Würzburg

Mosaik des Gedenkens

Der vergangene Freitagmorgen markierte ein wichtiges Datum in der Erinnerungskultur Würzburgs. An der Ecke Dürer- und Konradstraße, in der Nähe des ehemaligen jüdischen Krankenhauses und der einst drei jüdischen Altersheime, wurde in Gegenwart von Zentralratspräsident Josef Schuster ein besonderes Denkmal eingeweiht: ein Mosaik aus 40 Stolpersteinen, kleinen Messingplatten, und einer Schwelle.

Sie erinnern an die 1942 von dort deportierten Bewohner und das Personal des jüdischen Krankenhauses sowie der drei jüdischen »Pfründnerheime« – der damals üblichen Bezeichnung für Altersheime. An die deportierten Bewohner der späteren Sammelunterkünfte erinnern namenlose Steine des »Mosaiks«.

Die Stolpersteine sind in Würzburg seit Langem etabliert – insgesamt wurden dort seit Gründung des Arbeitskreises Stolpersteine vor 16 Jahren bereits 625 Metalltafeln verlegt. Gegründet hat ihn die ehemalige Würzburger Stadträtin Benita Stolz, die als 1. Vorsitzende des Vereins DenkOrt Deportationen auch maßgeblich zur Errichtung des 2020 eröffneten »DenkOrts Deportationen« vor dem Würzburger Hauptbahnhof beigetragen hat.

Team Anders als sonst üblich, war der Künstler Gunter Demnig, der »Vater« der Stolpersteine, wegen der Corona-Pandemie nicht nach Würzburg gekommen, um die Gedenktafeln persönlich zu verlegen. Deswegen hatte ein Team des städtischen Bauhofs die Arbeit übernommen.

Die Historiker Roland Flade und Maja Andert hatten am Vorabend den historischen Hintergrund für die Stolpersteine erklärt.

Den historischen Hintergrund für die Stolpersteine hatte bereits am Vorabend der Journalist und Historiker Roland Flade, ein Experte für die Geschichte der Würzburger Juden, bei einem Themenabend ausgeleuchtet. Zusammen mit der Historikerin Maja Andert hatte er bei der Veranstaltung mit dem Titel »Verschwundene Nachbarn 1942« in Gegenwart von Zentralratspräsident Schuster und von Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) die Geschichte des ehemaligen jüdischen Krankenhauses und der drei Altersheime vorgestellt.

1885, als sich rund 4,5 Prozent der Würzburger Bürger zum jüdischen Glauben bekannten, richtete eine Stiftung, die eng mit der Israelitischen Kultusgemeinde verbunden war, in der Dürerstraße ein Krankenhaus ein. Sieben Jahre später, 1892, konnte auch das erste jüdische Altersheim, das an das Krankenhaus angebaut war, eingeweiht werden.

1930 wurde das sogenannte Landesheim, ein großer Erweiterungsbau, errichtet. Nach 1945 wurde dieses Gebäude, das den britischen Bombenangriff vom 16. März 1945 ohne größere Beschädigungen überstanden hatte, zum Zentrum der neuen jüdischen Gemeinde. Diese hatte dort bis Anfang der 2000er-Jahre ihren Sitz, bevor sie in das neue, benachbarte Gemeindezentrum Shalom Europa umzog.

Ein Stolperstein erinnert an den ärztlichen Leiter des Krankenhauses, Robert Sprinz.

Zu den Persönlichkeiten, deren Biografie mit dem einstigen »Sozialzentrum« eng verbunden ist, gehört auch der jüdische Allgemeinmediziner Robert Sprinz. Der Arzt hatte seit 1904 im jüdischen Krankenhaus die Funktion eines ehrenamtlichen ärztlichen Leiters und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort 1943 ermordet.

Ritaschwestern Zu seinen Mitarbeiterinnen gehörte auch Elisabeth Wenzel von der katholischen Kongregation der Ritaschwestern, die von 1921 bis zur Auflösung des Hauses durch die Nationalsozialisten im Jahr 1942 im Krankenhaus und in den jüdischen Altersheimen tätig war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Ordensschwester von 1945 bis 1960 dann erneut im jüdischen Altersheim tätig. Die enge Verbindung der Ritaschwestern zu der jüdischen Gemeinde wirkt bis in die Gegenwart nach: Laut Benita Stolz haben sich die Ordensfrauen verpflichtet, sich um die Pflege des neuen Gedenkorts zu kümmern.

Für die Stadt nahm die dritte Bürgermeisterin von Würzburg, Judith Jörg, an der Präsentation des neuen Denkmals teil, die von Schülerinnen der nur einige Minuten von den Stolpersteinen entfernt gelegenen Maria-Ward-Realschule mitgestaltet wurde. Die Politikerin betonte in ihrer Ansprache, dass auch viele Würzburger sich in der Zeit des Nationalsozialismus schuldig gemacht hätten: »Sie haben weggesehen, mitgemacht oder sich bereichert, als ihre Mitbürger ausgegrenzt, entrechtet, verfolgt und in den Tod geschickt wurden.«

»Es ist eine besondere Verlegung, weil an Menschen gedacht wird, die in diesem Areal lebten und von hier deportiert wurden.«

Zentralratspräsident Josef Schuster

Wichtig sei es, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten: »Wir sind es den Opfern schuldig, dass es in unserem Land nie wieder zu einer solchen Herrschaft des Unrechts kommt.« In der Gegenwart sei der Antisemitismus wieder ein massives Problem. »Wir sind alle aufgefordert, den geistigen Brandstiftern die rote Karte zu zeigen«, sagte Jörg.

Bedeutung Zentralratspräsident Josef Schuster machte in seiner emotional gehaltenen Ansprache deutlich, wie wichtig gerade diese Stolpersteinverlegung für ihn war. »Es ist eine besondere Verlegung, weil an Menschen gedacht wird, die in diesem Areal lebten und von hier deportiert wurden«, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. »Ich finde es toll, welche künstlerische Möglichkeit sich gezeigt hat, dieses Denkmal zu schaffen.«

Gunter Demnigs Kunstprojekt sei nicht nur gelungen, sondern auch besonders wichtig: »Der eine oder andere stolpert auch gedanklich darüber, und gar nicht so wenige Menschen fangen das Denken an.«

Lobende Worte fand Schuster für das Engagement der Stadt Würzburg in Sachen Stolpersteine: Anders als in anderen Kommunen, wo er den Eindruck habe, dass die Verlegung der Stolpersteine eher als »Pflichtübung« verstanden wird, werde ihre Verlegung in Würzburg unter anderem mit einem Themenabend »zelebriert«. Das sei wichtig, denn dadurch werde es möglich, »Menschen, die deportiert wurden, wieder einen Namen zu geben, ihre Würde wiederzugeben«. Für dieses Engagement dankte er ausdrücklich.

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  28.12.2025

Geburtstag

»Der Tod war etwas Gegebenes«

Der Holocaust-Überlebende Leon Weintraub wird am 1. Januar 100 Jahre alt

von Gabriele Ingenthron  28.12.2025

Dating

Auf Partnersuche

Matchmaking mit Olami Germany – ein Ortsbesuch

von Jan Feldmann  23.12.2025

München

Ein kraftvolles Statement

Beim Gemeindewochenende nahmen zahlreiche Mitglieder an Diskussionen, Workshops und Chanukka-Feierlichkeiten teil

von Esther Martel  23.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

WerteInitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 24.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025