Köln

Leihgabe aus Rom

Abraham Lehrer präsentiert die älteste Abschrift des Konstantin-Edikts. Foto: Ulrike von Hoensbroech

Köln

Leihgabe aus Rom

Die älteste Abschrift des legendären Edikts von Konstantin aus dem Jahr 321 wird im Kunstmuseum »Kolumba« ausgestellt

von Ulrike Gräfin Hoensbroech  15.09.2021 10:33 Uhr

»Allen Stadträten gestatten wir, die Juden in die Kurie zu berufen.« Mit diesem Satz entsprach im Jahre 321 der damalige römische Kaiser Konstantin einer Anfrage des Stadtrats von Köln, Hauptstadt der Provinz Niedergermanien (Germania Inferior), ob Juden in der Stadtverwaltung öffentliche Ämter bekleiden dürfen.

Am späten Abend des 8. September ist die älteste Abschrift dieses Edikts, das als die Geburtsstunde der damit nachweislich ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen gilt und eine der bedeutendsten schriftlichen Quellen für die jüdische Geschichte in Europa ist, in Köln eingetroffen. Transportiert in einem Flugzeug von Rom nach Frankfurt und von einem Transporter direkt nach Köln, durften ausgewählte Repräsentanten anlässlich des Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« ab 21.45 Uhr mitverfolgen, wie die Holzkiste mit dem wertvollen Schatz geöffnet wurde.

Dokument »Der Erlass dokumentiert, dass schon im Jahr 321 jüdische Bürger ganz selbstverständlich Säulen des Lebens in unserer Stadt waren«, stellte Kölns Erzbischof Reiner Maria Kardinal Woelki fest und ergänzte: »Gerade in einer Zeit, in der Theorien und Ideen mit antisemitischen Wurzeln wieder neu auf dem Vormarsch zu sein scheinen, ist es umso wichtiger zu zeigen, wie bedeutend jüdisches Leben seit 1700 Jahren für unsere Geschichte und Kultur ist.«

In diesem Sinne hatte sich der Kardinal dafür eingesetzt, dass die älteste erhaltene Abschrift des Edikts von Kaiser Konstantin anlässlich des Jubiläumsjahres in Köln gezeigt werden kann. »Ich danke der Vatikanischen Bibliothek herzlich für diese Möglichkeit«, betonte Woelki. Denn die Biblioteca Apostolica Vaticana ist nun seiner Bitte nachgekommen und stellte die beiden relevanten Blätter zur Verfügung.

Diese Leihgabe aus Rom ist die überragende Quelle, die das laufende Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« begründet. »Dass das Dekret nun in Köln zu sehen ist, ist auch ein Symbol für die geschwisterliche Verbundenheit sowie Ausdruck der Solidarität zwischen Juden und Christen«, unterstrich Woelki während der Einbringung des Dekrets in das erzbischöfliche Museum »Kolumba«.

»Ich verspreche mir viel davon, dass in dieser Ausstellung nun der Beweis dokumentiert wird, der die jahrhundertelange jüdische Geschichte belegt.«

Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer

Dort ist der kaiserliche Erlass ab Mitte September für rund fünf Wochen im Rahmen der neuen Jahresausstellung zu sehen. Gemeinsam mit den Experten vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) kuratierte das Museumsteam die Schau.

Wertekanon Ulrike Lubek, Direktorin des LVR, sieht in dem Dekret von Kaiser Konstantin »ein Symbol für den gemeinsamen Wertekanon, der uns seit Jahrhunderten verbindet«.

Sichtlich bewegt verfolgte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden sowie Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, wie die massive Kiste von den Überbringern geöffnet wurde, bis das sorgfältig verpackte Dokument zum Vorschein kam.

»Ich bin hoch erfreut, dass dieses geschichtliche Zeugnis nun auch wirklich in Köln zu sehen ist.« Nachdem er sich weiße Handschuhe übergestreift hatte, hielt er behutsam das eingerahmte Dekret in Händen und betonte: »Ich verspreche mir viel davon, dass in dieser Ausstellung nun der Beweis dokumentiert wird, der die jahrhundertelange jüdische Geschichte belegt.« Die älteste überlieferte Abschrift des Dekrets sei Ausgangspunkt »unserer Überlegungen für das diesjährige Festjahr gewesen«, sagte Lehrer.

Exponate Anhand hochwertiger Exponate aus dem In- und Ausland werden rund 100 internationale Leihgaben facettenreich über jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart berichten, formulieren die Kuratoren ihren Anspruch. Stefan Kraus, Direktor des Kolumba, betonte: »In Zeiten von wachsender Intoleranz sowie antisemitischer Vorfälle will unsere Ausstellung die Aspekte des jüdischen Lebens, seiner Geschichte und Kultur vergegenwärtigen sowie durch den Blick in die Weite Nähe schaffen.«

Ausstellung: »In die Weite. Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland«. Bis 15. August 2022, Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Kolumbastraße 4

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025