Erinnern

»Mir sejnen do«

Gewidmet den im Kampf gegen das nationalsozialistische Regime gefallenen jüdischen Soldaten – so steht es in Deutsch und Russisch auf dem Gedenkstein im Jüdischen Friedhof an der Garchinger Straße. Er wurde am vergangenen Dienstag in Anwesenheit zahlreicher Veteranen, die Generalkonsules Russlands und der Ukraine, des Vorstands der IKG und vieler ihrer Mitglieder sowie Rabbiner Steven Langnas enthüllt. Der 22. Juni war bewusst für diese Zeremonie und dieses Gedenken gewählt worden. An diesem Tag hatte 1941 Deutschland die Sowjetunion angegriffen und in den Krieg gezogen. Der Vertreter der jüdischen Veteranen, David Dushman, hatte in seiner Gedenkansprache dieses Datum wieder in Erinnerung gerufen.

Dank Um 4 Uhr morgens hatte damals »der blutigste Krieg der Geschichte der Menschheit« begonnen, der fast 60 Millionen Menschenleben forderte. Der Chor Druschba gedachte der jüdischen Gefallenen zu Beginn der feierlichen Gedenkstunde mit einem jiddischen Lied. Präsidentin Charlotte Knobloch griff eine Textzeile daraus in ihrer Ansprache auf: »Mir sejnen do«. Sie fuhr fort: »Ja, das sind wir. Und das ist Ihnen zu verdanken, verehrte Veteranen. Seit 65 Jahren sind Sie unsere Helden. Sie waren es, die uns, gemeinsam mit rund 500.000 anderen jüdischen Soldaten der sowjetischen Armee, von der braunen Pest befreit haben. Sie haben Ihr Leben riskiert, um dieses Land aus den Fängen der Nationalsozialisten zu befreien. Wie auch ich, so haben unzählige jüdische Menschen Ihrem grenzenlosen Mut und Ihrer unendlichen Tapferkeit ihr Leben zu verdanken. Juden, die in den Konzentrationslagern der Nazis bereits dem Tod geweiht waren; Juden, die jahrelang in würdelosen Verstecken um ihr Leben bangten – sie alle konnten erhobenen Hauptes jene Orte der Erniedrigung, ja der Entmenschlichung, verlassen. Sie gaben ihnen ihr Leben zurück.«

Gesiegt haben, so Charlotte Knobloch weiter, »vor 65 Jahren die Armee der Anti-Hitler-Koalition, Partisanen und Antifaschisten in verschiedenen Ländern. Die sowjetische Armee jedoch, in deren Reihen viele jüdische Soldaten gekämpft haben, leistete einen entscheidenden Beitrag. Sie brachte aber auch – und ich verbeuge mich vor den Toten – das größte menschliche Opfer. 250.000 jüdische Soldaten der Roten Armee fielen im Zweiten Weltkrieg. Vor diesen Soldaten, die auf dem Schlachtfeld für uns den Heldentod gestorben sind, verneige ich mich aufrichtig. Wir, die wir unsere Leben leben durften, sowie unsere Nachkommen sind es diesen Helden schuldig, dass kein einziger von ihnen jemals vergessen wird.«

Respekt In dieses Gedenken einbezogen ist die Verpflichtung für die Gegenwart. Der russische Generalkonsul in München, Andrej Grosow, brachte dies mit folgenden Worten zum Ausdruck: »Wir sind überzeugt, dass die Hauptlehre aus dem Zweiten Weltkrieg die Erziehung der Gesellschaft im Geiste der Respektierung der Menschenwürde, der Verehrung des Menschenlebens, der Bewahrung des historischen Gedächtnisses jedes Volkes ist.« Yuriy Yarmilko, der Generalkonsul der Ukraine, erinnerte daran, dass der Zweite Weltkrieg nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts war. Die Gefallenen dürften nicht vergessen werden. Für die Zukunft sei es notwendig, dass Versöhnung und gegenseitige Verständigung als Lebensprinzipien von Generation zu Generation weitergegeben werden. Rabbiner Avigdor Bergauz erinnerte an das Gebot »Du sollst nicht töten«. Er betonte, dass nur dann, wenn die Menschen die Gebote einhielten, eine neue Katastrophe verhindert werden könne. Anschließend enthüllten zwei Veteranen, die selbst an der Front gekämpft hatten, David Dushman und Boris Mayzlin, den Gedenkstein.

Dann wurden Kränze und Blumen niedergelegt im Namen der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, der Russischen Föderation, der Ukraine, der jüdischen Veteranen sowie des Vereins Phoenix aus der Asche. Nachdem Kantor Sacha van Ravenswade eindrucksvoll das El Mole Rachamim vorgetragen hatte, gedachten die Anwesenden der Gefallenen und legten traditionsgemäß kleine Steinchen auf das Ehrenmal.

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025