Gedenken

Stimme der Erinnerung

Charlotte Knobloch: »An Jom Haschoa gedenken wir jedoch zugleich der Millionen Stimmen, die im Holocaust für immer verstummt sind.« Foto: Marina Maisel

Unter allen Gedenktagen im bürgerlichen wie im jüdischen Kalender, die an den Holocaust erinnern, ist keiner so eindrücklich wie Jom Haschoa, der zentrale Holocaust-Gedenktag des Staates Israel und der jüdischen Gemeinschaft in aller Welt.

Dass wir Jom Haschoa ausgerechnet in diesem Jahr, da die Befreiung der Konzentrationslager und das Ende des Krieges sich zum 75. Mal jähren, nicht in gewohnter Form zusammen in der Synagoge begehen können, ist besonders bitter.

Jedes Jahr, jeder Tag ist heute kostbar, wenn es darum geht, nicht nur der Ermordeten zu gedenken, sondern insbesondere die Überlebenden zu hören. Ihre Erfahrungen, ihre Erinnerungen sind heute so wichtig wie nie.

synagoge Ich freue mich daher ganz besonders, dass wir in der IKG einen Weg gefunden haben, trotz der geltenden Einschränkungen die Worte von Celino Bleiweiß hören zu können, der eigentlich zu Jom Haschoa in der Synagoge hätte sprechen sollen. Seine Stimme der Erinnerung, sie wird gehört.

An Jom Haschoa gedenken wir jedoch zugleich der Millionen Stimmen, die im Holocaust für immer verstummt sind. Wir denken an Freunde, Verwandte; an Menschen, die vom nationalsozialistischen Deutschland entrechtet, misshandelt, verschleppt und ermordet wurden. Diese Erinnerung ist nicht abstrakt – für nahezu jeden von uns ist sie Teil der Familiengeschichte.

Diese Geschichte ist ein Teil von uns. Und sie ist unauslöschlicher Teil dieses Landes, in dem wir heute leben. Dass die Erinnerung an sie mehr und mehr unter Beschuss gerät, ist gerade deshalb in höchstem Maße alarmierend. Seit Jahren erleben wir, wie frühere Errungenschaften wieder zur Diskussion gestellt und selbstverständlich scheinende Grundregeln der Demokratie missachtet oder umgangen werden.

normalität Die »Normalität«, nach der sich gerade heute so viele sehnen, war bis vor Kurzem auch eine Normalität, in der Anschläge wie in Halle und Hanau, die Wahlfarce von Thüringen und die Radikalisierung einer AfD ihren Platz hatten. Das ist nicht die »Normalität«, die ich mir wünsche.

Jeder, der den Tag schon einmal in Israel erlebt hat, weiß: Jom Haschoa ist ein Tag des Innehaltens und der Trauer – aber auch der Selbstversicherung. Das jüdische Volk kann und sollte sich in diesen Zeiten auch daran erinnern: Wir sind hier, und wir bleiben hier.

Unsere Stimmen sind laut und klar. Wir führen unser jüdisches Leben in Deutschland weiter. Wir bauen an der Zukunft, ohne die Vergangenheit hinter uns zu lassen. Wir halten inne, wir trauern – und wir vergessen nicht. Am Israel chai!

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025