Marburg

Partnerschaft besiegelt

Monika Bunk und Bilal Farouk El-Zayat erhielten 2019 den hessischen Sozialpreis. Foto: HMSI

Das Landgrafenschloss in Marburg ist ein wahrlich historischer Ort. Hier fand 1529 das »Marburger Religionsgespräch« statt. Es ging in die Geschichte ein, besiegelte es doch für Jahrhunderte die Trennung des Lutherischen Protestantismus in Deutschland von dem Schweizer Protestantismus Zwinglis.

Kürzlich wurde vor derselben Kulisse der Verein »Gemeinsam« vorgestellt. Auch er widmet sich dem religiösen Dialog, allerdings zwischen Juden und Muslimen. Und das Ziel ist dieses Mal nicht Trennung, sondern Gemeinsamkeit.

hauptträger Die Hauptträger von »Gemeinsam« sind Mitglieder der jüdischen und der muslimischen Gemeinde in Marburg. Ihre Partnerschaft ist seit Jahren gewachsen.

So besuchte man sich gegenseitig einige Tage nach dem Anschlag von Christchurch 2019. Der Vorsitzende der muslimischen Gemeinde, Bilal Farouk El-Zayat, nahm eine Einladung zu Purim an. Monika Bunk, damals zweite Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, besuchte die Moschee.

2019 gewannen beide – gemeinsam – den Hessischen Integrationspreis.

2019 gewannen beide – gemeinsam – den Hessischen Integrationspreis. Mit dieser Auszeichnung wurde ihr langjähriger Einsatz für Dialog, Verstehen und Verständnis anerkannt. Bei der Preisverleihung entstand schließlich auch die Idee, diesen Aktivitäten einen festen Rahmen zu geben, und so wurde Anfang 2020 der Verein »Gemeinsam e.V. Marburger Gemeinschaft für Jüdisch-Muslimischen Dialog« gegründet.

Feiertag Die Vorstellung des Vereins fand jetzt zum muslimischen Aschura-Fest statt. Man wollte den wenig bekannten Umstand hervorheben, dass beide Religionen den zehnten Tag in ihrem Kalender als religiösen Feier- und Fastentag begehen.

Vorsitzende des neuen Vereins sind Bilal Farouk El-Zayat und Monika Bunk, lange Jahre Geschäftsführerin und Zweite Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Marburg. Beide eint, neben dem Lokalpatriotismus, das Bewusstsein von der Bedeutung des gegenseitigen Verständnisses für die Zukunft ihrer Gemeinden in ihrer Marburger Heimat.

Verständnis und ein Miteinander haben sich auch der amtierende Oberbürgermeister Thomas Spies und sein Amtsvorgänger Egon Vaupel auf die Fahnen geschrieben. Beide sind Gründungsmitglieder, kennen die zwei Gemeinden persönlich und haben sie amtlich unterstützt. Daneben gehören Vertreter der Kirchen und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen, denen die Intensivierung dieses Dialogs ein Anliegen ist, zu den Vereinsgründern.

ziel In erster Linie wolle man sich weiterbilden, beantwortet Monika Bunk die Frage nach dem Ziel des Vereins. »Wir wollen uns so befähigen, auf entsprechende Fragen noch fundiertere Antworten zu geben, denn Wissen ist das Gegengift zu Vorurteilen.« So habe man in der Vergangenheit bei einem gemeinsamen Besuch der Gedenkstätte KZ Buchenwald festgestellt, dass sich der Rassismus der Nazis nicht nur gegen Juden, sondern durchaus auch gegen Araber richtete, die ebenfalls in dem KZ ermordet wurden.

Auf jüdischer Seite sei beispielsweise kaum bekannt, »dass das muslimische Aschura-Fest seinen Ursprung im jüdischen Jom Kippur hat und dass dabei noch heute unter anderem Moses’, Noahs und Hiobs gedacht wird, die alle drei als Propheten verehrt werden«, erklärt Bunk und betont: »Je besser informiert wir selbst sind, desto besser können wir uns unserer eigentlichen Aufgabe widmen: den gegenseitigen Dialog zu fördern.« Der Bedarf sei groß.

Eine weitere Aufgabe sieht sie darin, »den Dialog in die eigenen Gemeinden zu bringen. So können in Deutschland geborene Juden durchaus andere Ansichten vertreten als solche, die aus Osteuropa, Israel oder den USA zugewandert sind; Entsprechendes gilt natürlich für hier geborene Muslime und solche, die aus Nordafrika, Syrien oder Palästina kommen«. Darüber hinaus wollten sie als Dialogpartner für alle Marburger zur Verfügung stehen und der Stadtgesellschaft Kooperations- und Bildungsarbeit anbieten.

Kritik Bilal El-Zayat und Monika Bunk wissen, dass der intensive muslimisch-jüdische Dialog auch in den eigenen Reihen nicht überall gut ankommt.

»Wir werden den Nahostkonflikt in Marburg nicht lösen«, sagt El-Zayat. Zur Islamischen Gemeinde in Marburg gehören viele Menschen, die ursprünglich aus Palästina kommen, erklärt El-Zayat. Manche seien persönlich vom Nahostkonflikt betroffen, erzählt er. »Und natürlich gibt es zu politischen Fragen zum Teil sehr unterschiedliche Meinungen.« Darüber habe man selbstverständlich bereits gesprochen.

»Wir werden den Nahostkonflikt nicht lösen.«

Bilal El-Zayat

Auch Monika Bunk erzählt, dass es in der Jüdischen Gemeinde durchaus Widerstände gegen den Austausch mit Muslimen gebe. Sie betont, niemanden über einen Kamm scheren zu wollen. Trotzdem beobachte sie zum Teil Tendenzen, die sich besonders auf das Bild vom Islam auswirkten.

Moscheeeinweihung Dennoch trafen sich die beiden Vorsitzenden nur wenige Tage nach der Vorstellung des Vereins am 13. September zur Einweihung des Marburger Kultur- und Bildungszentrums mit Moschee, eine Erwiderung der Einladung von vor fünf Jahren.

2015 nämlich hatte Marburgs Gemeindevorsitzender Amnon Orbach El-Zayat dazu eingeladen, bei der Fertigstellung der neuen Tora mitzuwirken. Orbach seinerseits nahm die Einweihung der Moschee zum Anlass, den hebräischen Segen »Birkat ha Baijit« (Segen über das Haus) zu sprechen.

Dennoch stehen El-Zayat und Bunk vor einer großen Aufgabe, aber sie haben schon bisher bewiesen, dass sie entschlossen sind, diese anzugehen. »Gemeinsam e.V.« hofft dabei auf rege Unterstützung.

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