Es wird eine ganz besondere Zeit in Sachsen: »2026 zum Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen zu erklären, hat uns Ministerpräsident Michael Kretschmer persönlich bei seinem Treffen Ende 2022 mit Vertretern des Landesrats der jüdischen Gemeinden in Sachsen, dem auch ich angehöre, mitgeteilt«, sagt Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. »Wir haben diese Initiative natürlich mit Begeisterung aufgenommen und unsererseits vorgeschlagen, das später ›Tacheles‹ genannte Jahr am 14. Dezember 2025 mit dem Anzünden der ersten Chanukkakerze zu beginnen und es am 12. Dezember 2026 mit dem Anzünden der letzten Chanukkakerze zu beenden.«
Dem vorangegangen waren lange Gespräche über ein eigenes jüdisches Museum in Sachsen, an denen auch Kaufmann beteiligt war. »Daraus entstand in Leipzig die Idee einer landesweiten inhaltlichen Auseinandersetzung in Form einer Landesausstellung«, heißt es jetzt in einer Erklärung zum Jahr der jüdischen Kultur unter Federführung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWKT). Die Städte Dresden und Leipzig seien an die Staatsregierung herangetreten, »die die Initiativen aufgriff, die in der Planung eines sächsischen Themenjahres 2026 mündeten«.
Mindestens 365 Veranstaltungen sollen in 54 Orten in ganz Sachsen stattfinden
Nun einstweilen also das Kulturjahr anstelle eines Museums. Aber mit einigem Tiefgang und Pfiff. Zum Anlass dient die Gründung des ersten sächsischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden vor 100 Jahren.
Die Eröffnung wiederum findet an diesem Sonntag im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) statt – und somit im ehemaligen Kaufhaus der jüdischen Unternehmer Simon (1874–1929) und Salman Schocken (1877–1959), das von dem berühmten Architekten Erich Mendelsohn (1887–1953) gebaut und im Mai 1930 als »Kaufhaus Schocken« eröffnet worden war.
»Menschen jüdischen Glaubens haben über Jahrhunderte die Stadt geprägt. In Sachsen gibt es seit über 1000 Jahren jüdisches Leben. Es gehört zu Sachsen. Ist es nicht da, fehlt dem Land etwas«, lässt Ministerpräsident Kretschmer noch auf der Website der Landesregierung wissen: »Wir unterstützen die persönliche Begegnung und den Austausch, gerade auch mit dem Jahr der Jüdischen Kultur. Ich wünsche mir, dass wir mit Neugier und Interesse auf das vielfältige jüdische Leben in Sachsen schauen und seine Spuren in den Städten und Dörfern, in den Unternehmen und Museen, in den Konzerthallen und Universitäten besser wahrnehmen.«
»Wir gehen von mindestens 365 Veranstaltungen im nächsten Jahr in 54 Orten in ganz Sachsen aus. Aufgrund der Dynamik im Kulturbetrieb werden noch weitere Angebote veröffentlicht, sodass das Programm sehr reichhaltig sein wird«, sagt Christian Landrock vom Kulturministerium: »Mit diesem Angebot wollen wir so viele Menschen wie möglich erreichen, auch jenseits der großen Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz.«
»Eine starke Botschaft: Wir waren, wir sind, und wir werden sein.«
Das Programm Tacheles wird bereits am heutigen Donnerstag von Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) und Küf Kaufmann vorgestellt. Zugleich werde eine eigens im osterzgebirgischen Seiffen gefertigte Chanukkia enthüllt und eine Chanukka-Ausstellung mit Werken des jüdischen Karikaturisten Ben Gershon präsentiert. »Die Vorbereitungszeit verging wie im Flug. Und nun stehen wir kurz vor der Eröffnungsfeier. Ich freue mich sehr, Teil des Teams zu sein, das sowohl die Eröffnung als auch das gesamte Jahr vorbereitet hat«, sagt Kaufmann.
