Jewrovision

Spannung in der Luft

Daniel (15), Bochum
Drei, zwei, eins – natürlich möchte ich mit dem Zusammenschluss »WeZair Westfalia« dieses Mal gewinnen. Es wird unser dritter Auftritt bei der Jewro sein. Bei der ersten wurden wir Dritter, bei der zweiten schafften wir den zweiten Platz. Nun ist es Zeit für den ersten. Unser Jugendzentrum, das Juze Bochum, in dem ich aktiv bin, nahm genau einmal teil, und ich trat als Bassist auf. Wir waren zu siebt, drei Sänger, vier Instrumentalisten, und leider stimmte etwas mit der Technik nicht. Die Zeit reichte nicht, wir konnten unsere Instrumente nicht aussteuern und stimmen. Dennoch wurden wir Neunter. Bei meiner ersten Jewro war ich noch eher zurückhaltend. Ich war bis dahin noch nie auf einem Machane gewesen und war nun sehr beeindruckt, dass so viele Leute unterwegs sind. Das ist heute anders, denn ich habe viele Freunde gefunden und hoffe auf weitere nette Kontakte. Mittlerweile bin ich auch Madrich. Was mir an der Jewro besonders gefällt? Der Backstage-Bereich ist richtig cool, natürlich die Show und die anschließende Party. Und dass wir alle gemeinsam Schabbat feiern. Cool ist auch, dass WeZair, zu dem Bochum gehört, den Eröffnungsact mit den anderen Gruppen aus dem Ruhrpott performt.

Daniel (18), Leipzig
Ich werde als Madrich die Leipziger Jugendlichen mitbetreuen. Etwa 20 Kids fahren zum Mini-Machane, leider sind wir zu wenige im Juze, um einen Act zu stemmen. Aber ich freue mich, dass wir immer mehr werden. Mein Wunsch wäre es, dass sich die Jugendzentren der ostdeutschen Städte wie Magdeburg, Chemnitz, Halle, Dresden und Leipzig noch mehr zusammenschließen, vielleicht auch, um irgendwann gemeinsam auf der Bühne stehen zu können. Dazu müssten wir noch mehr zusammenarbeiten, mehr gemeinsame Aktivitäten anbieten und uns einladen, um zusammen auf der Zielgeraden anzukommen. Aber wir brauchen auch Sponsoren. Unsere Gemeinde verfügt nicht über ein so hohes Budget. Ich möchte, dass wir Präsenz zeigen. Zur einzigen Jew­ro, bei der das Leipziger Jugendzentrum in der Show auftrat, haben wir viel Applaus und Unterstützung vom Publikum erhalten. Das war 2019. Den letzten Platz teilten wir uns bei Punktgleichstand mit dem Bremer Juze. Aber es geht ja nicht um die Platzierung, sondern um den Spaß und das Gefühl der Gemeinschaft. Die Jewro ist die Möglichkeit, alle Leute, die man bei jüdischen Events trifft, nun endlich einmal wiederzusehen.

Lilli (15), Köln
Als ich das Mikro in der Hand hielt, konnte ich endlich mein Lampenfieber ausblenden. Letztes Jahr stand ich als Sängerin für den Song Contest im Rampenlicht. In der Nacht vor der Show war ich jedes Mal sehr aufgeregt. Glücklicherweise versuchten meine Freundinnen, mich abzulenken, indem wir gemeinsam Snacks auf unseren Zimmern naschten und uns die Castingshow The Voice Kids anschauten. Im Juni werde ich zum zweiten Mal tanzen – worauf ich mich sehr freue. Ich staune immer wieder, wie gut unsere Choreografin mit uns arbeitet, denn wir sind mehr als 40 Tänzerinnen und Tänzer. Sie schafft es, dass jeder gesehen wird, jede und jeder hat seine Aufgabe, ist mal vorn, mal hinten zu finden. Wir halten alle zusammen, kurz: Wir sind ein Team geworden. Ich genieße die Zeit vor der Show, wenn sich backstage alle chic machen, sich die Haare frisieren und Make-up auftragen. Da herrscht immer eine knisternde Atmosphäre. Manchmal wird es auch stressig, wenn man sich mit der Zeit verschätzt und plötzlich fertig sein muss. Auch die Schabbatfeier mag ich, vor allem die Hawdala. Keiner hat ein Handy in der Hand, und alle singen und sind ausgelassen. Seit Kurzem nehme ich auch Gesangsunterricht, zu dem mich die Jewro inspiriert hat. Das Juze ist mein größtes Hobby geworden, und ich bin glücklich, mittlerweile eine Ausbildung zur Madricha zu absolvieren.

