Friedhöfe

Mehr Platz für die letzte Ruhe

Interkonfessionale Paare können meist nicht gemeinsam auf einem jüdischen Friedhof bestattet werden. Foto: Uwe Steinert

Friedhöfe

Mehr Platz für die letzte Ruhe

Die Gemeinden sind gewachsen – wegen der Zuwanderung werden mehr Grabstätten benötigt

von Olaf Glöckner  25.08.2014 18:38 Uhr

Zwanzig Jahre nach der Zuwanderung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland verändert. Sie sind von neuen Gesichtern und Programmen geprägt. Ihr Wachsen hat sie selbstbewusster werden lassen, neue Synagogen mussten gebaut werden, weil die alten zu klein für den Mitgliederzuwachs geworden waren. Und sie haben sich der nichtjüdischen Gesellschaft geöffnet.

Doch bei aller Dynamik des Aufbruchs bleiben auch die nüchternen, alltäglichen, häufig sehr ernsten Pflichten und Aufgaben der Gemeinde. Eine davon, die angesichts des jüdischen Booms leicht aus dem Blick gerät, ist der Erhalt und die Gestaltung jüdischer Friedhöfe. Manch eine junge Gemeinde kämpft noch darum, überhaupt einen »guten Ort« anlegen zu können. Andere benötigen dringend eine räumliche Erweiterung ihres Friedhofs, ist doch jedes Grab für die Ewigkeit angelegt und der Bedarf mit der Zuwanderung gestiegen. Eine Mehrfachnutzung einer Grabstelle kommt halachisch nicht infrage.

In den allermeisten Fällen stoßen die jüdischen Gemeinden bei ihrer Suche nach geeigneten Flächen auf viel Verständnis und Unterstützung durch die Kommunen, in diesem Jahr besonders gut erkennbar in Würzburg und Erfurt. In Würzburg stimmte die Stadt schon im Januar der nötigen Friedhofserweiterung zu und beginnt nun damit, die vorgesehene Fläche in Abstimmung mit der Gemeinde entsprechend zu gestalten. Dabei streckt sie die anfallenden Kosten zunächst vor; über erhobene Gebühren im Belegungsfall fließen die Mittel dann schrittweise an die Kommune zurück. Für die mitgliederschwachen Gemeinden im Osten Deutschlands ist Hilfe vonseiten der Länder und Städte häufig noch wichtiger.

Entlastung Im Frühjahr 2014 beschloss beispielsweise die Thüringer Landesregierung, für die Erweiterung und den Erhalt des jüdischen Friedhofs in Erfurt mehr als 100.000 Euro bereitzustellen. In Brandenburg sorgte die Eröffnung des jüdischen Friedhofs in Frankfurt/Oder vor vier Jahren für eine fast schon rettende Entlastung.

Die Gemeinden bewerten diese Entwicklung als positiv, wobei es für sie wichtig bleibt, ihre Planungen klug und vorausschauend zu gestalten. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Josef Schuster, hält es für eine »zwingende Voraussetzung, dass die Gemeinden im Eigentum derjenigen Flächen sind, die zur Erweiterung ihrer Friedhöfe genutzt werden sollen«. Demzufolge seien Pachtverträge eine unsichere Alternative, so Schuster, der auch Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ist.

Ehepartner Was die Bestattungen auf den jüdischen Friedhöfen betrifft, gibt es darüber hinaus einige diffizile Fragen, auf die es offenbar keine allgemeingültige Antworten gibt. So werden die Gemeindevorstände immer wieder mit dem Anliegen konfrontiert, einem nichtjüdischen Partner direkt an der Seite des geliebten Menschen oder zumindest auf dem gleichen Friedhof die letzte Ruhestätte zu gewähren. Die Antworten hierauf sind jedoch sehr unterschiedlich.

