Eine solche stille Anteilnahme war in der Ohel-Jakob-Synagoge bislang nur selten zu spüren: Zahlreiche Gemeindemitglieder, Weggefährten, Freunde, die Familie und auch behandelnde Ärzte kamen am Montag, um Abschied zu nehmen von Rebbetzin Shoshana Brodman sel. A., die Anfang November im Alter von 63 Jahren nach mehrjähriger Krankheit gestorben ist.
Noch wenige Wochen zuvor war sie an Simchat Tora mit dem Ehrentitel »Eschet Chajil« ausgezeichnet worden. Obwohl bereits sichtlich geschwächt, empfing sie die Gäste damals herzlich und mit ansteckender Lebensfreude. Ihre letzten Tage verbrachte sie in Israel, umgeben von ihren Kindern und Enkelkindern, die sie bereits am Flughafen mit Schildern und Ballons liebevoll empfangen hatten. Gemeinsam aßen, sangen und sprachen sie – wertvolle und frohe Stunden, die in Erinnerung bleiben.
Shoshana Brodman sel. A. und Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman kannten sich seit Kindergartentagen. Vor 44 Jahren, während Shoshanas Kunststudiums in London, verlobten sie sich, kurz darauf folgte die Hochzeit. Gemeinsam schufen sie ein von Wärme, Gastfreundschaft und religiöser Hingabe geprägtes Zuhause. Die Ehe war mit sieben Kindern und 35 Enkelkindern gesegnet, die in den vergangenen Jahren immer an Shoshanas Seite waren. Besondere Freude bereiteten Shoshana zuletzt die Hochzeit des jüngsten Sohnes und die Geburt einer weiteren Enkeltochter.
Der eigens angereiste Rabbiner Avichai Apel, Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) und Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, würdigte Shoshanas lebensfrohes Wesen: »Sie hat das Haus mit einem Lächeln erfüllt.« Es schmerze, dass so viel Zeit »bis 120« ungelebt geblieben sei. Doch zugleich gelte: »G’tt sucht sich in der Welt die besten Seelen.« Auch in der Krankheit habe Shoshana andere gestärkt und herzlich empfangen.
Spürbar bewegt sprach die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch: »Unsere Herzen sind gebrochen. Und das Herz unserer Kehilla ist gebrochen.« Shoshana Brodman sel. A. habe das Herz der Gemeinde in einem festen und freudigen Rhythmus schlagen lassen: »Nun müssen wir alle einen neuen Takt suchen.« Knobloch würdigte Shoshana Brodmans Gastfreundschaft, ihre Lebensfreude, Tatkraft und Hingabe, die sie »mit jedem Blick, jedem herzlichen Lachen, jeder Geste« ausgestrahlt habe. Gemeinsam mit ihrem Mann habe sie vorgelebt, wie sich jüdische Tradition und Religion mit einem modernen Leben verbinden ließen. Der Familie versprach die IKG-Präsidentin, dass die Gemeinde in dieser schweren Zeit weiter fest an ihrer Seite sei.
Eindrücklich beschrieb Rabbiner Brodman eine Partnerin, die in allen Lebensphasen sein Wirken begleitet habe – in Israel und Südafrika, in den Niederlanden und zuletzt in München. Ihr besonderes Gespür für Ästhetik habe sich allwöchentlich zum Kabbalat Schabbat gezeigt, ihre Kunstwerke schmücken die Wände um die Schabbattafel.
Wie man nach einem solchen Verlust weitermache? Der Rabbiner verwies auf Awraham, der nach Saras Tod aufstand, um die Zukunft zu gestalten. So wolle auch er das Vermächtnis seiner geliebten Frau weitertragen und, ganz in ihrem Sinne, für andere da sein.
Zum Abschluss sprachen die drei Söhne gemeinsam das Kaddisch.
Sohn Michael erinnerte daran, dass »Ima« vieles im Stillen vollbracht habe und zugleich überall ihre Spuren hinterließ. Die Tochter Chava beschrieb ihre Mutter als große Optimistin, die jeden Tag mit Fröhlichkeit und mit guten Taten füllte. Trotz der erheblichen Distanz habe sie stets größten Wert darauf gelegt, eine enge Verbindung zur Familie zu halten. Sohn Benjamin betonte ihre Hingabe an die drei spezifischen Mizwot der Frauen und wie sie diese an weibliche Mitglieder der Gemeinde weitergegeben habe
Auch Rabbiner Israel Diskin sowie der Rabbiner der Zaidman-Seniorenresidenz, Jan Guggenheim, erinnerten an Shoshana Brodman. Guggenheim zitierte ihre Überzeugung, wonach kein einziges Gebet unerhört bleibe. Ihre eigenen Gebete mögen so dabei geholfen haben, dass sie noch etliche fröhliche Familienereignisse erleben konnte.
Charlotte Dunner, die aus London angereiste Vorsitzende der Conference of European Rebbetzins und langjährige Freundin der Verstorbenen, würdigte Shoshana Brodmans »unerschütterliche Herzlichkeit«, Bescheidenheit und Integrität. Wahre Größe, sagte sie, bemesse sich »in den Spuren, die man in Herzen hinterlässt«.
Schließlich erinnerte Peter Merkin, Vorsitzender des Vaads der Ohel-Jakob-Synagoge, an die symbolische Bedeutung von Shoshana Brodmans Namen: Lilie und Rose. Wie eine Rose habe auch sie Wärme und Farbe gebracht, wie eine Lilie Reinheit und stille Stärke. »Für uns alle war sie ein Herz, das sich anderen zuwandte.« Und: »Die Seelen der Gerechten werden im Schatz des Heiligen aufgehoben«, zitierte er den Midrasch. Dort ruhe nun auch ihre Seele – »an einem Ort der Sanftheit wie eine Lilie und der Schönheit wie eine Rose«.
Zum Abschluss sprachen Shoshanas drei Söhne gemeinsam das Kaddisch, Sohn Elchanan intonierte das »El Male Rachamim«. So ging ein großer, einprägsamer Abend zu Ende – ein stilles Zeugnis außerordentlicher Wertschätzung für eine Rebbetzin, die vielen ein Licht war und bleiben wird.