Isabel (15), Endingen am Kaiserstuhl
Dieses Jahr zwingen mich bevorstehende Prüfungen, viel zu lernen. Deshalb stand schon recht früh fest, dass ich bei der Show nicht wie in den vergangenen Jahren tanzen kann. Aber mein Mittlerer Schulabschluss ist mir wichtig. Zu den Proben hätte ich immer ein paar Stunden fahren müssen, und dann wären auch noch die Camps dazugekommen. Das intensive Training ist natürlich wichtig und führte ja auch zum Erfolg: Im vergangenen Jahr wurde meine Gruppe, die Jüdische Jugend Baden (JuJuBa), Zweiter. Das haben wir intensiv gefeiert. Immerhin werde ich beim Mini-Machane dabei sein. Ich finde die große Schabbatfeier immer sehr schön. Die Show und die Party sind natürlich auch cool.

Liara (14), Frankfurt
Für mich sind die letzten Stunden und Minuten vor unserem Auftritt immer ganz kostbar. Dann sind wir alle backstage und können schon mal das Outfit der anderen Juze-Gruppen sehen. Das finde ich spannend. Jede Jewro hat ihr eigenes Backstage. Bei der vergangenen Show in Hannover waren unsere Bereiche nur mit Trennwänden unterteilt – da bekamen alle viel voneinander mit. Cool ist, dass wir immer über einen Bildschirm die Auftritte der anderen verfolgen. Da dachten wir schon mal, dass der nicht so geglückt oder besser ist als unserer. Es liegt viel Aufregung und Spannung in der Luft. Der Auftritt ist immer schnell vorbei, er dauert ja nur wenige Minuten. Montags trainiere ich unabhängig von der Jewro Hip-Hop, aber jetzt kommen andere Tänzer auch mit, um sich zu verbessern. Ich finde es etwas schade, dass wir als Performer nicht bei den Aktivitäten mitmachen können, die rund um die Jewro angeboten werden. Denn unser Rosch findet die Verletzungsgefahr zu groß. Bei uns ist die Auswahl, wer auf der Bühne dabei sein darf, sehr, sehr streng. Um perfekt in Form zu sein, müssen wir vor den Proben eine halbe Stunde Liegestütze und Planks trainieren. Also, wir sind fit!

Linir (16), Stuttgart
Mir geht es bei der Jewro nicht ums Gewinnen, sondern um den Spaß. Und natürlich darum, Zeit mit Freunden zu verbringen. Seit 2018 bin ich dabei, erst beim Mini-Machane, ein Jahr später bereits als Tänzer. Bei der letzten Jewro habe ich am Video mitgearbeitet, mit dem mein Juze auch den ersten Preis gewann. Vergangenes Jahr konnte Stuttgart ja einen Doppelsieg holen. In dem Video hatten wir als Thema die Freundschaft zweier Jungs, einer Jude, der andere Palästinenser, aufgegriffen, und wie diese sich nach dem 7. Oktober 2023 entwickelt. Auch in diesem Jahr hätte mich die Mitarbeit am Video gereizt, aber nun werde ich wieder als Tänzer auf der Bühne performen. Früher hatte ich vor diesen Auftritten Lampenfieber, da half es, mich abzulenken. Aber eigentlich muss man da einfach durch. Nun freue ich mich auf unsere Show.

Wlada (25), Hamburg
Für die Outfits der Tänzer und Sänger bin ich zuständig, ebenso für das Bühnenbild. Ich bin sozusagen Creative Director im Hamburger Jugendzentrum. Vor Jahren habe ich in Berlin Mode studiert, aber mittlerweile bin ich auf jüdische soziale Arbeit umgeschwenkt und arbeite nebenbei in einer Kita. Mittlerweile lebe ich in der Hansestadt und bin als Madricha im Juze aktiv. Wenn ich alle Outfits für unsere Tänzer hätte nähen sollen, hätte ich vor zwei Jahren anfangen müssen, denn es werden mehr als 30 Kinder und Jugendliche auf der Bühne performen. Wir proben jeden Sonntag im Juze. In dieser Zeit, kurz vor der Jewro, ist die ehrenamtliche Arbeit sehr intensiv, und es fällt mir etwas schwer, alles zeitlich bewältigt zu bekommen. Vor sechs Jahren stand ich selbst für das Düsseldorfer Juze als Tänzerin im Rampenlicht. Das Juze kam auf den zweiten Platz. Ich erinnere mich, dass ich super aufgeregt war und es eine tolle Show wurde. Hauptsache, man ist dabei, denke ich mittlerweile. Und natürlich hoffe ich auf viel Spaß. Manchmal glaube ich, dass die Vorbereitungen und die Vorfreude am coolsten sind. Heute mag ich es, wie jeder andere auch, alte Freunde wiederzutreffen und gemeinsam Zeit mit ihnen zu verbringen.

