Erinnerungskultur

Mit den Enkeln nach Auschwitz

Philip Meinhold: »Erben der Erinnerung«, Berlin 2015, 192 Seiten, 14 Euro Foto: Verbrecher Verlag

Erinnerungskultur

Mit den Enkeln nach Auschwitz

Eine Familie nähert sich ihrer jüdischen Vergangenheit

von Ralf Balke  19.01.2016 22:44 Uhr

Inge Meinhold sitzt mit ihrem Sohn Philip in einem Café in Moabit – in unmittelbarer Nähe der Putlitzbrücke. Von dort aus mussten seit Januar 1942 mehr als 32.000 Juden die qualvolle Deportation ins Konzentrationslager antreten. Auch Inge Meinholds jüdische Großmutter.

»Mit dem Zug wurde sie über Dresden nach Theresienstadt deportiert«, erzählt die pensionierte Lehrerin. Lieblingstante Trude und deren Mann wurden ebenfalls verschleppt und nach Auschwitz deportiert. Wie durch ein Wunder überlebten alle drei das KZ und das Vernichtungslager und kehrten nach Berlin zurück. Über diese Familiengeschichte hat ihr Sohn Philip Meinhold ein Buch geschrieben.

lager »Selbstverständlich wusste ich als junges Mädchen, dass meine Großmutter im Lager war«, sagt die 70-Jährige. »Aber sie sprach nie über diese Zeit.« Alle Informationen erfuhr sie aus zweiter Hand. »Einmal erzählte Tante Trude meiner Mutter in einer einzigen Nacht, was sie in Auschwitz erlebt hatte. Danach verbot sie ihr ausdrücklich, jemals wieder danach zu fragen.«

Doch die Vergangenheit ließ Inge Meinhold nicht los. In den 80er-Jahren fuhr sie mit einem Lehrerseminar nach Auschwitz, nun wollte sie noch einmal dorthin reisen – diesmal mit Kindern und Enkeln.

»Ich fühlte mich zuerst überrumpelt und habe nicht gleich auf ihren Wunsch reagiert«, gesteht Philip. »Vielleicht war es persönliche Abwehr, das Thema nicht zu nah an mich herankommen zu lassen«, vermutet der Journalist. »Ich wusste ja, dass es einen jüdischen Zweig in der Familie gab. Jedoch war das für mich irgendwie abstrakt geblieben.«

interviews Doch die Mutter ließ nicht locker. So reiste die Familie gemeinsam nach Polen. Zuvor zeichneten sie einen Stammbaum – mit Fotos und Daten aller Verwandten. Aus den einzelnen Fragmenten ergab sich nun für die sechs mitfahrenden Kinder und Enkel erstmals die komplette Familiengeschichte. »Die gar nicht so lange her ist«, wie der 15-jährige Jonas erstaunt feststellte.

Der Guide in Auschwitz überschüttete die Familie jedoch geradezu mit Informationen. Zudem irritierten die Massen an Touristen. »Mein Bruder kam deshalb nicht mit nach Birkenau, er wollte einfach alleine zwischen den Baracken verweilen«, erzählt Philip Meinhold.

Er selbst interviewte seine Verwandten vor und nach der Reise und schrieb ein Buch. »Das war vielleicht mein Trick, um mich intensiver mit den Eindrücken und Wahrnehmungsebenen auseinanderzusetzen.« Den Titel hat Meinhold bewusst gewählt. Denn auch nach 71 Jahren seien Kinder, Enkel und Urenkel der Überlebenden Erben der Erinnerung.

Chabad

»Eine neue Offenheit«

Seit 20 Jahren ist Heike Michalak Leiterin der Jüdischen Traditionsschule. Ein Gespräch über Neugier, das Abenteuer Lernen und die Ängste der Eltern

von Christine Schmitt  05.12.2025

WIZO

Tatkraft und Humanität

Die Gala »One Night for Children« der Spendenorganisation sammelte Patenschaften für bedürftige Kinder in Israel

von Ellen Presser  05.12.2025

Porträt der Woche

Mit Fingerspitzengefühl

Hans Schulz repariert Fahrräder und spricht mit seinen Kunden auch über Israel

von Alicia Rust  05.12.2025

Ratsversammlung

»Die Gemeinden sind das Rückgrat der jüdischen Gemeinschaft«

In Frankfurt kamen 90 Delegierte aus den Landesverbänden zusammen, um aktuelle Anliegen und Sorgen zu besprechen. Gastredner war Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

von Katrin Richter  03.12.2025

Jewish Quiz

»Fast wie bei den Samstagabend-Shows«

Am Wochenende raten in Frankfurt über 500 Jugendliche um die Wette. Dabei geht es um mehr als bloße Wissensabfrage, betonen die Organisatoren der Veranstaltung

von Helmut Kuhn  03.12.2025

Berlin

Ein Nachmittag voller Licht

Mitzwa Express lädt zum traditionellen Chanukka-Basar in die Synagoge Pestalozzistraße ein

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025