Welt-Aids-Tag

»Patienten kann geholfen werden«

Chaim Jellinek Foto: William Glucroft

Herr Jellinek, am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. In der Öffentlichkeit und in den Medien kommt diese Krankheit kaum noch vor. Woran liegt das?
Den Menschen, die HIV-positiv sind, kann heutzutage geholfen werden. Mit der Stabilisierung und der Behandelbarkeit des Virus ist gleichzeitig das Interesse daran zurückgegangen. Es gibt jetzt Medikamente. Somit kann man etwas dagegen tun, was aber nicht heißt, dass wir HIV heilen könnten: Wer sich infiziert, bleibt sein Leben lang Träger.

Wie viele Neuinfizierte gibt es jährlich in Deutschland?

Rund 3300. Die Neuinfektionsrate ist in Deutschland leicht gestiegen. Aber in anderen Ländern sieht es viel schlimmer aus. Beispielsweise steigt die Zahl in Osteuropa, vor allem in der Ukraine und Russland, rapide. Das Problem bei dieser Krankheit ist aber mittlerweile ein ganz anderes, nämlich der Zugang zu Medikamenten.

Was ist so schwierig daran?

Der Preis. Die Medikamente sind so teuer, dass die Menschen in ärmeren Ländern sie sich nicht leisten können. Der Zugang ist zwar besser geworden als in den Jahren zuvor, aber es ist weiterhin so, dass vieles nicht bei ärmeren Menschen in der Form landet, wie es bei uns der Fall ist. Viele, die sterben, könnten weiterleben, wenn jeder Aidskranke auf der Welt medizinische Versorgung hätte.

Wie teuer sind die Arzneimittel?
Die Jahreskosten liegen pro Patient zwischen 16.000 und mehr als 100.000 Dollar. Es hängt davon ab, wo die Medikamente bezogen werden und welche Kombination benötigt wird.

Welche Patienten kommen in Ihre Praxis?

Wir sind eine spezielle Einrichtung für heroinabhängige Menschen und für Abhängige anderer Substanzen. Also in erster Linie für Leute, die spritzen und gleichzeitig in ihrem Verhalten so auffällig sind, dass sie eine eigene Einrichtung benötigen. Das machen wir nun seit 20 Jahren in Berlin an drei Standorten. Wir haben eine Struktur aufgebaut, mit der sowohl die medizinische als auch die psychologische Versorgung und eine soziale Betreuung möglich ist. Wir kooperieren mit der Drogenhilfe – und ich finde, dass das ein hervorragendes Konzept ist.

Sind gebrauchte Nadeln noch eine Gefahrenquelle für die Ansteckung?
Ja. Aber in keiner Gruppe hat die Prävention so gut funktioniert wie hier. Das liegt daran, dass das Wissen um die Infektion weit verbreitet ist und sich bei den Drogenabhängigen herumgesprochen hat, dass man eine Infektion vermeiden kann, indem man für eine frische Nadel und Spitze sorgt. Ebenso ist eine flächendeckende Versorgung mit Kondomen – vor allem im Bereich der Prostitution – wichtig.

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Eine Medikamenten-Politik, wie Indien sie betreibt. In Indien wurde erkannt, dass es einen Markt gibt, und das Land gilt heute als der größte Produzent von HIV- und Aids-Medizin weltweit. Mittlerweile werden den Infizierten rechtzeitig Arzneimittel zur Verfügung gestellt.

Was macht Indien denn anders?
Als Markt ist das Land groß genug, um es sich leisten zu können. Allerdings stieg dort auch die Zahl der Infizierten. Und schließlich hat Indien schon lange die Möglichkeit entdeckt, Medikamente zu kopieren und billiger herzustellen. Eine Jahresbehandlung kostet dort rund 150 Dollar. Südafrika macht das auch. Alle Menschen sollten medizinisch versorgt werden. Das ist ein Menschenrecht. Übrigens sagt das auch die Tora. Wir sollen nicht denjenigen vergessen, der arm ist und unter uns lebt. Gesundheit und Freiheit stehen im Mittelpunkt.

Wie hoch ist die Lebenserwartung, wenn der Patient Medikamente bekommt?

Fast so hoch wie unter der normalen Bevölkerung. Da ist kaum ein Unterschied.

Warum haben Sie sich ausgerechnet diesen Schwerpunkt ausgesucht?
Weil ich das eine sehr spannende Arbeit finde – bedürftige Menschen, denen geholfen werden kann, zu unterstützen. Ich mache eine erfolgreiche Arbeit.

Mit dem Mediziner sprach Christine Schmitt.

www.ambulante-suchtmedizin.de

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