Hannover

Nationalsozialismus – Nein Danke

Abiturfrage: Wo ist das? Foto: Marco Limberg

Wenn am 4. August in Niedersachsen wieder der Schulunterricht beginnt, könnte es gut möglich sein, dass Schüler der Klassen 11 und 12 künftig das Thema Nationalsozialismus nicht mehr weiter behandeln werden. Das jedenfalls befürchtet der niedersächsische Geschichtslehrerverband (NG LV) nach der im April dieses Jahres vorgelegten sogenannten Anhörungsfassung des Kerncurriculums Geschichte Oberstufe.

Forderung Darin, so der Vorsitzende des NGLV, Martin Stupperich, werde die Zeit des Nationalsozialismus nur noch marginal im Geschichtsunterricht behandelt. Das Thema Judentum in seiner kulturellen Bedeutung für die deutsche Geschichte fehle ebenfalls. Ursache dieser Missachtung ist die Aufgliederung der im Geschichtsunterricht zu berücksichtigenden Themen in Kern- und Wahlmodule. Vereinfacht gesagt gehören zu den Kernmodulen die Themen, die unterrichtet werden müssen, umgekehrt brauchen nur einige Themen aus den Wahlmodulen aufgegriffen werden. Die Forderung: »Es ist sicherzustellen, dass die Schüler sich im Laufe der Qualifikationsphase in mindestens einer Unterrichtssequenz mit Aspekten des Nationalsozialismus auseinandersetzten«, geriete so zur Farce, so Stupperich. Von einem Geschichtsunterrich auf hohem Niveau könne so nicht mehr die Rede sein.

Weniger Wahlmodule und mehr strukturelle Vorgaben würden Kernkompetenzen sichern helfen, erklärt Stupperich der Jüdischen Allgemeinen. Er befürchte, so schreibt Stupperich auch in einem Brief an Niedersachsens Kultusminister Bernd Al-
thusmann, dass dadurch »zentrale Inhalte des Geschichtsunterrichts entweder entfallen oder weitgehender Beliebigkeit anheimgegeben werden«. Dies sei für die meisten Geschichtslehrer in Niedersachsen »nicht tragbar«.

Oberstufe Sturm gegen dieses Curriculum läuft auch der Zentralrat der Juden in Deutschland. Sein Generalsekretär Stephan J. Kramer sieht in seinem Brief an Althusmann gar »einen dramatischen Einschnitt in der Behandlung des Nationalsozialismus«, schließlich beträfe es eine »Thematik, die auch die moralische Grundlage unserer Staats- und Rechtsordnung bildet«. Auch Kramer fordert, den Nationalsozialismus als Kernmodul in den Oberstufenunterricht aufzunehmen. Für problematisch hält Kramer auch das Wahlthema, das als »Flucht, Vertreibung und Umsiedlung von Deutschen im Umfeld des Zweiten Weltkriegs« formuliert ist. Flucht und Vertreibung würden aus dem historischen Kontext herausgelöst. Immer wieder – so erneuerte auch der Generalsekretär die Forderung – habe der Zentralrat auf die Problematik hingewiesen, dass auf den Zusammenhang zwischen Drittem Reich und nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen einerseits und der Flucht und Vertreibung von Deutschen andererseits hingewiesen werden müsse. »Die Auswahl der inhaltlichen Schwerpunkte des Wahlmoduls und die Vernachlässigung von Ursache und Wirkung sind daher meines Erachtens mehr als fragwürdig«, betont Kramer.

Martin Stupperich sieht Gefahr im Verzug. Kultusminister Althusmann habe die gemeinsame Stellungnahme des Ge-
schichtslehrerverbandes und der Studienseminare inhaltlich nicht bewertet, sondern lediglich formale Gründe zur Ablehnung des Einspruchs vorgebracht. »Aus Sicht des Verbandes« aber sei »dieser Anhörungsentwurf alles andere als verabschiedungsreif«, bemängelt der Oberstudiendirektor im Ruhestand. Zum jetzigen Zeitpunkt stelle das Kerncurriculum »einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft« dar. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die niedersächsischen Oberstufenschüler freiwillig im kommenden Schuljahr im Fach Geschichte mit dem Wahlthema Nationalsozialismus und Judentum beschäftigen.

Universität

»Eine tolle Chance«

Philipp Lenhard über seine Tätigkeit am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU München, Forschungsschwerpunkte und die Zusammenarbeit mit der Gemeinde

von Luis Gruhler  22.01.2025

Schulen

Zwölf Punkte für die Bildung

In der Kölner Synagoge diskutierten Vertreter von Zentralrat und Kultusministerkonferenz über die Darstellung des Judentums in Schulbüchern. Entstanden ist eine Leitlinie für Pädagogen

von Stefan Laurin  22.01.2025

Lohheide

Vor 80 Jahren starb Anne Frank im KZ Bergen-Belsen

Blumen, Fähnchen, Stofftiere: Nirgendwo in der Gedenkstätte Bergen-Belsen werden so viele Gegenstände abgelegt wie am Gedenkstein für Anne Frank

von Michael Althaus  22.01.2025

Berlin

Sicher in der Kunst

Im Herbst 2024 wurde die Jüdische Kunstschule gegründet. Sie soll ein »Safe Space« für Kreative sein. Ein Besuch in zwei Workshops

von Katrin Richter  21.01.2025

München

Zeugnisse jüdischen Lebens

Das Landesamt für Denkmalpflege kartografiert die Friedhöfe in Thalkirchen und Freimann

von Ellen Presser  21.01.2025

Fundraising

In Rons Namen

Die Eltern eines ermordeten israelischen Soldaten widmen ihrem Sohn ein Tierheim und sammeln Spenden für das Projekt. In Berlin sind zwei Benefizkonzerte geplant

von Christine Schmitt  21.01.2025

Berlin

Margot Friedländer: »Die Demokratie schwankt«

Die 103-Jährige wurde von den Nazis ins KZ Theresienstadt verschleppt. Vor dem nationalen Holocaust-Gedenktag warnt sie: »Seid vorsichtig«

von Verena Schmitt-Roschmann  21.01.2025

Oldenburg

Anschlag auf Synagoge bei  »Aktenzeichen XY ... Ungelöst«

Ein Unbekannter hatte einen Brandsatz gegen die massive Tür des Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen

 20.01.2025

Jahrestag

Das Grauen seit 80 Jahren im Kopf

Albrecht Weinberg wird bald 100. Er gehört zu den wenigen Zeitzeugen, die noch von der Verfolgung und Ermordung der Juden berichten können. Gerda Dänekas hat ihn ermuntert, seine Geschichte zu erzählen - und damit beider Leben verändert

von Karen Miether  20.01.2025