Jena

Sie waren dort

Am 17. Oktober 1935 geht ein Schreiben in der Abteilung drei beim Amtsgericht Erfurt ein. Betreff: »3 gen. IX«. Abschicken musste es Alex Heilbrun, promovierter Jurist und Notar. Die Zeilen, die aus den Buchstaben der Schreibmaschine auf das Papier gelangten, drücken das erzwungene Ende eines Berufslebens aus.

»Unter Bezugnhame auf das Schreiben vom 10.10.35 überreiche ich anbei: 1) meinen Notar-Amtstempel, 2) mein Notar-Siegel (Petschaft), 3) mein Notar-Siegel (Oberprägestück aus der Siegelmaschine). Ich bitte, die Siegel und Stempel vorläufig nicht (…) unbrauchbar zu machen.« Zwölf Tage später ist vermerkt: »Siegel, Stempel, Register und Akten sind in Verwahrung genommen.« Die abgelieferten Siegel und Stempel seien »durch Zerschlagen unbrauchbar gemacht worden«. Ein Berufsleben zerschlagen, ein Menschenleben zerstört. Bereits im April 1933 erhielt Alex Heilbrun Hausverbot für das Gerichtsgebäude in Erfurt. Am 30. November 1938 wurde ihm die Rechtsanwaltszulassung entzogen. Er wurde ins KZ Buchenwald verschleppt und 1942 ins Ghetto Belzyce deportiert. An sein Schicksal und das vieler anderer Juristen erinnert seit Dienstagnachmittag die Ausstellung »Ich war hier… Eine Spurensuche nach jüdischen Kollegen und Kolleginnen in der Thüringer Justiz nach 1933« am Thüringer Oberlandesgericht Jena.

Zwei Monate werden die Biografien der Juristen zu sehen sein.

Die Grundidee dazu: Auf drei digitalen Bildschirmsäulen, im Eingangsbereich des Gerichts aufgestellt, werden Leben und Wirken von jüdischen Kollegen aus der Thüringer Justiz vorgestellt. Über die Touchdisplays können Inhalte navigiert werden. »Es geht darum, jüdische Kollegen und Kolleginnen sichtbar zu machen, dem Vergessen die Erinnerung entgegenzusetzen. Und dies an den Orten, an denen die jüdischen Juristen wirkten. Es ist ein Auftakt für eine Spurensuche, an der sich sowohl die Justiz als auch interessierte Menschen aus der Bevölkerung beteiligen können«, heißt es in der Beschreibung zur Ausstellung.

Zwei Monate werden die Biografien der Juristen zu sehen sein. Darunter auch die von Theodor Emanuel Gutmann, Gerichts­referendar in Gotha. Der gebürtige Gothaer studierte in München, Cambridge, Berlin und Jena, wo er 1933 promoviert wurde. Die Nationalsozialisten entließen ihn aus dem Vorbereitungsdienst, weil er Jude war. Ihm gelang die Emigration nach Spanien und 1936 die Auswanderung in die USA, wo er bis zu seinem Tod 1997 in Walnut Creek lebte. Gutmann, Heilbrun und so viele andere Kollegen prägten das Gerichtsleben. Geehrt werden sie durch die Ausstellung, deren nächster Stopp Weimar ist.

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025

Frankfurt

Lust auf jüdisches Wissen

Die traditionsreiche Jeschurun-Religionsschule ist bereit für die Zukunft

von Eugen El  23.06.2025

Interview

»Jeder hilft jedem«

Eliya Kraus über schnelle Hilfe von »Zusammen Frankfurt« und mentale Unterstützung

von Katrin Richter  23.06.2025

Leipzig

Tausende Gäste bei Jüdischer Woche

Veranstalter waren die Stadt Leipzig in Kooperation mit dem Ariowitsch-Haus

 23.06.2025