Neu-Anspach

Leben auf dem Lande

Eine Ausstellung zeigt den jüdischen Alltag in Hessen vor 1933 und nach 1945

von Karl-Josef Müller  27.10.2014 20:16 Uhr

Die Synagoge von Groß-Umstadt wurde 1988 im Hessenpark wieder aufgebaut. Foto: Karl J. Müller

Eine Ausstellung zeigt den jüdischen Alltag in Hessen vor 1933 und nach 1945

von Karl-Josef Müller  27.10.2014 20:16 Uhr

Im Hessenpark, 30 Kilometer nördlich von Frankfurt, dokumentieren etwa 100 Gebäude das Leben in hessischen Dörfern und Kleinstädten der vergangenen 400 Jahre. Seit 20 Jahren zählen auch zwei frühere Synagogen dazu. Seit Kurzem widmet sich die Dokumentation dem Thema der Synagogen und Mikwen in Hessen. Damit wolle sie verhindern, »dass kommende Generationen die verbliebenen Reste der deutsch-jüdischen Geschichte gar nicht erleben werden«, schrieb Thea Altaras in ihrem erstmals 1994 erschienenen Buch Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?.

Wiederaufbau
276 Synagogen in Hessen wurden zwar nicht 1938 zerstört, viele von ihnen jedoch nach 1945. Die Synagoge in Groß-Umstadt wurde 1979 abgerissen, ihre Bausubstanz in den Hessenpark verbracht und dort 1988 wieder aufgebaut. Seit 2012 ist die Synagoge für Besucher zugänglich.

Abriss und Wiederaufbau der Synagoge waren in Groß-Umstadt umstritten. 2009 gründete sich in der Gemeinde eine Gruppe »Jüdisches Leben in Groß-Umstadt« mit dem Ziel, das Gedenken und das Bewusstsein der langen gemeinsamen Geschichte intensiver als bisher zu pflegen. Seither arbeiten Hessenpark und Groß-Umstädter Bürger zusammen an dem Projekt der Dauerausstellung, begleitet vom Jüdischen Museum Frankfurt/Main. Fünf Entwürfe eines Wettbewerbs zur Gestaltung der Dauerausstellung standen zur Auswahl. Beteiligt an der Entscheidung waren auch die Hessenpark-Besucher.

Im Vordergrund des ausgewählten Entwurfes steht das Leben einzelner jüdischer Bürger vor ihrer Vertreibung und Ermordung. Deutlich wird dieses Konzept in der aktuellen Sonderausstellung, etwa in dem überlebensgroßen Foto eines Mädchens. Es hält eine Puppe in der Hand – ein Kind wie viele andere in seinem Dorf und doch Ziel eines barbarischen Vernichtungswillens.

Miteinander Unter der Überschrift »Vor dem Holocaust – Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen« bietet die Website des Fritz Bauer Instituts Frankfurt/Main (www.vor-dem-holocaust.de) Einblicke in das Miteinander von Juden und Nichtjuden im ländlichen Raum. Ein Foto aus Allendorf (heute Stadtallendorf) zeigt die Beerdigung eines jungen Mannes. Im Kommentar dazu heißt es: »Herbert Ransenberg war ein begeisterter Fußballspieler und Mitglied im Fußballverein in Allendorf. Im August des Jahres 1927 brach er beim Fußballspielen plötzlich zusammen, sein Herz versagte, und er war sofort tot. Herbert Ransenberg war 26 Jahre alt. Das ganze Dorf nahm an diesem schweren Schicksalsschlag der Familie Ransenberg teil.«

Die Dauerausstellung soll besonders jungen Menschen vor Augen führen, wie selbstverständlich Juden und Christen vor 1933 mit- und nebeneinander lebten. Einige Schulklassen haben sich unter pädagogischer Anleitung anhand der Sonderausstellung mit dieser Epoche beschäftigt – und waren erstaunt, überrascht und betroffen, wie Torsten Halsey, Fachbereichsleiter für Museumspädagogik, berichtet. Diese Reaktionen zeigten, wie wichtig es sei, anhand vorhandener Zeugnisse früheren jüdischen Lebens auf diese gemeinsame Geschichte hinzuweisen, so Halsey.

Das zweite Synagogengebäude des Freilichtmuseums aus Nentershausen ist ein Fachwerkhaus aus dem späten 18. Jahrhundert. Hier kann der Besucher erfahren, wie eine typische Landsynagoge eingerichtet war. Zur Verwirklichung dieses anspruchsvollen Projekts ist das Museum jedoch weiter auf Spenden angewiesen.

Portät der Woche

Blick in die Seele

Alisa Goldman ist Verhaltenstherapeutin und arbeitet im Jüdischen Krankenhaus in Berlin

von Gerhard Haase-Hindenberg  04.06.2023

JLEV

Ein volles Programm

Der Vorstand des neuen liberal-egalitären Verbandes arbeitet an einem umfangreichen Angebot

von Christine Schmitt  04.06.2023

Frankfurt

Ein »Mentsch« mit Verstand

Der Gemeindevorsitzende und Architekt Salomon Korn wird 80 Jahre alt. Eine Würdigung von FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube

von Jürgen Kaube  03.06.2023

Gratulation

Meister der geschliffenen Worte

Der Frankfurter Gemeindevorsitzende und Architekt Salomon Korn wird 80. Ein Grußwort des Zentralratspräsidenten

von Josef Schuster  03.06.2023

Berlin

Historischer Sieg: Makkabi zieht in den DFB-Pokal ein

Der jüdische Fußballverein setzt sich im Landespokal in einem dramatischen Spiel gegen Sparta Lichtenberg durch

 03.06.2023

Abitur

Noten und Streiche

An immer mehr jüdischen Schulen kann die Hochschulreife erlangt werden

von Christine Schmitt  02.06.2023

Frankfurt

»Schweigen bedeutet Zustimmung«

Zahlreiche Menschen demonstrierten gegen das umstrittene Konzert von Roger Waters

von Pascal Beck  02.06.2023

Kino

Schau mal Rhein

In Düsseldorf zeigt das Paul-Spiegel-Filmfestival »Jüdische Welten« bis zum 11. Juni acht Beiträge

von Katrin Richter  02.06.2023

Geschichte und Gegenwart

Jüdisches Museum Berlin tourt mit Bus durch Niedersachsen

»Jeder Schüler und jede Schülerin sollte mindestens einmal das Jüdische Museum besucht haben«, so Direktorin Hetty Berg

 30.05.2023