Thüringen

Koscher in Eisenberg

Es ist ein heißer Nachmittag – man sitzt auf Abstand im Freien und versucht, mit und ohne Mundschutz über das anstehende Großprojekt zu informieren. »Hier entsteht etwas Besonderes«, sagt der Landrat des Saale-Holzland-Kreises, Andreas Heller.

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist anwesend. Für ihn ist das, was jetzt in Eisenberg beginnt, der erste offizielle Teil im Jubiläumsjahr »900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen«.

KRANKENHAUS Der Start ist nicht in Erfurt, nicht dort, wo Gemeinden oder Synagogen sind, sondern mitten in Ostthüringen, in Eisenberg. Hier haben die Waldkliniken ihren Sitz, ein kommunales Krankenhaus. Ihre besondere medizinische Expertise: die Orthopädie. Dafür sind die Kliniken bundesweit anerkannt, denn auch Forschung und Lehre greifen ineinander.

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264 Betten gibt es für die stationäre Aufnahme, und doch wird sich vieles demnächst ändern. Vor den beige-roten Beton-Plattenbauten aus der DDR steht ein faszinierender Rundbau aus Glas und Holz. Kein Geringerer als der italienische Stararchitekt Matteo Thun hat die Pläne umgesetzt: koschere Küche in Etage 4 und Synagoge in Etage 1 inklusive. Im Herbst soll eröffnet werden. Manche hätten ihn schon für verrückt erklärt, sagt David-Ruben Thies, Geschäftsführer der Kliniken, als er bereits vor zehn Jahren für diese Idee um Unterstützung warb.

MÖBEL In einem israelischen Kibbuz werden derzeit die Möbel für die Synagoge hergestellt, die koschere Küche ist im Rohbau fertig und wird demnächst eingerichtet. »Und hier, dieses Restaurant wird 30 Plätze haben, hier können Gäste koscher speisen«, erklärt Thies. Auch für die Handwerker sei es ein ungewöhnliches Projekt, eben, weil man hier viel beachten müsse.

Einen Maschgiach werde es ab Herbst geben, der darüber wacht, dass alle Speisevorschriften eingehalten werden. Derzeit betreut Rabbiner Yitshak Ehrenberg von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin den Aufbau von Küche und Synagoge. Empfohlen hatte ihn Alexander Nachama, der Rabbiner der Thüringischen Landesgemeinde. »Wir kennen uns schon so lange, und ich schätze Rabbiner Ehrenberg sehr.« Sowohl die Jüdische Gemeinde als auch die Landesregierung in Person von Bodo Ramelow unterstützen das Vorhaben. Es gehe darum, sagt Ramelow, jüdisches Leben zu fördern und ein Angebot zu schaffen, das es so hierzulande noch nicht gibt.

Im Oktober soll das neue Bettenhaus – inklusive Synagoge und Küche – eröffnet werden. Die Synagoge ist rund 30 Quadratmeter groß. Hier könnten bis zu 19 Personen beten und Schabbat feiern. 62 Millionen Euro werden insgesamt investiert, das Land unterstützt und fördert den Bau, weil man nicht nur ein architektonisch besonderes Haus an diesem Ort schafft, sondern auch einen besonderen Ort für Gäste aus der jüdischen Welt.

Viele Patienten – auch aus dem Ausland – wüssten eine hervorragende medizinische Betreuung und einen ruhigen Platz zu schätzen, sagt Rabbiner Ehrenberg. Wenn dann noch ein Gebetsraum und koscheres Essen hinzukommen, sei alles perfekt. Man erwarte Gäste aus Europa, aber auch aus den USA und Israel. Genau deshalb setzt er in Eisenberg auf den höchsten Standard, damit sich auch orthodoxe Gäste wohlfühlen können.

Die Kliniken hoffen nun auf eine eigene Tora – vielleicht als Geschenk?

Noch wird um Unterstützung für eine eigene Tora des Hauses geworben, »denn diese fehlt uns noch«, sagt David-Ruben Thies. Man hoffe auf Unterstützung – »vielleicht bekommen wir eine geschenkt?« Er selbst ist ausgebildeter Krankenpfleger und kennt die Situation in den Krankenhäusern aus der Perspektive eines Personalvertreters, als Betriebswirt und aus der eines Geschäftsführers. »Dieses Gebäude hier kostete nicht mehr als alles andere, was wir planten und brauchten. Deshalb haben wir gesagt: Lasst es uns so machen!«

Das Krankenhaus ist ein Signal, aus Thüringen und für Thüringen, sagt Alexander Mayrhofer, Experte in Gastronomie und Tourismus.

Proben zu den Abläufen haben eine Liste von Fragen und Antworten ausgelöst, die jetzt in dieses Projekt münden. Das Krankenhaus ist ein Signal, aus Thüringen und für Thüringen. »Wir wollen wirklich gute Gastgeber sein«, sagt Alexander Mayrhofer, ein ausgewiesener Experte in Gastronomie und Tourismus. Mit seinem Team bringt er nun das Projekt in Eisenberg auf den Weg und damit die erste koschere Küche Thüringens. Er wolle sich als Lernender verstehen und habe ein Praktikum in der Pflege absolviert, um die Bedürfnisse der Menschen besser zu verstehen.

VERPFLEGUNG Rabbiner Nachama kennt die Probleme mancher Gemeindemitglieder, wenn Krankenhausaufenthalte anstehen. »Denn das richtige Essen ist wichtig, um gesund zu werden.« Und manche von ihnen wollen sich lieber koscher ernähren. Somit könnten die Waldkliniken Eisenberg vielleicht zum Vorbild für andere Krankenhäuser werden, die dann sagen: »Wir wollen das auch so machen.«

Der Netzwerkgedanke ist Alexander Mayrhofer wichtig. Man will Kooperationen schaffen, Köche anlernen, mit Lieferanten einen engen Austausch pflegen. »Deshalb haben wir den Kontakt zu anderen Anbietern gesucht, zum Beispiel in Leipzig. Wir werden mit jüdischen Gemeinden arbeiten, aber auch mit Köchen der koscheren Küche den Austausch suchen. Daran liegt uns viel.«

Die Waldkliniken wollen auch Gäste außerhalb des Hauses verköstigen. Genau diese Logistik trainiert Alexander Mayrhofer derzeit mit seinem Team. »Das wird sicherlich ein spannender Moment werden, mit getrenntem Geschirr und Besteck. Wir müssen jetzt eintauchen in die Kaschrut-Regeln.«

Im Rahmen des Festivals Achava wird im Herbst die feierliche Eröffnung sein. Denn auch künftige Gäste aus Israel, Musiker und Künstler, können dann perfekt aus Eisenberg kulinarisch-koscher versorgt werden.
Den Touristiker Mayrhofer reizte die Aufgabe in vielerlei Hinsicht, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. »Wenn wir aufhören, nach vorne zu gehen, neugierig zu sein, offen zu sein, dann ist das der Moment, wo man stehen bleibt.«


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