Nürnberg, Arno-Hamburger-Straße, ein regnerischer Tag im August. Vor dem holzverkleideten Kubus der Kita »Kinderhaus Gan Schalom« steht Alexander Lissak, der Zweite Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde (IKGN). Er ist sichtlich stolz auf das »Baby« der Gemeinde. So nennt er die von der IKGN getragene und von der Stadt Nürnberg und dem Freistaat Bayern unterstützte und am 1. Juli eröffnete Kita »Kinderhaus Friedensgarten«. Und wie in einem Garten fühlt man sich tatsächlich, denn das Gebäude ist ringsum von Grün umgeben. Für die Sicherheit sorgen hohe Metallzäune – in unruhigen Zeiten wie diesen unerlässlich.
Während Lissak durch die geräumige, helle und mit viel Holz ausgestattete Kita führt, merkt man schnell: Eine Stärke des Nürnbergers ist seine mit Freundlichkeit gepaarte Beharrlichkeit. Nachdem die Gemeinde 2021 das von ihm vorgeschlagene Projekt beschlossen hatte, begannen im April 2023 die zwei Jahre später abgeschlossenen Bauarbeiten – vier Millionen Euro hat der Neubau gekostet.
Jetzt können im »Kinderhaus Gan Schalom« maximal zwölf Krippen- und 50 Kindergartenkinder auf 750 Quadratmetern betreut werden – aktuell spielen, essen und lernen dort zwei Krippen- und zehn Kindergartenkinder im Alter von zweieinhalb bis fünf Jahren. Je nach Betreuungsart und Buchungszeit variiert der Monatsbeitrag zwischen 300 und 600 Euro. »Die Kleinen haben hier unglaublich viel Raum für verschiedene Möglichkeiten«, sagt Lissak. Und diese nutzten sie ohne Vorurteile, denn sie hätten kein Problem mit der multinationalen Herkunft ihrer Freunde: »Die Kinder interessiert: ›Kann ich mit dem spielen oder nicht? Mag ich ihn oder nicht?‹«, berichtet Kitaleiterin Lynn Hofmann.
Ein Zimmer der Kita ist für Sinneserfahrungen vorgesehen.
Sie erklärt, an welchen Grundsätzen sich die Kita der IKGN orientiert: »Die Kinder können bei uns Freundschaften schließen und sollen auch lernen, Konflikte auszuhalten und sich nach einem Streit wieder zu vertragen.« Das sei nicht immer ganz einfach, denn bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kleineren werde es häufig laut. Wie Auseinandersetzungen verliefen, hänge vom Alter und Temperament der Kinder ab. Gelegentlich komme es schon einmal zu harmlosen Streitigkeiten. »Am Ende wird es so ausgehandelt, dass es für alle passt«, sagt die Kitaleiterin. »Das ist schwere Arbeit für die Kinder.«
Lissak ergänzt: »Der Kindergarten ist eine ganz andere Welt als das, was die Kleinen zu Hause sehen, die aus serbischen, rumänischen, ukrainischen, russischen, iranischen, chinesischen, beninischen, indischen und deutsch-israelischen Familien stammen.« Rücksichtnahme auf die anderen sei ganz wichtig – gerade im Hinblick auf die Demokratiebildung: »Die Kinder sollen bei uns die Balance zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und den Wünschen der anderen lernen«, berichtet Hofmann. Das Ziel der Kita: die Gesellschaftsfähigkeit und Vorurteilsfreiheit der Kinder. »Wir wollen eine Brücke zwischen den verschiedenen Religionen und Kulturen sein«, sagt die Sozialpädagogin.
Konzept des Kinderhauses
Das Konzept des Kinderhauses sei teiloffen, berichtet die Kitaleiterin: Nachdem die Kinder angekommen seien, beginne der Tag gegen neun Uhr mit einem Morgenkreis. Dann könnten die Kindergartenkinder, die zwei Gruppen zugeordnet seien, entscheiden, mit wem sie an diesem Tag spielen wollten – daher die Bezeichnung »teiloffen«. Je nach ihrer Antwort auf die Frage: »Mit wem will ich heute etwas zu tun haben?«, schmökerten sie beispielsweise in Büchern oder machten Quatsch, wie Hofmann lächelnd berichtet. Eine eigene Gruppe bilden regelmäßig die fünf- bis sechsjährigen Vorschulkinder, bei denen das Lernen im Vordergrund stehe: »Sie genießen es, wenn sie einen Raum für sich haben«, so Hofmann.
Eine zentrale Rolle im Gan Schalom spielt das Judentum: »Wir bieten koscheres Essen an und richten unser Jahr nach den jüdischen Festen aus«, erläutert die Kindergartenleiterin. »Das ist das Spezifische unserer Kita.« Dazu gehört beispielsweise, dass am Freitag Challa gebacken wird. An Rosch Haschana gebe es passend zum jüdischen Neujahrsfest Äpfel und Honig, und auf dem Programm stünden auch Apfeldrucke. Nicht fehlen dürften Erläuterungen zur Bedeutung des Festes: »Wir besprechen, was das ist«, so Hofmann. Das sei eine große Herausforderung, denn im nichtjüdischen Kontext werde ja am 31. Dezember Silvester gefeiert. »Auch wenn die meisten unserer Kinder jüdisch sind, sind wir offen für alle Religionen«, sagt Hofmann.
Im Zimmer, das ab September für Rollenspiele und Sinneserfahrungen vorgesehen ist, beschäftigen sich gerade drei Kinder. Während ein Junge den Aufbau des menschlichen Körpers erkundet, baut ein anderer aus mehreren, bunten Magnetbausteinen ein Haus. Zur Ausstattung des Spielzimmers gehört auch eine Playmobil-Burg, die zum Ritterspiel einlädt.
Frühmusikalische Erziehung und Rhythmusübungen
Nach Israel bringt die Kinder ein Wimmelbuch der Illustratorin Rachel Shalev. Zum Angebot der Kita gehören auch frühmusikalische Erziehung, Rhythmusübungen mit Klangholz und Kamishibai, das Erzählen von Geschichten zu Bildkarten. »Das ist fast wie im Kino und schafft auch eine besondere Atmosphäre«, erläutert Hofmann.
»Wir sind offen«, sagt Lissak. »Das gehört zu unserem Konzept.« Dazu passt auch, dass das Wandgemälde im Treppenhaus, das die Arche Noah zeigt, vom Vorsitzenden des Arbeitskreises der Muslime in Nürnberg gemalt wurde. »Das Gemälde soll gerade in unserer Zeit die Verbindung zwischen Juden und Muslimen ausdrücken«, so die Kitaleiterin.
Ein paar Treppenstufen höher, im ersten Stock, ist die Krippe untergebracht. Dort können sich auch die Kita-Kinder im Bewegungsraum austoben. Zur Ausstattung gehören eine Sprossenwand, eine Langbank, Turnmatten und eine Schaukel. »Für die Krippenkinder haben wir auch ein Kletterelement angeschafft«, berichtet Lynn Hofmann.
Einige Zeit später holt ein junger Vater seine dreijährige Tochter von der Kita ab. »Ich bin mit dem Kindergarten sehr zufrieden«, sagt er. »Hier legt man großen Wert auf Sicherheit.« Kurz danach wird ein anderes dreijähriges Mädchen von seiner Schwester abgeholt.
Auf die Frage, was der jungen Frau denn am Kindergarten besonders gefalle, antwortet sie: »Es ist schön, dass die Kinder sich hier so frei bewegen und alles anfassen dürfen.« Vor der Kita wartet ein großer Kletterturm auf den nächsten Morgen.