Jubiläum

Mitten in der Stadt

Wenn Rabbiner Yehuda Teichtal tanzt, dann springt er fast einen halben Meter hoch. Von Freude, und vielleicht auch ein wenig von Stolz getragen. Stolz darauf, die »Landschaft jüdischen Lebens mit den vereinten Kräften Tausender Menschen dramatisch verändert zu haben«, sagt der Rabbiner von Chabad Lubawitsch. 15 Jahre, nachdem er mit seiner Frau Leah nach Berlin gekommen ist, haben sich einige Dinge verändert: Man komme sich nicht mehr seltsam vor, mit einer Kippa auf die Straße zu gehen, es sei leichter, eine gute traditionelle jüdische Erziehung zu erhalten oder ein koscheres Schabbatmahl zu kochen, sagt Teichtal.

1997 sah die Stadt für ihn noch ganz anders aus. Und auch die Münstersche Straße in Wilmersdorf präsentierte sich ruhiger. Damals gab es weder das Jüdische Bildungszentrum mit Talmud-Tora-Schule, einer Jeschiwa, Jugend-Lounge, Bibliothek, Restaurant und einer Mikwe, noch die Synagoge Beit Israel. Und unter der Adresse Münstersche Straße fand man ein Gebäude, das als Umspannwerk der Bewag diente. 2007 wurde an gleicher Stelle das jüdische Zentrum eröffnet – da hatte Rabbiner Teichtal schon jahrelang Vorarbeit geleistet.

Musik Ein Grund, um beim Straßenfest anlässlich des Jubiläums Chabad Berlin vor dem Jüdischen Bildungszentrum zu tanzen. Die kurze Münstersche Straße und die Bürgersteige sind abgesperrt, kein Auto kommt durch. Stattdessen erklingt laute Musik, überall tanzen Männer und freudige Menschen. Etliche Rabbiner sind dabei, ebenso Politiker wie der stellvertretende Bezirksbürgermeister Klaus-Dieter Gröhler und Stadträtin Elfi Jantzen.

Auf der Bühne begeistert Avraham Fried, der als »weltweit berühmter Sänger aus New York« angekündigt wurde, das Publikum. Auf der Straße sind Stände aufgebaut, es gibt Fisch vom Grill, und neben Bubble Tea und Falafel andere koschere Spezialitäten. Auch die Kleinen kommen auf ihre Kosten. Sie können in großen Aufblaskugeln über eine Gummimatte toben, Trampolin springen oder sich schminken lassen.

Währenddessen herrscht auf der Bühne schon wieder große Konzentration. Dort schreiben Rabbiner und Gemeindemitglieder die letzten Buchstaben in eine fast einhundert Jahre alte Torarolle, die von Leonard Wien, einem Spender aus Miami, zum Jubiläum zur Verfügung gestellt wird. Unter großem Jubel wird sie später von der Bühne in die Synagoge getragen. Anschließend soll sie ihren Platz in der Jüdischen Traditionsschule finden. Dort, am Spandauer Damm, ist neben einer Grundschule und nun auch ein Gymnasium und der Kindergarten zu finden. Hinter dem Gemeindezentrum soll eine Art Campus entstehen, mit weiteren Schulen, Sport- und Bildungseinrichtungen.

Acht Millionen Euro sollen dafür zusammenkommen, hofft Yehuda Teichtal, noch sammelt er. Der 39-jährige Rabbiner tut jedenfalls alles, was er kann, damit dieser Plan Wirklichkeit wird. Realität wurde kürzlich erst ein neues Chabad-Haus für Israelis nahe des Alexanderplatzes. Hunderte nehmen an Kursen, Seminaren und Feiertagsprogrammen teil. Mit Tausenden Menschen stehe Chabad in Berlin in Verbindung, sagt Teichtal. »Die vergangenen 15 Jahre haben wir der Hilfe für andere gewidmet, um jüdische Kontinuität zu stärken und zu gewährleisten«, sagt Rabbiner Teichtal.

»Dass wir Immigranten-Familien, Patienten im Herzzentrum, alleinstehende Senioren, bedürftigen Kindern oder trauernden Familienangehörigen helfen sowie mit Familien die jüdischen Feiertage feiern können, verdanken wir den zahlreichen Menschen, die ihre Zeit und ihr Geld in die Zukunft bei Chabad investiert haben.«

Gala Denen wird am Abend im Hotel Ritz-Carlton gedankt. Ehrengäste der Gala sind der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Wowereit lobt die »Jahre der Begegnung, Freundschaft und gegenseitigen Unterstützung«. Es mache ihn stolz, dass Chabad so viel jüdisches Leben nach Berlin gebracht habe. »Dieser Enthusiasmus und dieses Engagement sollen anhalten.«

Und an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, gerichtet, sagt er: »Sie können froh sein, eine so engagierte Gemeinschaft in ihrer Gemeinde zu haben.« Es sei von großer Bedeutung, unterstreicht der SPD-Politiker, dass die Einheit der Gemeinde in ihrer Vielfalt gewahrt werde und dass man die Zukunft gemeinsam gestalte. »Für uns in Berlin ist das wichtig.«

www.chabadberlin.de

Trauer

Mit gebrochenem Herzen

Die Israelitische Kultusgemeinde nahm Abschied von Rebbetzin Shoshana Brodman sel. A., die Anfang November nach langer Krankheit starb

von Esther Martel  02.12.2025

Kulturtage

»Weitermachen ist die einzige Chance«

»Jüdisches Leben in Deutschland – Heute und Morgen«: Ein Podium stellte die Frage nach gesellschaftlichen Dynamiken und Konsequenzen nach dem 7. Oktober

von Esther Martel  02.12.2025

Planegg

Historische Sensation

Eine Ausstellung erzählt vom Schicksal Jakob Hirschs, der 1818 als erster Jude in Bayern geadelt wurde

von Ellen Presser  02.12.2025

Köln

Bekenntnis zum Leben

Der WIZO-Ball sammelte Spenden für traumatisierte israelische Kinder

von Ulrike Gräfin Hoensbroech  02.12.2025

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin-Charlottenburg

Verborgene Schätze im Innenhof

Gemeindemitglied Joachim Jacobs führt durch den wohl jüdischsten Bezirk der Hauptstadt

von Sören Kittel  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025