Erfurt

Konzerte und Dispute

Die Kleine Synagoge Erfurt wird einen der Festspiel-Schwerpunkte bilden. Foto: Esther Goldberg

Achava – das hebräische Wort bedeutet seit diesem Jahr nicht nur Brüderlichkeit. Seit April nennt sich ein eingetragener Verein in Erfurt so, der am 27. August seine zehntägigen Achava-Festspiele eröffnet. »Sie sind nicht nur ein weiteres Festival mit einem jüdischen Impuls«, versichert Intendant Martin Kranz, der gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov die Achava-Idee entwickelt hat. In ihrem musikalischen Programm erinnern die Festspiele stark an die Jüdischen Kulturtage in Berlin, die in diesem Jahr erstmals abgesagt worden waren. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hatte Kranz’ Vertrag nicht verlängert.

»Religionen werden von Menschen gemacht. Wir müssen endlich auch über die Defizite in der Religion sprechen«, fordert Nemtsov. Er sei es inzwischen leid, dass es in Deutschland nicht möglich sei, mit Minderheiten kritisch umzugehen. Sofort werde man als islamophob oder antisemitisch hingestellt. Im Zentrum dieses zehntägigen Festivals stehen deshalb umfangreiche Diskurse, um einander kennenzulernen. »Die Festspiele dürften mit diesem Ansatz deutschlandweit einmalig sein«, meint Hellmut Seemann. Er ist der Vorsitzende von Achava und Präsident der Klassik-Stiftung Weimar. Der praktizierende Katholik erhofft sich, »aus dem religiösen Schatz heraus über Wissenschaft zu sprechen«.

Krisenherde Ein jeder sitzt unter seinem Feigenbaum und seinem Weinstock, und niemand wird sich schrecken, heißt es im Alten Testament. »Diesem Gedanken ordnen wir die Festspiele unter«, erklärt Kranz. Die Dialoge unter dem Titel »Unter dem Feigenbaum« werden Krisen- und Kriegsgebiete dieser Welt ins Zentrum des Disputs stellen. Dabei wird es um Syrien und Irak, um die Ukraine, Afrika, Iran sowie um Israel gehen.

»Opium oder Orientierung« werden die Religionsgespräche der Festspiele betitelt. Die drei abrahamitischen Religionen sollen in einen Diskurs verwickelt werden, der seine inhaltlichen Bezüge aus den Themenjahren der Reformationsdekade »Luther 2017« übernimmt. Namhafte Vertreter der jüdischen Religion (Walter Homolka als Rektor des Abraham Geiger Kollegs), Muna Tatari (Islamwissenschaftlerin) und Martin Tamcke (Professor für Ökumenische Theologie) werden zu den Diskutanten gehören.

Thüringen gilt als Mutterland der Reformation. Diskussionen um Luther und seinen Antisemitismus werden nicht ausbleiben und sind gewollt. Zudem werden Weltstars der Musik das Programm ergänzen. Das Eröffnungskonzert findet im Erfurter Dom statt. Drei Kantoren werden Psalmen der jüdischen Liturgie singen: Azi Schwartz (Israel), Roslyn Barak (USA), Isidoro Abramowicz (Schweden) und der Rias-Kammerchor Berlin präsentieren einen wichtigen Teil der gemeinsamen jüdisch-christlichen Tradition mit hebräischen Texten und der Musik jüdischer Synagogalkomponisten.

Gemeinsamkeiten Der Israeli Avi Avital ist Mandolinenspieler marokkanischer Herkunft. Gemeinsam mit dem iranischen Cembalisten Mahan Esfahani will er beweisen, dass Menschen unterschiedlicher Kulturkreise sehr gut gemeinsam Sonaten von Beethoven, Bach und Vivaldi spielen können.

Intendant Kranz sieht in den bevorstehenden Festspielen keine Konkurrenzveranstaltung zum Yiddish Summer im 20 Kilometer entfernten Weimar. Auch Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde, nicht. »Ich finde es hervorragend, dass diese Festspiele bei uns stattfinden. Sie sind ein weiterer Beleg dafür, dass jüdisches Leben in Deutschland wächst und nicht nur museal betrachtet wird«, versichert er.

Programm und Tickets sind unter www.achava-festspiele.de zu finden.

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 01.12.2025 Aktualisiert

Porträt der Woche

Familie, Glaube, Neubeginn

Edouard Joukov stammt aus Russland und fand seinen Platz in der Ulmer Gemeinde

von Brigitte Jähnigen  28.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  28.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Mitzvah Day

Grünes Licht

Jüdische Gemeinden und Gruppen gestalteten deutschlandweit den Tag der guten Taten

von Katrin Richter  27.11.2025

Düsseldorf

Cooler Kick

Beim Ilan Fiorentino Cup kamen im Gedenken an Spieler aus dem Kibbuz Nahal Oz Israelis, Exil-Iraner und das NRW-Landtagsteam zu einem Freundschaftsturnier zusammen

von Jan Popp-Sewing  27.11.2025