Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Foto: picture alliance/dpa

In Berlin-Kreuzberg erinnert künftig eine Straßenbenennung an Regina Jonas, die erste ordinierte Rabbinerin der Welt. Die bisherige Kohlfurter Straße heißt nun Regina-Jonas-Straße. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lud am Nachmittag zu einer Gedenkveranstaltung ein. Auf der offiziellen Webseite Berlins wurde die Straßenbenennung bekanntgegeben.

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) würdigte Jonas als außergewöhnliche Persönlichkeit deutscher jüdischer Geschichte. »Diese Straße sollte uns daran erinnern, dass Fortschritt dort beginnt, wo Menschen den Mut haben, für ihre Überzeugungen einzustehen«, erklärte sie. »Regina Jonas war die erste Rabbinerin weltweit. Ihr Einsatz für Gleichberechtigung, Bildung und Menschlichkeit inspiriert uns bis heute.«

Jonas wurde 1902 im Berliner Scheunenviertel in eine streng religiöse Familie geboren. Nach dem frühen Tod ihres Vaters, der sie zunächst selbst unterrichtet hatte, verfolgte sie zunächst den Weg vieler Frauen ihrer Zeit und plante eine Laufbahn als Lehrerin. Doch ihr Interesse an religiösen Fragen führte sie an die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Dort studierte sie zwölf Semester lang und verfasste eine Abschlussarbeit über die halachische Frage, ob Frauen das Rabbinat ausüben dürfen – mit dem klaren Ergebnis: Ja, sie können.

Jüdische Frauenorganisationen

Obwohl ihr Dozent die Arbeit akzeptierte, blieb ihr die Ordination zunächst verwehrt. Erst 1935 erhielt Jonas – gegen erheblichen Protest – in Offenbach ihre Semicha durch den liberalen Rabbiner Max Dienemann. Damit wurde sie zur ersten Frau in der jüdischen Geschichte, die offiziell zur Rabbinerin ordiniert wurde. Doch in Berlin bekam sie keine Anstellung. Sie predigte und unterrichtete in sozialen Einrichtungen und arbeitete eng mit jüdischen Frauenorganisationen zusammen.

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Mit Beginn der NS-Verfolgungen übernahm Jonas zunehmend Aufgaben in kleineren Gemeinden, die verwaist waren, weil viele Rabbiner emigriert hatten. Trotz wachsender Repressionen blieb sie bei ihrer Mutter in Deutschland.

1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort setzte sie ihre seelsorgerische Arbeit fort und unterstützte den später weltbekannten Psychologen Viktor Frankl beim Aufbau einer Krisenintervention, die Neuankömmlingen im Lager helfen sollte. Eine Reihe ihrer Predigten und Vorträge aus dieser Zeit ist erhalten geblieben.

Ermordet in Auschwitz

Im Oktober 1944 wurde Regina Jonas nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sie war 42 Jahre alt.

Der Bezirk hatte bereits 2021 beschlossen, künftig eine Straße nach ihr zu benennen. Ende 2023 fiel die Wahl auf die Kohlfurter Straße, deren Umbenennung das Bezirksamt im Mai bestätigte. Die Straße trug zuvor verschiedene Namen: Ursprünglich Britzer Straße, später – seit 1949 – benannt nach dem schlesischen Ort Kohlfurt, dem heutigen Węgliniec.

Heute gilt Jonas als zentrale Figur jüdischer Frauen- und Geistesgeschichte. Ihre Wiederentdeckung begann erst Jahrzehnte nach der Schoa: In den 1990er-Jahren fand die Theologin Katharina von Kellenbach in einem ostberliner Archiv Jonas’ Ordinationsurkunde, Fotos und Manuskripte. Seither sind Biografien, wissenschaftliche Arbeiten, Dokumentationen und sogar ein Opernprojekt über ihr Leben entstanden. In mehreren Ländern erinnern Tafeln, Straßen und Ausstellungen an ihr Wirken – nun auch sichtbar im Berliner Stadtbild.

Für Anwohnerinnen und Anwohner der Regina-Jonas-Straße, die ihre Personaldokumente anpassen müssen, bietet das Bürgeramt Sondertermine ohne vorherige Anmeldung an. im

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