Fortbildung

Senioren 2.0

Online: Kursteilnehmer Ulrich Dingler Foto: Mike Minehan

Fortbildung

Senioren 2.0

Ältere Gemeindemitglieder unternehmen erste Schritte ins Internet

von Christine Schmitt  07.01.2010 00:00 Uhr

Karl Dürr kommt mit großen Schritten herangeeilt, denn die anderen sitzen schon vor ihren Bildschirmen. Die Computeruhr zeigt die Zeit an: wenige Minuten nach 16 Uhr. Der 75-Jährige setzt sich an seinen Platz, klappt seinen bereits aufgestellten Laptop auf und schaut erwartungsvoll den Lehrer an. »Möchten Sie noch eine Maus?«, fragt Peter Fritsch seinen Schüler und schiebt sie ihm hinüber. »Bewegt sie sich auch?«, will er wissen. Karl Dürr nickt.

Sechs Frauen und zwei Männer sitzen in einem kleinen Raum im fünften Stock des Jeannette-Wolff-Heimes. Die jüngste ist 65 Jahre alt, die älteste 87. »Computer für Senioren. Jüdisches im Internet« heißt der Kurs der Jüdischen Volkshochschule.

Wenn man aus dem Fenster schaut, kann man über Berlin blicken. Doch an diesem Montagnachmittag interessiert sich keiner für die unbegrenzte Aussicht, alle sehen gebannt auf ihre kleinen Bildschirme. Schreibblöcke und Stifte auf jedem Platz, und alle schreiben mit. Wie komme ich da rein? Diese Frage bewegt heute die Kursteilnehmer. Wie funktioniert das Internet? Peter Fritsch wiederholt rasch von der letzten Stunde. Wie man den Browser aufruft, dass es Suchmaschinen gibt, wie die Adressen der Musik-,Text- oder Videoseiten zusammengesetzt werden und was die letzten Buchstaben der Internetadressen bedeuten. »Die Abkürzung ›org‹ steht beispielsweise für eine Organisation«, sagt er. »So enden die Adressen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und die der Jüdischen Volkshochschule.«

technikProblem Ella Lerner, 83 Jahre, hat ein Problem. »Nun wird der Bildschirm schwarz, das ist mir zu Hause auch passiert«, sagt sie. Obwohl sie ihn nicht abgestellt habe, betont sie. »Der geht schlafen, wenn mehrere Minuten nicht an ihm gearbeitet wird«, klärt der Computerfachmann sie auf. Ella Lerner ist verwundert. »Der geht mir jetzt nicht mehr schlafen, dann schalte ich ihn lieber ab«, sagt sie. Dann lacht sie, dass ein Computer seine Ruhephase braucht, gefällt ihr sichtlich. Plötzlich stutzt sie: »Dieses Feld auf dem Bildschirm habe ich zu Hause nicht. »Ich dachte, ich hätte einen ›short cut‹, und bin gleich auf die Seite gegangen«, sagt sie. Peter Fritsch erläutert: »Erst ins Internet gehen, dann die gewünschte Seite aufrufen«. Dass habe sie nicht gewusst, ist die 83-Jährige überrascht. Vor mehreren Jahre habe sie schon angefangen, auf dem Computer zu arbeiten. Dann gab es eine Pause, bis sie sich entschieden hat, es wieder zu versuchen. »Ich will etwas lernen, denn ich weiß kaum etwas.«
Peter Fritsch erläutert, wie man im Internet am effektivsten suchen kann. Seine Empfehlung: »Mit Gänsefüßchen.« Wenn man beispielsweise wissen will, wann Pessach 2010 ist, dann erhalte man unzählige Treffer, in denen Pessach oder 2010 vorkomme. »Mit ›Pessach 2010‹ in Gänsefüßchen erhält man das gewünschte Ergebnis.« Ob das auch für Gedichte gelte, fragt eine Kursteilnehmerin, beispielsweise mit Goethes Zeile »Alles vom Feinsten«? Man müsse nur wissen wie, »das Internet befreit nicht vom eigenen Denken«, antwortet Fritsch.

Altersgerecht Fritsch hatte schon vor Jahren ein Konzept ausgearbeitet, wie man Senioren an den Computer und an das Internet heranführt. Zweimal hatte er den Kurs in der Jüdischen Volkshochschule angeboten, beim ersten waren drei Teilnehmer mit von der Partie. Doch dann hatte sich dieses Angebot herumgesprochen und nun sind es acht – die alle weitermachen wollen. »Ich fühlte mich manchmal wie eine Computer-Analphabetin«, sagt Ursula Schneider, 87 Jahre alt. Sie merke, dass sie wenig Ahnung von der neuen Technik habe und das wollte sie ändern. Einen Computer älteren Modells habe sie von jemand anderem geerbt und ihn bisher nur als Schreibmaschine genutzt. Nun wurde es für sie Zeit, mehr zu lernen. Jetzt könne sie auch schon ihre E-Mails schreiben.

Ist der Mensch nun gläsern durch das Internet geworden, fragt sie. Peter Fritsch erklärt, dass vor allem jüngere Menschen gerne Portale wie Facebook oder Schüler VZ nutzen und dort auch beispielsweise schreiben, ob sie Marmelade mögen oder nicht. Manche geben vieles über sich preis – und man müsse daran denken, dass sich auch mögliche Arbeitgeber über diese Portale über einen informieren. Jeder müsse sich eine eigene Meinung bilden, wie er damit umgehen möchte, meint Fritsch.

Karin Haubschein, 65 Jahre alt, hat mit diesen Portalen ein Problem. Ein Neffe von ihr hat den Familienstammbaum auf eine Seite gestellt – und eigentlich möchte sie nicht, dass über sie etwas im Internet steht. Mit dem Computer habe sie sich schon vor dem Kurs etwas ausgekannt. Zu Hause arbeite sie mit ihm, schreibe E-Mails und suche Interessantes heraus. Montags bringt sie ihr eigenes Gerät immer mit. »Aber in dem Kursus lerne ich immer mehr, und es bleibt stets etwas anderes hängen.« Die 90 Minuten vergehen wie im Fluge – und sie will sich für den nächsten Kurs auch wieder anmelden.

Karl Dürr ist noch im Internet unterwegs und sucht nach einigen Begriffen. »Obwohl ich schon lange einen Computer zu Hause rumstehen habe, hatte ich keine Ahnung.« Das hat sich jetzt geändert.

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