Stuttgart

Meisterschüler musizieren

Stuttgart feierte am vergangenen Sonntag ein kleines Jubiläum mit großer Musik: 46 Teilnehmer brachten beim 5. Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb Baden-Württemberg das Gemeindezentrum in der Hospitalstraße zum Singen und Klingen.

Mit rhythmischen Schlägen auf die Gitarre beginnen Alexander Palatnik und Dennis Blechmann ihr drittes Wettbewerbsstück. Komponist der »Mission Impossible« ist Lalo Schifrin. Dass der 1932 Geborene Argentinier ist, hören die Zuschauer bald. Alexander und Dennis interpretieren das temperamentvolle Arrangement mit musikalischer Verve und präzisen Riffs (Ton- oder Akkordfolgen). Die Jurymitglieder lächeln sich zu, finden offenbar Geschmack am Vortrag. Die jungen Künstler enden, Beifall im Gemeindesaal.

Fortgeschritten Die Nächsten bitte! Alon Bindes und Hanna Pillin zählen unter den Wettbewerbsteilnehmern zu den Fortgeschrittenen. Beim Landeswettbewerb »Jugend musiziert« Baden-Württemberg erspielte sich das Geigenduo in diesem Jahr den zweiten Preis. Ein Grund für ihre Lehrerin Charlotte Balle, die beiden 14-Jährigen auch für die Teilnahme beim 5. Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb zu motivieren.

Mit der Grazie einer Tänzerin spannt Hanna ihren Körper, schlank ist auch die Statur von Alon. Ihr Outfit ist schlicht und konsequent schwarz-weiß – die Optik spielt zumindest für die Zuschauer auch eine große Rolle. Dass die zwei Stuttgarter erst ein Jahr lang miteinander musizieren, ist ihrem Vortrag nicht anzuhören. Dialogisch wechseln ihre Blicke, dialogisch entwickeln sie die Spannungsbögen.

Nach de Bériot, Leclair und Milhaud gibt es »Hava Nagila«. Hanna und Alon interpretieren das Traditional in der modernen Fassung von Aleksey Igudesman so strahlend, rhythmisch so auf den Punkt genau, dass mein älterer Sitznachbar, der vorher ein wenig entschlummert war, aufwacht. Ja, das ist das Feuer, ist die tiefe Melancholie, das Atmen jiddischer Musik, scheinen seine Beine jetzt zu sagen.

Besinnung Dass sich der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb im Stuttgarter Musikleben gut verankert hat, freut Barbara Traub. Karl Adler sei ein großer Sohn der jüdischen Gemeinschaft in Württemberg gewesen, so die Sprecherin des Vorstands der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW).

»Die Auslöschung der jüdischen Gemeinden während der Schoa hat einen Bruch der Tradition bedeutet und deshalb ist es für die heutigen jüdischen Gemeinden eine wichtig Aufgabe, jungen Menschen diese Wurzeln wieder nahezubringen«, sagte Barbara Traub zur Eröffnung des Wettbewerbs am vergangenen Sonntagmorgen. Auch wenn die meisten Teilnehmer aus Württemberg und einige aus Baden kämen, gebe es doch musikbegeisterte Kinder und Jugendliche, die den weiten Weg aus anderen Bundesländern nicht gescheut hätten.

Barbara Traub dankte ausdrücklich der renommierten Jury, zu der Soshana Rudiakov, Professor Josef Rissin, Julia Forgács-Vamosi, Samuel G. Mateescu, Dimitri Rudiakov, Leonid Schick, Fany Solter und Margarita Volkova-Mendzelevskaya gehörten, für Zeit und Energie, die sie für den Begabtennachwuchs opferten.

Ohne das Engagement der Klavierpädagogin Margarita Volkova-Mendzelevskaya und des Unternehmers, Mitglied des Vorstands der IRGW und Hautsponsor Martin Widerker aber wäre der Wettbewerb nie ins Leben gerufen worden. 2007 wurde er zum ersten Mal ausgetragen. Seitdem findet er jedes Jahr mit wachsendem Interesse statt.

zukunftspläne Inzwischen hat der 15-minütige Vortrag von Hanna und Alon geendet. Beide erzählen, dass das Geigenspiel den wichtigsten Teil ihres Lebens ausmacht. Hanna trainiert außerdem in einem Kinderzirkus am Vertikaltuch, Alon schwimmt in einem Verein. Berufsmusiker zu werden können sie sich gut vorstellen.

Was aber ist aus Preisträgern früherer Wettbewerbe geworden? »Die Besten studieren heute an der Musikhochschule Stuttgart und Karlsruhe«, sagt Initiatorin Margarita Volkova-Mendzelevskaya.

Die Preisverleihung und das Preisträgerkonzert des 5. Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerbs finden am Sonntag, 3. Juli um 15 Uhr im Gemeindesaal der IRGW statt.

9. November 1938

»Mir war himmelangst«

Die 96-Jährige Ruth Winkelmann überlebte die Novemberpogrome in Berlin. Bis heute geht sie in Schulen und spricht über ihr Schicksal - und darüber, was ihr den Glauben an die Menschheit zurückgegeben hat

von Nina Schmedding  08.05.2025 Aktualisiert

Urteil

Klage von jüdischem Erben gegen Sparkasse Hagen bleibt erfolglos

Der Großvater des Klägers hatte den Angaben zufolge 1932 ein Konto bei der Sparkasse in Hagen eröffnet und darauf Geld eingezahlt. Später floh er mit seiner Ehefrau in die Schweiz

 07.05.2025

Digitale Erinnerung

Neue App zeigt Deutschland-Karte mit Nazi-Verbrechen

Von 1933 bis 1945 haben die Nationalsozialisten Menschen enteignet, missbraucht, getötet. Die Untaten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik versammelt eine neue App. Schon zum Start gibt es eine Erweiterungs-Idee

von Christopher Beschnitt  07.05.2025

Jom Haschoa

Geboren im Versteck

Bei der Gedenkstunde in der Münchner Synagoge »Ohel Jakob« berichtete der Holocaust-Überlebende Roman Haller von Flucht und Verfolgung

von Luis Gruhler  05.05.2025

Berlin/Potsdam

Anderthalb Challot in Apartment 10b

In Berlin und Potsdam beginnt am 6. Mai das Jüdische Filmfestival. Die Auswahl ist in diesem Jahr besonders gut gelungen

von Katrin Richter  05.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  04.05.2025 Aktualisiert

Nachruf

»Hej då, lieber Walter Frankenstein«

Der Berliner Zeitzeuge und Hertha-Fan starb im Alter von 100 Jahren in seiner Wahlheimat Stockholm

von Chris Meyer  04.05.2025

Essay

Das höchste Ziel

Was heißt es eigentlich, ein Mensch zu sein? Was, einer zu bleiben? Überlegungen zu einem Begriff, der das jüdische Denken in besonderer Weise prägt

von Barbara Bišický-Ehrlich  04.05.2025

Zusammenhalt

Kraft der Gemeinschaft

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern feierte das Fest der Freiheit im Geiste von Tradition und Herzlichkeit

von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman  03.05.2025