Veronika (22), Hamburg
Die Vorfreude steigt, denn die Jewro rückt immer näher. Wir werden mit etwa 30 Nachwuchskünstlern von Hamburg nach Dortmund fahren. So viele wie noch nie. Dazu kommen noch die Kids und Jugendlichen, die am Mini-Machane teilnehmen. Am Anfang der Probenarbeit gab es ein Casting. Es ging aber nicht um die Frage, ob man mitmachen darf, sondern für welche Rolle man am besten geeignet ist. Seit Januar proben wir, mittlerweile sogar dreimal in der Woche. Da ich Tänzerin bin und neben meiner Arbeit auch in meiner eigenen Tanzschule »Kleever« unterrichte, lag es nahe, dass ich für die Choreografie verantwortlich zeichne. Das ist schon eine Herausforderung. Schließlich darf sie nicht zu schwer geraten, sie muss für alle nachvollziehbar sein. Bei wichtigen Proben fehlen immer einige, jetzt gerade gab es eine Krankheitswelle. In Hamburg sind an Pfingsten Schulferien – aber unsere Kids wissen, dass sie da keinen Urlaub machen können. Es gibt für mich immer zwei tolle Ereignisse: die Stunden backstage und natürlich die Show. 

Isabelle (20), Berlin
Eine gewisse Nervosität macht sich breit, die Aufregung wird immer größer. 40 Kids werden unseren Act performen. Vor ein paar Tagen war die Kostümprobe. Beim Casting hatten sich noch mehr vorgestellt, die Tänzer konnten wir alle nehmen, aber bei den Sängern mussten wir einigen der 15 Bewerber absagen. Fünf sind es schließlich geworden. Bereits als Achtjährige besuchte ich das Juze »Olam« in Berlin. Seit 2017 sang ich bei den Auftritten – doch mittlerweile bin ich als 20-Jährige zu alt. Ich singe, seitdem ich denken kann, und stand oft auf der Bühne vor 1000 Leuten. Auch bei der Show »The Voice Kids« war ich dabei, bin aber bereits vor dem Finale ausgeschieden. Bei der Jewro dachte ich dann immer, dass ich jetzt vor Tausenden Freunden performe. Was nicht so schlimm ist und die Aufregung deshalb nicht so krass wurde. Was mich freut, ist, dass meine Freundin Tami und ich immer mehr Verantwortung für den Act übernehmen dürfen. Es ist so toll wie immer, jedes Jahr bringt es viel Spaß. 

Ron (15), Leipzig
Leider konnte ich erst einmal für mein Jugendzentrum bei der Show auftreten. 2019 war ich als Tänzer dabei. Nun sind wir zu wenige und schaffen es nicht, einen weiteren Act zu stemmen. Aber mittlerweile sind einige Kinder und Jugendliche neu dazugekommen. Hoffentlich sind wir in naher Zukunft dabei, wir würden gern auch einmal im Scheinwerferlicht singen und tanzen. Und vielleicht können wir uns mit anderen Juzes zusammentun. Ich muss nicht unbedingt auf der Bühne stehen, mich interessiert mehr das Video. Dreimal bin ich bereits zur Show und zum Mini-Machane gefahren. Es macht mir Spaß, die Musik zu hören und die unterschiedlichen Performances zu verfolgen. Und ich bin auch Fan der Ausflüge und anderen Veranstaltungen.

Daniela (17), Gelsenkirchen
Bei uns sind überwiegend Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren dabei, insgesamt werden wir 25 Leute sein. Es ist in unserem Juze also ein bisschen kleiner und vielleicht auch gemütlicher. Seit März proben wir jeden Sonntag. In diesem Jahr tanze ich und habe mich ein bisschen beim Vorstellungsvideo engagiert. Privat besuche ich keine Tanzschule, sondern nur das Fitnessstudio. Auf jeden Fall möchten wir Erste werden. Das ist unser Ziel. Und wir werden unser Bestes geben.

Zusammengestellt und aufgezeichnet von Christine Schmitt

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