Dortmund

Service, Hilfe, Beratung

Zeichen gegen rechte Hetze: Gegenüber einem Fenster mit Reichsflagge haben Graffitikünstler in Dortmund Nazi-Schmierereien übermalt. Foto: picture alliance/dpa

Der hebräische Frauenname Adir lässt sich mit stark, edel oder mächtig übersetzen. Nicht von ungefähr ist der Name, um ein »a« ergänzt, der neuen »Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus« in Dortmund Programm: »Adira« steht gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus. »Wir verstehen uns als Servicestelle«, sagt Adira-Mitarbeiter Micha Neumann, »die mit ihrer Arbeit und ihren Angeboten betroffene Einzelpersonen, ihre Angehörigen, Zeugen von Diskriminierung sowie Institutionen unterstützt.«

Die Dortmunder Beratungsstelle ist die zweite jüdische Einrichtung in Nordrhein-Westfalen, die sich als Ansprechpartner für Betroffene versteht. In Düsseldorf wurde bereits 2017 Sabra, die »Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit Beratung bei Rassismus und Antisemitismus« gegründet, bei der zum Beispiel antisemitische Vorfälle online gemeldet werden können. Sie ist an die Jüdische Gemeinde Düsseldorf angebunden. Zum sogenannten Kompetenzverbund Antisemitismus gehören auch ZIVA (Zusammen für Integration und Vielfalt, gegen Antisemitismus) in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen sowie die Integrationsagentur in Trägerschaft der Synagogen-Gemeinde Köln.

Westfalen Während Sabra die Rheinland-Region abdeckt, werden sich die Adira-Mitarbeiter mit Sitz in Dortmund schwerpunktmäßig um die westfälischen Gebiete des Ruhrgebiets, Ostwestfalen-Lippe und das Sauerland kümmern. In der Ruhrgebietsmetropole gibt es eine starke, gut organisierte und gewaltbereite Neonazi-Szene, die immer wieder für Schmierereien und Übergriffe verantwortlich ist.

Er hoffe, dass durch die Beratungsstelle die Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen, sinken wird, sagt Gemeindevorstand Zwi Rappoport.

»Ich halte die Einrichtung der Beratungsstelle gerade hier, in unserer Gemeinde, für eine folgerichtige Entscheidung und hoffe, dass hierdurch die oft bei den Betroffenen vorhandene Hemmschwelle sinken wird, Hilfe und Unterstützung bei antisemitischen Vorfällen in Anspruch zu nehmen«, sagt Zwi Rappoport, Vorstandsmitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund. Die Büroräume der Beratungsstelle sind im Gemeindezentrum untergebracht. In der Region Westfalen-Lippe leben heute etwas mehr als 6000 Juden.

Antisemitismus sei nach wie vor »ein virulentes Problem unserer Gesellschaft«, sagt Micha Neumann. Während des Kommunalwahlkampfes 2020 plakatierte die Partei »Die Rechte« offen antisemitische Hetze mit den Worten »Israel ist unser Unglück«, ohne dass dies bis heute juristische Konsequenzen gehabt hätte. Am 9. November des Vorjahres fanden die Besitzer des Restaurants »Delikat« im Dortmunder Saarlandstraßenviertel die Hauswand mit Hakenkreuzen und dem antisemitischen Spruch »Juden Gasthaus« beschmiert.

Bedrohung In Minden wurde wiederholt der Vorsitzende der dortigen Jüdischen Kultusgemeinde Minden und Umgebung bedroht. Im münsterländischen Ahaus urinierte ein Angetrunkener am Tor zum jüdischen Friedhof und rief dabei eindeutig antisemitische Parolen. Das Adira-Team hat seit November schon einige Vorkommnisse gesammelt.

Die Auswertung von antisemitischen Vorfällen bildet nicht die Hauptarbeit.

Über einen Button auf der Webseite des Vereins können zudem Ereignisse gemeldet und Hilfe erbeten werden. Dabei sollen Beleidigungen im privaten Umfeld ebenso wie antisemitische Sprüche auf der Straße, Sachbeschädigungen oder Bedrohungen registriert werden. Regelmäßig gehen die Adira-Mitarbeiter polizeiliche Tagesmeldungen auf Relevanz für ihre Arbeit durch. 2020 waren es in NRW 276 Straftaten mit eindeutig antisemitischer Motivation.

Die Auswertung von antisemitischen Vorfällen bildet nicht die Hauptarbeit. Adira ist Ansprechpartner für Betroffene und Ratsuchende. »Die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen aussprechen zu können, was passiert ist, ohne dass die eigene Wahrnehmung angezweifelt wird, ist besonders wichtig für Menschen, die Diskriminierung erfahren«, versichert Neumann. Das Hilfsprogramm umfasst dabei psychosoziale Unterstützung, Beratung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, aber auch Information und Begleitung bei rechtlichen Schritten, bis hin zu gemeinsamen Interventionen gegen Diskriminierung, etwa am Arbeitsplatz.

Sensibilisierung Zur Aufklärung von Behörden will Adira Kontakte zu Behörden, Polizeidienststellen, Vereinen, Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften in der Region herstellen. »Antisemitismus wird oft nicht erkannt oder verharmlost, daher ist es wichtig, durch Wissensvermittlung hierfür zu sensibilisieren. So schärfen wir die öffentliche Wahrnehmung für das Problem und machen auf die Erfahrungen Betroffener aufmerksam«, erklärt Mitarbeiterin und Judaistin Anna Ben-Shlomo.

Deshalb werde – neben der Beratung – die Bildungsarbeit in Form von Workshops, Fortbildungsseminaren und Vorträgen Schwerpunkt sein.
Finanziert wird die Arbeit von Adira vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Programms der Integrationsagenturen NRW.

Die Mitarbeiter sind auch Ansprechpartner in Sachen Alltags-, Berufs- und soziale Diskriminierung.

»Als Beratungsstelle möchten wir Kooperation und Wissensaustausch fördern und Ressourcen sowie Fachexpertise zur Verfügung stellen, um den Kampf gegen Antisemitismus weiter zu stärken«, betont die Politikwissenschaftlerin Johanna Lauke. Die Mitarbeiter seien auch Ansprechpartner in Sachen Alltags-, Berufs- und soziale Diskriminierung. In diesem Sinne ist Adira auch Teil eines Netzes von 42 »Servicestellen« in Nordrhein-Westfalen.

Die Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), begrüßt die Gründung von Adira: »Wir brauchen viele Anlaufstellen für Betroffene von Antisemitismus.« Sie plädiert für einen weiteren Ausbau von Einrichtungen innerhalb eines landesweiten Kompetenzverbundes in NRW.

Köln

ZWST lädt zu Konferenz über Gleichberechtigung ein

Achtung: Der Anmeldeschluss ist morgen, am 26. April 2024

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024