Liberale Gemeinden wie Beth Shalom in München und die LJG Hannover sehen darin kein Problem. Die Rabbiner begründen dies folgendermaßen: »Rein halachisch ist haKever, das Grab, heilig, und nicht das Grabfeld«, betont etwa Schleswig-Holsteins Landesrabbiner Walter Rothschild. »Damit ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, auch nichtjüdische Partner auf einem jüdischen Friedhof zu beerdigen.«

»Eine Variante ist es«, so Rothschild weiter, »ein ›jüdisches Feld‹ und ein ›gemischtes Feld‹ einzurichten, Letzteres mit zumindest einer Grabreihe für Nichtjuden.« Auch Ingrid Wettberg, Vorsitzende der Liberalen Gemeinde in Hannover, bestätigt: »Bei uns ist es so, dass nichtjüdische Ehepartner selbstverständlich neben dem jüdischen Partner beerdigt werden.«

Gemischte Felder
Für die Israelitische Kultusgemeinde Würzburg konstatiert Josef Schuster hingegen: »Für gemischtreligiöse Paare gibt es keine Möglichkeit, auf dem jüdischen Friedhof beerdigt zu werden. Wir haben kein gemischtes Feld.«

Andere Gemeinden bieten eine Art Kompromisslösung an, so beispielsweise in Chemnitz. »Interkonfessionelle Paare können bei uns beerdigt werden«, erklärt Vorstandsmitglied Anatolie Oratovski. »Die Gräber der nichtjüdischen Partner werden auf dem jüdischen Friedhof mit angelegt. Sie sind durch eine kleine Hecke vom übrigen Areal getrennt, aber die betreffenden Paare liegen dann doch relativ nahe beieinander.«

Bearbeitungsgebühr Ähnlich kontrovers wie die Unterbringung nichtjüdischer Ehepartner werden unterschiedliche Bearbeitungsgebühren diskutiert, die die jeweiligen jüdischen Gemeinden bei einer Beerdigung für eigene Mitglieder und umgekehrt für (jüdische) Nichtmitglieder erheben. Die Spanne kann vor Ort immerhin so weit auseinanderliegen, dass »Externe« sie als Provokation empfinden. Umgekehrt verweisen Gemeindevorstände auf die kontinuierlichen Mühen und finanziellen Mittel, die für einen stetig funktionierenden Friedhofsbetrieb aufgebracht werden müssen.

gebührensatz In Würzburg entscheidet der Gemeindevorstand situationsbedingt über den höheren Gebührensatz für Nichtmitglieder. »Wir machen es uns damit nicht leicht«, sagt Schuster, »aber die Fälle sind einfach sehr unterschiedlich gelagert. Vor Kurzem baten uns zum Beispiel die Verwandten eines Autobahn-Unfallopfers, das halachisch jüdisch war, um Beisetzung auf unserem Friedhof. Dieses Beispiel lässt sich schlecht vergleichen mit dem Fall eines Verstorbenen, der viele Jahre lang in der Stadt gelebt hat, der Gemeinde aber fernblieb, auch keine Bekenntnissteuer zahlte, und dessen Verwandtschaft nun die Bestattung auf dem Gemeindefriedhof wünscht.«

Auch Rabbiner Rothschild rechtfertigt einen höheren Gebührensatz für Nichtmitglieder: »Es sind zuallererst die Mitglieder, die eine Gemeinde am Leben halten, und durch ihre Beiträge auch sämtliche Dienste. Da scheint es nur legitim, wenn Unbeteiligte, die auf einem jüdischen Friedhof von einem Rabbiner oder Kantor beerdigt sein wollen, auch mehr zahlen.«

Doch ob nun Gemeindemitglied oder nicht – in vielen Städten haben Juden, die selbst nur über minimales Einkommen verfügen und hauptsächlich auf Wohlfahrtsleistungen angewiesen sind, den Wunsch nach einer jüdischen Bestattung.

Auf Antrag der Gemeinden helfen die Sozialämter dann häufig bei der Deckung der Beerdigungskosten, während die Gemeinden nach weiteren Möglichkeiten suchen, um maximale Hilfe zu leisten. So führt die Jüdische Gemeinde Potsdam Stadt beispielsweise ein eigenes »Konto Friedhof«, das laut ihrem Vorsitzenden Mikhail Tkach »dabei hilft, mit angesparten Geldern finanzschwache Familien und Einzelpersonen genau dann zu unterstützen, wenn sie von Todesfällen betroffen sind«.

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Berlin

Zwölf Rabbiner blasen das Schofar

Die Jüdische Gemeinde Chabad Berlin lud zum Neujahrsempfang. Zu Gast war auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner

von Detlef David Kauschke  18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025