NordArt

Kunst zwischen den Meeren

David Ar Amnon: »Das Leben selbst« Foto: Heike Linde-Lemke

Das Relief in einer Halle des ehemaligen Eisenhüttenwerks Carlshütte wirkt durch die Beleuchtung wie ein Scherenschnitt und taucht die Hamburger Hafensilhouette in ein warmes Licht. Fast könnten die Laute des Hafens zu hören sein, Schiffssirenen und Nebelhörner, das Hämmern, Rammen und Rasseln.

Das Gemälde vom Hamburger Hafen »Terminal« mit Riesenrad und Dom, den pittoresken Stahlkonstruktionen der alten Elbbrücken, den Landungsbrücken, Förderanlagen, Kampnagel-Kränen, dem spröden Charme abgewrackter Industriehallen stammt von dem israelischen Künstler Nir Adoni. Er schuf es im vorigen Jahr bei einem Symposium der NordArt in Rendsburg-Büdelsdorf. Dorthin hat es den Israeli gezogen, und dort, in dem Land zwischen den Meeren, lässt sich der Künstler aus Tel Aviv zu seinen Arbeiten inspirieren.

Industriearchitektur Nir Adoni ist überzeugt, dass die Architektur, in der wir leben, uns in unserem Handeln und Verständnis für das Leben und die Welt stark beeinflusst. Für ihn ist die Industriearchitektur gleichbedeutend mit vermeintlichen oder tatsächlichen Heiligtümern, denen er in Israel zudem auf jedem Schritt begegnet. Unter diesem Aspekt erforscht er immer wieder die Region, in der er lebt, und zurzeit ist er von Schleswig-Holstein fasziniert. »Ich liebe dieses Land, seine Schönheit und Rauheit, sein stark wechselndes Licht und die Menschen«, sagt der 38-Jährige. Licht ist einer der Faktoren, mit denen er seine Kunst wirkungsvoll inszeniert.

Gemeinsam mit Nir Adoni zeigen auch die israelischen Künstlerinnen und Künstler Amnon David Ar, Anat Betzer, Rotem Ritov und Itamar Freed ihre Werke auf der NordArt, die noch bis 7. Oktober zu sehen ist.

Die Kunst von Amon David Ar steht konträr zu der Nir Adonis. Nicht monochrom, sondern knallbunt, nicht Stahl und Licht, sondern klassisch Öl auf Leinwand. Nicht entrückt in Architekturabschnitte, zusammengesetzt zu einem neuen Kunstwerk, sondern Abbildungen der Realität. Sein Sujet »Das Leben selbst« zeigt einen jungen Mann, erschöpft, in Fragmenten einer Wohnung, in Fragmenten seines Alltags, zweifelnd, grübelnd – ein Alter Ego vieler Familienväter.

Adoni lebt und arbeitet in Berlin und malt, was er beobachtet.Seine Protagonisten sind aus dem wahren Leben. Er malt das Leben um sich herum. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Putin Anat Betzer hat es nicht so mit Diktatoren wie Wladimir Putin. Gleichwohl drängt sich beim Anblick von »Run, Belzer, Run« mit einem erlegten Bären und einem heroisch dreinblickenden Mann dahinter sofort Russlands Präsident auf. Ihre Bilderserie hat die 53-Jährige schon in Tel Aviv und Toronto gezeigt. Dafür hat sie jahrelang Fotografien und andere Abbildungen von Jägern gesammelt.

Sie will den Akt des Tötens dokumentieren, wobei für sie das Auslösen einer Waffe dem einer Kamera ähnlich sein kann. Auch die Malerei stellt sie als eine Art des Jagens dar, als Drama zwischen Opfer und Jäger, zwischen Maler und Motiv. Wobei durchaus der Jäger zum Opfer werden kann. Und umgekehrt. Letztlich sind in der Malerei, dieser erweiterten Abstraktionsebene von der Wirklichkeit über die Fotografie auf die Leinwand, alle gleich.

schmetterlinge Auf Jagd begibt sich auch Rotem Ritov. Auf die Jagd nach einem der schönsten, schillerndsten und zugleich vergänglichsten Wesen der Luft. Die 44-Jährige verschiebt in ihren Mixed-Media-Installationen die Konturen zarter Schmetterlinge und verwandelt sie in ihrer Installation »Monarch Migration« perfide in Militärhubschrauber, Kampfflieger, Panzer, U-Boote – in eine Armee des Schreckens. Israelische Sagen und Historie, Landschaften, Grenzen und Mentalitäten inspirieren Rotem Ritov zu ihren Arbeiten, immer aber fordern sie zum mehrmaligen Betrachten und zur Auseinandersetzung auf.

Itamar Freed zeigt in seinen Fotografien den schmalen Grat zwischen einer abgebildeten Wirklichkeit und Fiktion. Aber: Was ist die Realität? Ist das, was wir sehen, wahrhaftig die Wirklichkeit? Oder ist das unsere persönliche Sichtweise, unsere eigene Fiktion?

Der 1987 in New York geborene Israeli löst in seinen Fotografien diese Grenzen auf, teilweise so subtil, dass erst auf den zweiten Blick die Irritation sichtbar wird. Freed, der in Israel und London lebt und arbeitet, enthüllt mit seinen Bildern eine Wahrheit hinter dem Bild. Aber selbst diese Wahrheit lässt sich infrage stellen. Es bleibt ein Spiel zwischen Realität und Fiktion. Er geht mit seiner Kamera auf Wanderschaft in die Finsternis der Wirklichkeit und reißt den Schleier der Romantik von den Motiven.

www.nordart.de

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Mitzvah Day

Grünes Licht

Jüdische Gemeinden und Gruppen gestalteten deutschlandweit den Tag der guten Taten

von Katrin Richter  27.11.2025

Düsseldorf

Cooler Kick

Beim Ilan Fiorentino Cup kamen im Gedenken an Spieler aus dem Kibbuz Nahal Oz Israelis, Exil-Iraner und das NRW-Landtagsteam zu einem Freundschaftsturnier zusammen

von Jan Popp-Sewing  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Berlin

Es braucht nur Mut

Das Netzwerk ELNET hat zwei Projekte und einen Journalisten für ihr Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. Auch einen Ehrenpreis gab es

von Katrin Richter  26.11.2025

Feiertage

Chanukka-Geschenke für Kinder: Augen auf beim Kauf

Gaming-Konsole, Teddybär oder Carrera-Bahn - Spielzeug dürfte bei vielen Kindern auf dem Wunschzettel stehen. Worauf zu achten ist - und wann schon der Geruch stutzig machen sollte

 26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 26.11.2025 Aktualisiert