Bilanz

Teure Hilfe

Das Problem bleibt: Es gibt zu wenige Freiwillige, die Russisch sprechen. Foto: Christian Ditsch / version-foto.de

Noch vor wenigen Monaten konnte kaum jemand die Frage nach dem Nachfolgeprogramm des Zivildienstes beantworten. Das »Bundesdingens« wurde der am 1. Januar 2011 eingeführte Bundesfreiwilligendienst genannt. Aber nach dem äußerst zögerlichen Start kann das Programm erste Erfolge verbuchen: 26.000 Frauen und Männer haben sich bereits dazu entschieden, sich sozial zu engagieren.

In den jüdischen Gemeinden ist vom Zustrom freiwilliger Helfer allerdings noch nicht viel zu merken. »Früher beschäftigte die Gemeinde immer einen Zivildienstleistenden«, weiß Simona Serbu von der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde Aachen, »aber das ist nun auch schon länger her, am Ende wurde es dann zu teuer.« Grundsätzlich sei man jedoch immer sehr zufrieden mit den jungen Männern gewesen, die den sozialen Dienst dem Wehrdienst vorgezogen hatten.

»Natürlich würden wir jemanden brauchen, ich glaube, es gibt keine Gemeinde, die nicht ein, zwei Freiwillige benötigen würde«, sagt Serbu, »wir brauchen allerdings vor allem jemanden, der unseren Senioren Deutschunterricht gibt.« Früher arbeitete man mit dem Katholischen Bildungswerk zusammen, »aber nun haben eben alle kein Geld mehr, und da ist es sehr schwierig, jemanden zu finden, der nicht nur freiwillig, sondern auch fundiert arbeitet.«

Geduld Zumal gewisse Eigenschaften für einen erfolgreichen Unterricht der Senioren unabdingbar sind: »Geduld, Einfühlungsvermögen muss man schon mitbringen«, konstatiert Serbu. »Die jungen Zivildienstleistenden hatten diese Eigenschaften natürlich alle, aber es ist eben ein Unterschied, ob man mit Senioren spazieren geht und sie zu Arztterminen begleitet oder ob man einen zweistündigen Unterricht abhält.«

Jungen Menschen fehle es einfach an Lebenserfahrung. Sie, die gerade erst selbst die Schule beendet hätten, seien schneller überfordert als ältere, die mitten im Leben stehen. Eigentlich ein ideales Einsatzgebiet für Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst (BFD), denn hier sind alle Generationen vertreten.

Auch in der Essener Gemeinde beschäftigt man bislang noch niemandem aus dem BFD. Viele Jahre habe man immer einen Zivildienstleistenden gehabt, sagt Annette Altschaffel, »aber das ist schon lange eingestellt, denn wir konnten dann keine jungen Männer bekommen, die auch Russisch sprachen.

Sprachbarriere Genau das wäre aber wichtig gewesen, denn wir haben viele ältere Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion. Und so stünden wir vermutlich auch beim Bundesfreiwilligendienst wieder vor dem Problem, dass wir Leute benötigen, die neben Deutsch eben auch Russisch können.«

Die ältere Generation sei einfach sehr misstrauisch gegenüber Leuten, die sie nicht kenne, »es gibt sehr viel Vertrauen, wenn die Gemeinde Menschen aus ihren eigenen Reihen schickt, aber einen völlig Fremden zum Beispiel in die eigene Wohnung zu lassen, fällt den Senioren schwer.« Die betagteren Zuwanderer blieben eher in den Gemeindekreisen und hätten daher häufig kaum Kontakt zu nichtjüdischen Deutschen. »Und die Hemmschwelle, Deutsch zu sprechen, ist dann natürlich erst recht hoch.«

Gleichwohl werde man sich aber »in das Thema Bundesfreiwilligendienst einarbeiten«, sagt Altschaffel. »Bisher hatten wir neben unseren alltäglichen Aufgaben noch nicht die richtige Muße, uns damit auseinanderzusetzen, im Strom der Probleme ist es etwas vorbeigerauscht. Dabei haben wir uns in der Vergangenheit schon öfter an Projekten beteiligt, nun müssen wir erst einmal reinsteigen.«

Infrastruktur In der Jüdischen Gemeinde Frankfurt/ Main hat man sich schon ausführlicher mit den Möglichkeiten des Bundesfreiwilligenkonzepts beschäftigt. »Wir werden das Programm nicht selber auflegen, weil wir zu klein sind«, sagt Dalia Moneta, die Leiterin der Sozialabteilung. Und vergleicht: »Wir haben nur 7.000 Mitglieder, da hat mancher Ortsverein der großen Träger wie der Arbeiterwohlfahrt oder der Caritas deutlich mehr. Uns fehlt einfach die Infrastruktur, die Verbände können extra jemanden abstellen, der sich nur mit dem BFD beschäftigt, während bei uns jeder bis zum Äußersten ausgelastet ist.« Entsprechend wolle man sich nun »an einen dieser großen Träger hier vor Ort andocken, wir sind bereits in Gesprächen«.

Außerdem ist auch die Inanspruchnahme eines BFDlers nicht ganz kostenfrei. Denn die Beiträge zur Renten-, Unfall-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlt die Einsatzstelle. Eine regionale Zusammenarbeit sei auch aus rein praktischen Gründen wichtig: »Jemand muss kontrollieren, ob ein Freiwilliger auch wirklich die angegebenen Stunden gearbeitet hat.«

Zusammenarbeit Sie könne jeder Gemeinde, die an dem Dienst interessiert sei, nur empfehlen, sich mit dem Verband des Vertrauens vor Ort kurzzuschließen, »viele Gemeinden arbeiten in ihrer Stadt ja bereits vertrauensvoll und gut mit einem Träger der freien Wohlfahrtspflege zusammen.« Falls eine Gemeinde an ihren Erfahrungen interessiert sei, könne man sie gern anrufen oder ihr eine Mail schicken, fügt Moneta hinzu, »Vernetzung ist immer gut«.

Wenn sich dann erst einmal alles eingespielt habe, werde es auch einfacher, geeignete Freiwillige zu finden, weiß Moneta aus eigener Erfahrung. »In Frankfurt haben wir schon ein Ehrenamtprojekt, das sehr erfolgreich ist. Die zuständige Koordinatorin macht ihre Sache extrem gut, und so etwas zieht dann wieder neue Freiwillige an, denn es spricht sich schnell herum.«

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