Düsseldorf

»Nelly« wächst

Soll zu einem jüdischen Quartier ausgebaut werden: das Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf Foto: Jan Popp-Sewing

Gut ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung soll das Elternheim der Düsseldorfer Gemeinde, das Nelly-Sachs-Haus, erneut deutlich erweitert werden. Es geht um Neubauten mit 17 Seniorenwohnungen sowie 40 vollstationären Pflegeplätzen und 18 Tagespflegeplätzen.

Das Projekt mit einem Volumen von rund 20 Millionen Euro soll mithilfe von Fördergeldern und Mitteln der Düsseldorfer Gemeinde finanziert werden. Aktuell bietet das Haus am Düsseldorfer Nordpark 110 Senioren einen Platz. Damit ist das »Nelly« nach dem Altenzentrum der Frankfurter Gemeinde das zweitgrößte jüdische Seniorenzentrum der Republik.

Wann genau der Bau beginnen kann, ist noch nicht klar.

»Die Nachfrage nach Plätzen ist deutlich größer als das Angebot. Wir brauchen dringend neue Kapazitäten«, sagt Heimleiter Bert Römgens. Wann genau der Bau beginnen kann, ist noch nicht klar. In Kürze beschäftigen sich die Stadtteilpolitiker der Bezirksvertretung mit dem Projekt. »Wir stehen in enger Abstimmung mit der Bauaufsicht«, betont Römgens. Beim Bewilligungsverfahren für die Fördergelder sei man »auf der Zielgeraden«.

Pflegeplätze Geplant ist, den aktuellen Komplex um zwei weitere Baukörper zu einer Art Rechteck zu erweitern. Die nötigen Grundstücke besitzt man bereits. In die Neubauten sollen neben Seniorenwohnungen, Betreuungs- und Pflegeplätzen auch eine Art Supermarkt mit koscheren Angeboten und ein koscheres Restaurant mit Mittagstisch integriert werden. Das Restaurant soll öffentlich zugänglich sein. Hier könnten neben Bewohnern und ihren Besuchern beispielsweise auch Besucher des wenige 100 Meter entfernten Messegeländes speisen, die Wert auf koscheres Essen legen.

Hinter der Erweiterung steckt auch die Idee, das Nelly-Sachs-Haus zu einem jüdischen Quartier mit verschiedenen pflegerischen Angeboten und Wohnmodellen weiterzuentwickeln, das fest im Stadtteil Stockum verankert ist. Geplant ist, Pflege- und Betreuungsleistungen auch für ältere nichtjüdische Anwohner anzubieten, die in einem Umkreis von einem Kilometer wohnen. Veranstaltungen der offenen Seniorenarbeit sollen sich ebenfalls an ältere Menschen aus der Nachbarschaft richten. Dafür könnte etwa der beim künftigen Restaurant geplante Mehrzweckraum genutzt werden.

70er-Jahre Die Düsseldorfer Gemeinde nahm das eigens neu errichtete Haus 1970 in Betrieb, um Gemeindemitgliedern einen würdevollen Lebensabend in jüdischer Umgebung zu ermöglichen. Einen Kindergarten und ein Jugendzentrum gab es zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren. Nun waren die Älteren dran.

Benannt wurde das Haus nach der im selben Jahr verstorbenen deutsch-schwedischen Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs. Erste Bewohner waren zum Beispiel Rückkehrer aus Chile – und Senioren aus dem Essener Haus Rosenau.

Eine bekannte langjährige Bewohnerin war die Lyrikerin Rose Ausländer.

In Zeitungsanzeigen wurde damals – ganz im Stil der Zeit – geworben: »Im Nelly-Sachs-Haus fühlt man sich wie in einem modernen Großstadt-Hotel – nicht wie in einem Altenheim.« 2003 wurde das Haus umfassend umgebaut und erweitert. Inzwischen wird das Elternheim der Gemeinde von der gemeinnützigen Maimonides GmbH betrieben.

Eine bekannte langjährige Bewohnerin war die Lyrikerin Rose Ausländer (1901–1988), die von 1972 bis zu ihrem Tod im Haus wohnte und den Heimalltag auch in ihren Werken thematisierte.

Namensgeberin Dichtung und Literatur spielen im Nelly-Sachs-Haus eine große Rolle: Regelmäßig werden Lyriknachmittage veranstaltet – und es gibt einen wöchentlichen Literaturkreis. Und auch Lilli Marx (1921–2004), deutsche Journalistin und jüdische Verbandsfunktionärin, verbrachte ihre letzten Lebensmonate hier. Zudem war sie die Ehefrau des Journalisten und Gründers und Herausgebers der Vorläuferzeitung der »Jüdischen Allgemeinen«, Karl Marx.

Wie wichtig das Haus heute für die jüdische Gemeinschaft, aber auch für die Politik ist, kann man gut an der 50-seitigen Festschrift zum 50-jährigen Bestehen sehen. Auf den ersten Seiten finden sich nicht weniger als 17 Grußworte, darunter Botschaften des nordrhein-westfälischen Familienministers Joachim Stamp, von Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller und von Zentralratspräsident Josef Schuster. Die Feier des Jubiläums musste freilich im Pandemie-Jahr ausfallen – soll dann aber nach Corona nachgeholt werden.

Trauer

Mit gebrochenem Herzen

Die Israelitische Kultusgemeinde nahm Abschied von Rebbetzin Shoshana Brodman sel. A., die Anfang November nach langer Krankheit starb

von Esther Martel  02.12.2025

Kulturtage

»Weitermachen ist die einzige Chance«

»Jüdisches Leben in Deutschland – Heute und Morgen«: Ein Podium stellte die Frage nach gesellschaftlichen Dynamiken und Konsequenzen nach dem 7. Oktober

von Esther Martel  02.12.2025

Planegg

Historische Sensation

Eine Ausstellung erzählt vom Schicksal Jakob Hirschs, der 1818 als erster Jude in Bayern geadelt wurde

von Ellen Presser  02.12.2025

Köln

Bekenntnis zum Leben

Der WIZO-Ball sammelte Spenden für traumatisierte israelische Kinder

von Ulrike Gräfin Hoensbroech  02.12.2025

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin-Charlottenburg

Verborgene Schätze im Innenhof

Gemeindemitglied Joachim Jacobs führt durch den wohl jüdischsten Bezirk der Hauptstadt

von Sören Kittel  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025