Geburtstag

»Masel tov, Raw Joli!«

Rabbiner Joel Berger Foto: Mike Minehan

Ruhestand? Von wegen. Ruhe und Beschaulichkeit sind seine Sache nicht. Die Liste der Publikationen von Rabbiner Joel Berger ist ebenso lang wie die seiner Aktivitäten, die er auch nach seiner Pensionierung als Landesrabbiner von Baden-Württemberg im Jahre 2002 mit dem ihm eigenen Enthusiasmus betreibt. Sein Lebensweg führte ihn von seinem Geburtsland Ungarn nach Deutschland, dann nach Schweden und wieder nach Deutschland. Er war als Rabbiner in Düsseldorf, danach in Göteborg, in Bremen und schließlich in Stuttgart, wo er bis heute lebt.

Als Joel als einziges Kind seiner Eltern am 7. September 1937 in Budapest geboren wurde, waren die ersten Anzeichen des kommenden Unheils schon spürbar. Das traditionell antisemitische Ungarn war als Mitglied der Achsenmächte Verbündeter Nazideutschlands. Ab 1938 hatte auch Ungarn seine »Judengesetze«, die die jüdische Bevölkerung weitgehend entrechteten. Das Vermögen wurde eingezogen, Juden durften viele Berufe nicht mehr ausüben, jüdische Männer wurden zum »Arbeitsdienst« eingezogen, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit verrichten mussten.

Budapest Die Lage verschlimmerte sich mehr und mehr. Als der ungarische Reichsverweser Admiral Horthy und seine Regierung ihr Ausscheiden aus der Achse ankündigten, marschierten am 19. März 1944 deutsche Truppen ein. Im Gefolge der Wehrmacht: Adolf Eichmann mit seinem Stab. Wenige Wochen später begannen die Deportationen aus den ungarischen Provinzen. Budapest blieb für kurze Zeit verschont, die Juden allerdings wurden im Ghetto eingesperrt.

Der Vater des kleinen Joel hatte Arbeitsdienst leisten müssen und war dann nach Bergen-Belsen und von dort ins KZ Theresienstadt verschleppt worden. Er überlebte, aber 40 Mitglieder der Familie Berger wurden ermordet. Der Mutter und ihrem kleinen Sohn gelang es jedoch, einen Schutzpass für das »Internationale Ghetto« zu ergattern, das der junge Raoul Wallenberg eingerichtet hatte. So rettete der schwedische Diplomat das Leben der Bergers.

1955 legte Joel Berger das Abitur ab. Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 wurde auch Berger verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Ab 1957 jedoch konnte er das Studium am Rabbinerseminar in Budapest und an der Universität Debreczin das der Geschichte und Pädagogik aufnehmen. Beide Studien schloss er 1963 erfolgreich ab. 1968 durfte Joel Berger Ungarn verlassen. Er ging als Rabbiner nach Düsseldorf und anschließend nach Göteborg. Von dort kehrte er 1973 zurück und wurde Rabbiner in Bremen. In dieser Zeit wurde der Fußballbegeisterte Fan von Werder Bremen. »Aber«, so bedauert er, »ich habe sie nie live spielen sehen«. Der von ihm verehrte Verein spielte nämlich meist am Schabbat.

Stuttgart In Bremen blieb die Familie Berger – der Rabbiner mit seiner Frau Noemi und die beiden Kinder Michael und Margalit – bis Mitte der 80er-Jahre. Dann zog die Familie nach Stuttgart um, wo Berger Landesrabbiner von Baden-Württemberg wurde und bis zu seiner Pensionierung 2002 blieb.

An Ruhestand denkt Rabbiner Berger freilich nicht. Bereits während seiner Zeit als Landesrabbiner hatte er eine Tätigkeit als Dozent an der Universität Tübingen angenommen. 1998 verlieh ihm die Universität die Ehrendoktorwürde. Baden-Württemberg ehrte ihn 2001 mit der Verdienstmedaille des Bundeslandes. Seit 2002 erfüllt er einen Forschungsauftrag im Haus der Geschichte Baden-Württembergs. In Bad Kissingen hält er bis heute Seminare für die ZWST; für zahlreiche Rundfunkanstalten macht er seine »Schabbath Schalom«-Sendungen. Den Rundfunkräten von Radio Bremen und dem SWR (früher SDR) gehörte er viele Jahre an. Er war Sprecher der Rabbinerkonferenz, Mitglied des Schiedsgerichts des Zentralrats und Herausgeber der Zeitschrift der Rabbinerkonferenz, »Udim«.

Die Liste seiner Veröffentlichungen ist lang und wird vermutlich mit den bislang 31 eigenen Werken und Beiträgen noch lange nicht zu Ende sein. Im Frühjahr 2013 erscheint seine Biografie, die allerdings hat er nicht selbst geschrieben. Vor vielen Jahren entstand auf einem der Jugend- und Kulturtage für Rabbiner Berger ein Spitzname: Raw Joli. Der war durchaus respektvoll gemeint, aber auch liebevoll und ein kleines bisschen frech.

Am Freitag, 7. September 2012, wird Rabbiner Berger 75 Jahre alt. Masel tov, Raw Joli, bis 120!

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025

Porträt der Woche

Ein Überlebenswerk

Nicolaus Blättermann fand nach der Schoa die Kraft zum Neubeginn

von Lorenz Hartwig  09.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025