Osnabrück

Solidarisch ins neue Jahr

Traditionell reichen sich in Osnabrück Politiker und Verantwortungsträger zum »Handgiftentag« die Hände. Vor der Synagoge wiederholten engagierte Bürger diese Geste des Zusammenhalts. Foto: Oleksandr Rekochynskyi

Mit einem großen Schub Solidarität ist die Jüdische Gemeinde Osnabrück in das neue bürgerliche Jahr gestartet: Am Vormittag des 1. Januar versammelten sich vor der Synagoge viele Osnabrücker, die während Chanukka eine tägliche Wache gegen Antisemitismus organisiert hatten. Gemeindevorsteher Michael Grünberg bedankte sich bei den Bürgern der Stadt, die »in Zeiten, in denen viele Juden Angst haben und die Bedrohung weltweit zunimmt«, ein Zeichen des Zusammenhalts gesetzt hatten.

Bereits einen Tag nach dem schrecklichen Massaker des 7. Oktober 2023 hatten in Osnabrück Bürger für die Solidarität mit Israel protestiert. Später organisierte Reinhart Richter, der sich schon lange in der Stadt für den interreligiösen Dialog einsetzt, eine Mahnwache, bei der Bürger von 7 Uhr morgens bis 19 Uhr abends vor der Synagoge standen.

Insgesamt waren etwa 500 Freiwillige dabei. »Da kamen wirklich Menschen aus allen Schichten und Herkünften«, erzählt Vyacheslav Dobrovych, der in der Gemeinde als Religionslehrer arbeitet. »Ich habe eine Schauspielerin vom städtischen Theater getroffen, eine Trauerberaterin, und sogar unsere Bürgermeisterin stand eines Morgens in der Frühe dort.«

Alle saßen am Schabbattisch zusammen

Menschen unterhielten sich, Nachbarn brachten Kaffee und die Gemeindemitglieder Sufganiot nach draußen, einmal saßen alle am Schabbattisch zusammen. »Wir sind in Osnabrück ohnehin eng mit der Stadtgesellschaft verbunden, laden Schulklassen zu uns ein«, sagt Vyache­slav Dobrovych. Nun sei diese Bindung auch in schweren Zeiten noch einmal gestärkt worden.

Mit dem Zusammenkommen am 1. Januar wollte die Gemeinde auch dafür sorgen, »dass dieses Gefühl nicht verpufft«. Neben dem Gemeindevorsteher sprachen auch Reinhart Richter und eine Vertreterin aus dem Stadtrat, Rita Feldkamp. Die CDU-Politikerin betonte, dass sich auch im Jahr 2024 Menschen aktiv gegen eine Spaltung entscheiden müssen.

Egal, ob bei den Landtagswahlen in Deutschland oder bei den Präsidentschaftswahlen Anfang November 2024 in den USA: Diejenigen, die Isolation dem Zusammenhalt vorziehen, hätten derzeit Konjunktur. Genau deshalb sei es wichtig, wenn die Zivilgesellschaft an den gesellschaftlichen Konsens erinnere, sich auf die Menschenrechte, Religionsfreiheit und Solidarität zurückzubesinnen.

Am Ende sang der Osnabrücker Kantor Baruch Chauskin das Friedenslied »Hevenu Shalom Alechem« und den Psalm 150 – zur Melodie von Leonard Cohens »Hallelujah«. »Wir haben uns, wie es in Osnabrück am 1. Januar Tradition ist, alle die Hände gereicht und uns ein schönes, ein friedliches Jahr gewünscht«, erzählt Dobrovych.

Porträt der Woche

Unterwegs

Channah von Eickstedt fuhr Taxi, war Buchhändlerin und gründete eine Gemeinde

von Gerhard Haase-Hindenberg  28.04.2024

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Gedenken gehört eine Kranzniederlegung am Mahnmal vor dem Gemeindehaus

 26.04.2024

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Köln

Auftakt des Fachbereichs Frauen der ZWST

Zu den zentralen Themen gehören Empowerment, Gleichberechtigung und Gesundheit

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024