramer dankt der jüdischen Landesgemeinde das Bekenntnis zur Schuld anzunehmen.

Angesichts der Jahrhunderte währenden Schuldgeschichte der Kirchen gegenüber dem jüdischen Volk sei es nicht selbstverständlich, heute so zusammenzustehen, betonte Kramer: »Wir danken der Landesgemeinde, unsere Umkehr und unser Bekenntnis zur Schuld anzunehmen.« Für ihn sei die Tora das naheliegendste Geschenk der Kirchen für die Thüringer Juden.

Themenjahr Die Übergabe stellt einen der Höhepunkte des Themenjahres »900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen« dar. Die Freude über die neue Torarolle sei« so groß, dass dafür alle positiven Worte einsetzbar sind, die es nur gibt«, sagte Landesrabbiner Alexander Nachama dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Das Geschenk könne aber keine Entschädigung für die Geschichte sein, »sonst könnte ich die Torarolle auch gar nicht annehmen«, fügte er hinzu.

Es sei wichtig, dass sich die Menschen mit der jüdischen Geschichte gerade abseits der großen Städte auseinandersetzen, erklärte der 1983 geborene Rabbiner. Dabei verwies er auf die 34 in Thüringen erhaltenen jüdischen Friedhöfe, die ja ebenfalls vom Leben der Menschen berichteten.

Persönlich habe er noch nichts Negatives erlebt, höre aber immer wieder von antisemitischen Vorfällen.

Nachama verteidigte die Zurückhaltung vieler Juden. »Wir sind ein Teil der Gesellschaft«, sagte Nachama. Dennoch gebe viele Gemeindemitglieder, die sagten, »ich bin jüdisch, ich gehe auch in die Synagoge, aber mich vor die Kamera zu stellen oder in bestimmte Formate zu begeben, nur weil ich jüdisch bin – nicht, weil ich etwas erreicht habe im Leben oder ich einen wichtigen Posten habe oder was auch immer – das mache ich nicht«. Das könne er nachvollziehen, auch wenn er es bedauere.

Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 befinde sich auch seine Gemeinde im Fokus der Öffentlichkeit, und die Polizei stehe ständig vor der Tür. Er könne persönlich zwar nichts Negatives berichten, aber auch er höre ständig über antisemitische Vorfälle, über Menschen, die geschlagen würden, weil sie eine Kippa trügen.

Leider gebe es zu wenig Wissen über das breite jüdische Spektrum. Es sei positiv, »dass das Judentum viele Gesichter hat, es viele Strömungen und nicht nur den einen richtigen Weg gibt«, erklärte er.

Tradition Auch wenn der Rabbiner einen großen Einfluss habe, müsse die Tradition der Gemeinde geachtet werden. »Traditionen sind wichtig, da lege ich auch Wert darauf, aber es ist auch wichtig, offen für die Gegenwart und die Moderne zu sein.« Für ihn sei dies kein Widerspruch.

Mit der Vollendung der Tora endet das Projekt »Tora ist Leben«, der zentrale Beitrag der Christen des Landes für das Themenjahr »900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen«. Die Kirchen hatten Rabbiner Reuven Yaacobov beauftragt, eine neue Tora zu schreiben. Seit Herbst 2019 wird der Sofer dann – inklusive des ausstehenden letzten – 304.805 Buchstaben auf Pergament gebracht haben. epd

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