Ausstellung

Lesen, Schreiben, Sehen, Handeln, Überleben

Susan Sontag im Jahr 1978 in New York, der Stadt, die neben Paris einer ihrer Fixpunkte war. Foto: Thomas Victor, Courtesy Harriet M. Spurlin

Ausstellung

Lesen, Schreiben, Sehen, Handeln, Überleben

Im Literaturhaus München wird das Leben der amerikanischen Denkerin und Publizistin Susan Sontag gezeigt

von Ellen Presser  09.09.2025 17:31 Uhr

»Ich werde mich voll und ganz auf alles einlassen … alles ist wichtig!«, schrieb Susan Sontag am 23. Mai 1949 in ihr Tagebuch. Die Formulierung »Everything matters« wurde zum Titel und Leitmotiv einer Ausstellung im Literaturhaus München, bei der Sontags Schreiben und literarische Vorlieben im Vordergrund stehen.

Nach Hannah Arendt (2020/2021) und Simone de Beauvoir (2022) wollte Tanja Graf, Leiterin des Literaturhauses, sich Susan Sontag (1933–2004) zuwenden. Sie fuhr persönlich nach New York und entlockte Sontags Sohn David Rieff, der den Nachlass seiner Mutter hütet, immerhin drei Objekte für die Münchner Präsentation: eine Ausgabe von Walter Benjamins Büchlein Understanding Brecht, einen Montblanc-Füller und einen braunen Ledermantel von Hermès, in dem Sontag einst von Richard Avedon fotografiert wurde. Susan Sontag gilt bis heute als eine führende intellektuelle Größe des 20. Jahrhunderts in den USA, gefürchtet für ihre Scharfzüngigkeit und geistige Originalität.

Themenfelder in fünf Ausstellungstürmen

Die Kuratorin Anna Seethaler inszenierte in fünf Ausstellungstürmen, wobei diese sowie die Fensterfront die Hochhaus-Skyline Manhattans nachahmen, die Themenfelder »lesen – schreiben – sehen – handeln – überleben«. Im Leseturm geht es um die Anfänge von Susan Lee Rosenblatt. Fünf Jahre nach ihrer Geburt starb der Vater; die Beziehung zur Mutter Mildred, die 1945 ein zweites Mal heiratete, war schwierig. Vom Stiefvater Nathan Sontag stammt der Nachname. Susan empfand Kindheit im Allgemeinen und ihre eigene im Besonderen als Zumutung. Mit sechs Jahren konnte sie bereits ganze Bücher lesen und entwickelte sich schnell zum geistigen Überflieger. 1950, mit 17 Jahren, heiratete sie ihren Soziologie-Professor Philipp Rieff und bekam mit 19 Jahren ihren Sohn David.

Nach ihrer Scheidung zog sie 1959 mit ihm nach New York. Diese Stadt sowie Paris sollten ihre Fixpunkte werden. Jedes Genre konnte ihr Interesse finden, sie ging ins Kino, ins Theater, begeisterte sich für Tanz, liebte Reisen, von denen sie immer Krimskrams mitbrachte. Bis heute türmen sich im Loft des Sohnes Bücher und Büsten, Talmi und Tiffany-Lampen, Gemälde, Muscheln und Nippes. Die Ausstellung in München versucht, dieses Sammelsurium mit Artefakten nachzubilden.

Sontag schrieb wichtige Texte, ohne in die Ich-Form zu verfallen, egal, ob es um sexuelle Identität, Judentum oder Krankheit ging, Themen, bei denen sie durchaus sehr persönlich hätte werden können. Berühmt sind Sontags Listen, in denen sie alles festhielt, was sie mochte – etwa jeden Tag ein Buch lesen – und was nicht, zum Beispiel Haare waschen. Im persönlichen Glaubensbekenntnis der 14-Jährigen heißt es unter anderem, »dass es im Leben nichts Erstrebenswertes gibt als die Freiheit, sich selbst treu zu sein«.

Susan Sontag: »Everything Matters«. Bis 30. November, täglich 11–18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025

Feier

Zusammenhalt und Zuversicht

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lud zum Neujahrsempfang in den Hubert-Burda-Saal

von Esther Martel  02.11.2025

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  02.11.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025