Das Kulturjahr hat es in sich. Veranstaltungen, Bildungs- und touristische Angebote finden in diesem Zeitraum im Freistaat quasi am laufenden Band statt. »Die jüdischen Gemeinden des Landes sind voll und ganz in die vielfältigen Veranstaltungen des umfangreichen Jahresprogramms eingebunden«, so Kaufmann, der selbst Autor, Regisseur und Kabarettist ist: »Jüdische Kultur und Kunst werden sowohl auf hochprofessionellem als auch auf Amateurniveau präsentiert. Für uns ist es besonders wichtig, dass breite Schichten der sächsischen Bevölkerung an den stilistisch und thematisch vielfältigen Veranstaltungen des Jahres der jüdischen Kultur teilnehmen.«
Chanukka-Märkte in Plauen, Pirna oder Annaberg-Buchholz, Wurzen oder Görlitz
Dabei stünden, meint Kaufmann, zudem Direktor des Ariowitsch-Hauses in Leipzig, das 1931 als jüdisches Altenheim eröffnet wurde und heute eine Kultur- und Begegnungsstätte ist, »vor allem kleine Städte und Gemeinden im Vordergrund«. Aber auch allein in Leipzig finden mehr als 100 Veranstaltungen statt. »Hinzu kommt das Ariowitsch-Haus, in dem ebenfalls einschließlich der Jüdischen Woche etwa 80 Veranstaltungen im Jahr 2026 stattfinden«, sagt Kaufmann.
Das Leipziger Eröffnungskonzert steht in der kommenden Woche noch im Zeichen von Chanukka, wenn die internationale »Shvayg Mayn Harts Bigband« in Begleitung des Solisten Roman Grinberg und unter Leitung von Michael Alexander Willens im Gewandhaus Feiertagslieder und beschwingte jiddische Melodien spielt. In Plauen, Pirna oder Annaberg-Buchholz, Wurzen oder Görlitz locken Chanukka-Märkte.
Podiumsdiskussionen wie »Fragile Balance« über interreligiösen Dialog, Lesungen wie »Herzschlag« über Etty Hillesum oder Ausstellungen wie »Von der Nummer zum Namen. Auf der Spur von 1100 Leben« beginnen schon im Dezember und werden das ganze Jahr zu besuchen sein.
Natürlich dürfen Klassiker wie Jerry Bocks Musical Anatevka, Ulrich Hubs Theaterstück Nathans Kinder oder Emmerich Kálmáns Oper Die Csárdásfürstin nicht fehlen und werden gleich mehrfach aufgeführt.
Puppentheater, Gedenkkonzert, Ausstellung und Kabarett
Das Puppentheaterstück Ein Glücksding – Nach Stimmen und Zeitzeugnissen von damals und heute von Lena Gorelik wird gezeigt, ferner kommt ein Gedenkkonzert an den Gründungsdirigenten des Leipziger Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Alfred Szendrei zur Aufführung. Die Ausstellung Jüdisches Leben und die Musikerfamilie Bach begibt sich auf eine Spurensuche, der unter »Alfons« bekannte jüdisch-französisch-deutsche Kabarettist Emmanuel Peterfalvi tritt mit seinem neuen Programm »Jetzt noch deutscherer« auf.
Ethel Merhaut & Band präsentieren mit »süß & bitter« die »Hits der Zeit von Babylon Berlin«, zu einer »Reise nach Jerusalem« lädt Küf Kaufmann in einer musikalischen Lesung gleich selbst – nur um einige Highlights zu nennen.
»Fast jede geplante Veranstaltung erfüllt mich mit großer Ehrfurcht«, so der Ratsvorsitzende. »Einerseits ist es eine Berührung mit einem wichtigen Teil der Geschichte, andererseits ist es eine starke Botschaft für die Gegenwart und ein Signal für die Zukunft: Wir waren, wir sind, und wir werden sein!«
»Tacheles 2026: Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen«, 14. Dezember 2025 bis 12. Dezember 2026