Berlin

Musikalische Affäre

»Beide Kulturen miteinander verbinden«: die Musiker Jawed Salkhordeh, Yuval Halpern und Babak Shafian (v.l.) Foto: Stephan Pramme

Können wir uns treffen? Ich möchte eine Band mit iranischen und israelischen Musikern aufbauen.» Mit dieser im Internet gestellten Frage wurde Yuval Halpern, aufgewachsen in Israel, von Babak Shafian, gebürtiger Iraner, überrascht. Das war vor knapp zwei Jahren. «Sofort spürte ich meine israelische Paranoia aufsteigen», erinnert sich der 33-jährige Komponist. Ob es sich um einen Terroristen handelt? Könnte die Sache gefährlich sein? Yuval Halpern hatte sich schließlich doch auf eine Verabredung eingelassen. Mittlerweile haben sie eine Band gegründet und sind sogar Freunde geworden.

Möglich gemacht hat das ihre gemeinsame Sprache, «nämlich die Musik», wie sie unisono sagen. Ein Wort klingt in ihren Ohren besonders schön: «Sistanagila». So lautet der Name ihrer Gruppe, der von dem hebräischen Volkslied Hava Nagila abgeleitet wird, der aber auch an die persische Sprache erinnert. «Wir finden, dass es ein schöner Name ist, der beide Kulturen verbindet», ergänzt Babek Shafian.

Konzerte Mit ihrer «Musikalischen Affäre. Iran und Israel», so der Titel ihres aktuellen Programms, sind sie bereits mehrmals aufgetreten. Mittlerweile sind auch weitere Musiker in die Affäre verwickelt. Bei den Konzerten erklingt je ein Drittel jüdischer, iranischer und eigener Stücke.

Viele seien überrascht, wenn sie hören, dass sich ausgerechnet aus diesen beiden Ländern Musiker zusammengetan haben. Dazu Babak Shafian: «Ich fand es sehr schade, dass unter dem damaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad ausgerechnet die antisemitische Stimme so eine große Resonanz erfuhr», sagt der Informatiker. In Teheran ging er mit drei Juden in dieselbe Klasse, was überhaupt nichts Besonderes war. «Juden gehören in die iranische Gesellschaft, und die Menschen haben keine Probleme miteinander.»

Der 32-Jährige stammt aus einer musikalischen Familie, sein Onkel spielt hauptberuflich die Setar. «Ich hatte zwar Interesse, Schlagzeug zu lernen, aber es ist nicht dazu gekommen.» Vor 13 Jahren kam Shafian nach Deutschland, um Informatik und Jüdische Geschichte zu studieren. In Berlin begann er dann, nach israelischen Musikern Ausschau zu halten, und fand im Internet Halpern, der erst wenige Jahre zuvor hierhergezogen war.

Der 33-jährige Israeli ist seit seiner Jugend von Musik fasziniert. Seine erste Komposition schrieb er im Gymnasium in Tel Aviv. Da war er 16 Jahre alt. Später ging er nach Den Haag, um Komposition zu studieren, und wechselte nun an die Hanns-Eisler-Hochschule für Musik, um dort Unterricht in Medienkomposition zu erhalten. Tanzstücke, Musical und Jazz – das sind einige seiner Schwerpunkte. Und natürlich die Musik von «Sistanagila».

Auch Jawed Salkhordeh ist von Anfang an dabei gewesen. Damals war er neugierig, da er bis dahin «keine jüdischen Leute» kannte, so der 33-Jährige. Er ist im Nordiran am Kaspischen Meer aufgewachsen, lebt seit einigen Jahren in Berlin, gibt Setar- und Percussion-Unterricht. Für ihn ist es wichtig, zu zeigen, dass «Musik und Kunst Grenzen überwinden können».

Projekt Mittlerweile besteht das Ensemble auch aus weiteren Musikern. «Wir achten darauf, dass die Mischung ausgewogen ist», betont Babak Shafian. So ist – neben drei Israelis und drei Iranern – auch eine Deutsche dabei.

Um die religiösen Elemente wie auch die eher moderne, nationale Identität der Kulturen zum Ausdruck zu bringen, greifen sie sowohl auf folkloristische und religiöse Melodien aus Klezmer, sefardischer und traditioneller persischer Musik zurück. «Überwiegend beschäftigen wir uns mit traditioneller jüdischer und iranischer Musik, die mindestens 100 Jahre alt ist», sagt der Komponist, der zu Hause an seinem Schreibtisch alle Melodien, die Rhythmen und Harmonie passend umschreibt. Leicht sei es nicht, eine gelungene Mischung entstehen zu lassen. «Es ist ja auch wichtig, eine eigene Sprache für ›Sistanagila‹ zu finden.» Die Musiker lassen sich sowohl von Texten zeitgenössischer als auch früherer Dichter inspirieren.

Es kann durchaus vorkommen, dass ein israelisches Stück nicht in Hebräisch, sondern in Persisch gesungen wird. «Unterschiedliche Eigenarten führen zu Bereicherungen», ist sich Babak Shafian sicher.

Auftritt Bislang hatten sie schon Auftritte im Grünen Salon der Volksbühne oder in der Werkstatt der Kulturen. Im Dezember wird sich «Sistanagila» in der Mendelssohn-Remise präsentieren. «Das war immer mein Traum, dass wir dort ein Konzert geben, denn ich finde, dass dieser geschichtlich wichtige Ort zu uns passt», so Babak Shafian. «Und nun wird er wahr.» Er wird sich dann zurücklehnen, mit dem Wissen, die Menschen zusammengebracht zu haben, um sich ganz der musikalischen Affäre widmen zu können.

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