Düsseldorf

Koschere Gourmets

Der Düsseldorfer Gemeindesaal hat sich am Samstag- und Sonntagabend in eine Küche koscherer Köstlichkeiten verwandelt. Gemeinsam mit insgesamt 140 Hobbyköchen zaubert Tom Franz, Gewinner der israelischen TV-Kochshow Masterchef von 2013, an zwei Abenden jeweils zehn verschiedene Gerichte auf die Teller. An dem einen Abend hantieren die Frauen, am anderen die Männer beim Workshop an den Herden und Kochtöpfen.

»Welches ist bloß der gemahlene Kreuzkümmel?« Sechs Frauen stehen stirnrunzelnd vor den Gewürzschälchen. Die Behältnisse sind weder beschriftet noch unterscheiden sich die Gewürze farblich voneinander. Reihum wird vorsichtig an den Pulvern gerochen.

Falafel Die Schälchen enthalten unter anderem Kurkuma, Koriandersamen, braunen Zucker, schwarzen Pfeffer und Paprikapulver. Dazwischen soll sich auch gemahlener Kreuzkümmel verstecken: unverzichtbar für das Falafel, das hier entstehen soll. Da sich die Frauen auch nach der Riechprobe nicht sicher sind, rufen sie laut nach Tom Franz: »Chefkooooooooch!«

»Wie zerteilt man eine Paprika fachgerecht?«, will eine Teilnehmerin wissen.

Der 45-jährige TV-Koch und Autor (So schmeckt Israel) läuft unermüdlich zwischen den sechs großen Tischen voller Zutaten, Schneidebrettern und Aluschalen hin und her. Auch die mehrfache Frage nach dem Gewürz beantwortet er nach kurzer Geruchsprobe mit einem Lächeln: »Also, das ist Koriandersamen.« Viel Zeit für Erklärungen bleibt nicht, denn der Nachbartisch will wissen, wo die Zitronen abgeblieben sind.

Und eine Teilnehmerin möchte schnell noch seinen Rat zum fachgerechten Zerkleinern von Paprika hören, damit bei der Fischpfanne »Chraime« nichts schiefgeht. Derweil ertönt vom abseits stehenden Tisch mit dem Fleischwolf ein eher schüchternes: »Äh, Chefkoch, wie geht das hier?«

Etwa 70 Frauen sind zum Koch-Workshop erschienen, den Tanya Rubinstein-Horowitz nun schon zum zweiten Mal in der Gemeinde organisiert hat. 35 Euro kostet die Teilnahme – damit sind Zutaten, Tipps vom TV-Koch und das anschließende Buffet abgedeckt.

Rechtsanwalt Los geht’s mit einem kurzen Film. Der zeigt, wie sich der gelernte Rechtsanwalt Thomas Franz aus Erftstadt bei Köln 2013 für die israelische Ausgabe der beliebten TV-Kochshow Masterchef bewirbt. Den Juroren setzt er mit deutscher Präzision auf den Punkt gegarte koschere Delikatessen vor. Das allein sorgt schon für Begeisterung. Hinzu kommt seine Lebensgeschichte, die der charismatische Rheinländer lächelnd vor den Kameras erzählt.

Mit Anfang 30 krempelte Tom Franz sein Leben vollkommen um.

Mit Anfang 30 gibt der Anwalt aus katholischem Elternhaus seinem Leben eine entscheidende Wende: Er wandert nach Israel aus, lernt Hebräisch und beschäftigt sich intensiv mit der jüdischen Religion. 2007 konvertiert er. Mit seiner israelischen Frau Dana hat er inzwischen vier Kinder, die jetzt zwei, drei, sechs und acht Jahre alt sind. Die Familie lebt in Tel Aviv.

Franz sieht es als seine Mission, zu zeigen, »dass koschere Küche auch auf Gourmet-Niveau möglich ist«. Bei Tanya Rubinstein-Horowitz und dem Team der Düsseldorfer Gemeinde bedankt er sich erst einmal herzlich: »Das ist hier eine tolle Orga, man kriegt richtig viel Unterstützung.«

rezepte Franz hat Listen mit zehn nahöstlich-nordafrikanisch inspirierten Rezepten ausgeteilt: von Hummus über Tabouleh (Bulgur-Salat) bis zum »israelischen Nationalgericht« Shakshuka (Eier in Tomatensauce). Auch Mussachen (Hähnchenschenkel mit Zwiebeln, Pinienkernen und Gewürzen) und so originelle Kreationen wie Lammkebab auf Zimtstange soll es geben. Als Nachtisch stehen Teigröllchen (»Filo-Zigarren«) mit Vanilleeis auf dem Programm. Aber erst einmal schickt er alle Teilnehmer zum Händewaschen.

Bei beiden Workshops (einer für die Frauen, einer für Männer) kocht der Masterchef nicht selbst vor, sondern unterstützt die Teilnehmer lieber bei der Zubereitung. Die Rezepte sind kurz und einfach gehalten. Alle Zutaten finden die Teilnehmer schon auf den Tischen vor. In Kleingruppen wird jeweils ein Gericht zubereitet.

»Falafel haben wir oft gegessen. Aber ich habe noch nie gesehen, wie man es macht«, sagt eine Teilnehmerin.

Manche schaffen auch zwei. »Falafel haben wir oft gegessen. Aber ich habe noch nie gesehen, wie man es macht«, erzählt Teilnehmerin Polina und freut sich auf das, was sie in den kommenden Stunden lernen wird. Sie schaut dabei auf eine Schale voller frisch gerollter Bällchen aus getrockneter, durch den Fleischwolf gedrehter Kichererbsenmasse. Gleich sollen sie in Öl frittiert werden.

Was die Organisatorin besonders überraschte, war das Rieseninteresse am Kochabend für die Männer. Als 70 Plätze vergeben waren, kamen immer noch Anmeldungen. Am Ende richtete sie eine Warteliste ein. Für fast die Hälfte der teilnehmenden Frauen war das Event Teil ihrer Vorbereitung auf eine Batmizwa. Die Gemeinde bietet ihr Batmizwa-Projekt nun schon im zweiten Jahr an.

Beide Abende klingen mit einem großen Buffet und der Erkenntnis aus: Koscheres Essen schmeckt selbst gekocht immer noch am besten.

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  30.10.2025

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Die Bildungsministerin erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025