Thüringen

Steinernes Haus wird erforscht

Barbara Perlich, Sarah Laubenstein und Maria Stürzebecher (v.l.) Foto: Esther Goldberg

»Vielleicht finden wir ja heraus, wer die Deckenbemalung in Auftrag gegeben hat«, sagt Barbara Perlich, Bauforscherin an der TU Berlin und Gastprofessorin an der Erfurter Fachhochschule. Sie ist die Initiatorin eines Forschungsprojektes zum hochmittelalterlichen jüdischen Wohn- und Handelskomplex in der thüringischen Landeshauptstadt.

Für Thüringen könnte das Steinerne Haus nach der Mikwe und der Alten Synagoge das dritte Gebäude werden, mit dem der Antrag auf Aufnahme der jüdischen Stätten in das UNESCO Weltkulturerbe detailliert begründet werden kann. »Die Deckenbemalung in der ersten Etage gehört zur ältesten bekannten profanen Architekturfassung nördlich der Alpen«, ergänzt Maria Stürzebecher. Sie ist UNESCO-Beauftragte der Landeshauptstadt.

Erkenntnisse Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat 370.000 Euro für die Erforschung des Raumes im Profanhaus und für das Areal nahe dem Rathaus in den kommenden zwei Jahren zur Verfügung gestellt. Die Fachleute erhoffen sich neue Erkenntnisse über den 1242 entstandenen Raum. »Vielleicht erfahren wir auch etwas über das ganz normale Alltagsleben der Juden im Mittelalter«, hofft Stürzebecher.

Bei Null anfangen muss man nicht. Seit den 90er-Jahren ist klar, dass das Steinerne Haus zu einem wichtigen Teil des jüdische Lebens im Hochmittelalter gehört. Damals erforschten bereits Wissenschaftler der Hochschule Bamberg die Geschichte des Baudenkmals, das hinter dem Erfurter Rathaus liegt. Der Raum im Steinernen Haus, der ungefähr 40 Quadratmeter groß und als Steinerner Saal notiert ist, wird seit Jahren auch akribisch von Christoph Merzenich untersucht. Der Kunsthistoriker restauriert mit Studenten diesen Raum, der nachweislich seit Ende des 13. Jahrhunderts in jüdischem Besitz war.

Sarah Laubenstein, auch sie UNESCO-Beauftragte der Stadt, setzt auf einen zusätzlichen Effekt: Es gibt einen hochmittelalterlichen Bau, der längst überbaut wurde. Nun hofft sie auf Funde im verschütteten Keller. Auch der jüdische Schatz von Erfurt wurde 1998 nur durch einen Zufall entdeckt.

Schätze Allerdings gehen die Welterbe-Forscherinnen inzwischen vorsichtig mit ihren Hoffnungen um. Auch bevor 2012 das Schaudepot mit mehreren jüdischen Grabsteinen und Fragmenten eröffnet wurde, hatten sie auf mittelalterliche jüdische Schätze spekuliert. Doch gefunden wurden gestohlene Geldbörsen, die über einen Lichtschacht in diesen Keller geworfen wurden. »Es waren die typischen Portemonnaies der 90er-Jahre«, lacht Stürzebecher.

In Thüringen hofft man, dass die Ergebnisse des Forschungsprojektes die sogenannten SCHUM-Städte Speyer, Worms und Mainz überzeugen könnten, den Antrag auf Aufnahme ins UNESCO-Welterbe gemeinsam mit Thüringen zu stellen. Thüringen wiederum hat sich zum Miteinander mit Rheinland-Pfalz bekannt. Dort wird seit Monaten diese Idee geprüft.

Die SCHUM-Städte sind auf der deutschen Tentativliste (Vorschlagsliste) für das Jahr 2020 vorgesehen, das mittelalterliche jüdische Erfurt ein Jahr später. Könnte man tatsächlich in den nächsten beiden Jahren nachweisen, welche jüdische Familie die Deckenbemalung im Steinernen Haus in Auftrag gegeben hat, stünde Erfurt mit seiner Bewerbung besser da als jemals zuvor.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025