Wertsache

Kidduschbecher aus dem Garten

Im E-Mail- und SMS-Zeitalter rufen Briefe oder Postkarten schon fast nostalgische Gefühle hervor. Erst recht, wenn es sich um Karten mit traditionellen Motiven handelt. Für die Herausgeberin des Lichtig Verlags, Nea Weissberg-Bob, stehen Bilder und Judaica-Kultgegenstände aus den 20er- und 30er-Jahren für eine verlorene Welt. Sie spiegeln die Schicksale ihrer Besitzer und den jüdischen Alltag wider. Für Weissberg-Bob ist es eine Herzenssache, diese zerstörten Lebenswelten abzubilden und mittels Kunstpostkarten zu veröffentlichen

Die auf den zwölf Postkartenmotiven abgedruckten Bilder und Kultgegenstände hat die Herausgeberin bei Bekannten und Freunden in Deutschland, Polen, Frankreich und Israel entdeckt. »Die Gegenstände sprechen zu mir, wenn ich sie still betrachte«, sagt sie. Im Zuge ihrer Recherche machte sie bewegende Entdeckungen. Wie etwa bei dem Kidduschbecher, der nach dem Holocaust in einem Berliner Schrebergarten aufgefunden wurde.

Stigma »Der Vater einer guten Freundin überlebte im Versteck. Eine Frau aus dem Arbeiterkiez mit typisch Berliner Schnauze versteckte ihn zwischen 1943 bis 1945 in Charlottenburger Schrebergärten«, erzählt Weissberg-Bob. Eigentlich war der Vater säkular und sozialistisch, doch später wandte er sich dem Judentum zu und erzog seine Tochter ganz im Sinne der Regeln. Doch nachdem er die Verfolgung erlebt hatte, wollte er nicht, dass sie Gemeindemitglied würde, um niemals stigmatisiert werden zu können.

»2010 erwarb ein Freund diesen Kidduschbecher bei einer Kunstauktion und schenkte ihn meiner guten Freundin. Jene mutige Deutsche, die dem Vater beim Überleben geholfen hatte, wurde nach dem Krieg zunächst die Zugehfrau der Familie, dann die Kinderfrau und von der Familie geschätzt«, erzählt die Herausgeberin.

zwei Löwen In einem Trödelladen an der Ostsee entdeckte Nea Weissberg-Bob einen silberfarbenen Teller, hergestellt im 19. Jahrhundert, der als Postkartenmotiv »Sederteller« abgebildet wurde. Nach der Pogromnacht war der Teller heimatlos, die Familie, die ihn einmal besessen hatte, unauffindbar. 1989 habe sie ihn in einem Trödelladen in Lübeck gesehen. Das Silber war stark angelaufen mit pechschwarzen Stellen. »Ich versuchte die eingravierten hebräischen Schriftzeichen zu entziffern, blickte versonnen auf zwei Löwen, die drei hebräische Lettern hielten.«

Etwas erinnerte sie dabei an ihre Kindheit. »Der Teller wird viel zu teuer sein, dachte ich bei mir, fragte den Trödelhändler trotzdem, woher er ihn hatte. Der sagte so nebenbei: ›Ach! Das ist ein Osterteller, der irgendwann mal in einer ausgebrannten Kirche gefunden wurde.‹« Weissberg-Bob wolle den Teller haben, fragte nach dem Preis. »Nun ja, Sie werden ihn gut putzen müssen, 20 DM möchte ich wohl haben«, sagte der Händler grinsend. Einen Nachmittag lang putzte sie die Schale, heraus kam ein glänzend silberner Teller: »Ich blickte auf die Buchstaben, als ob sie von selbst zu sprechen anfingen, klingelte plötzlich in meinem Ohr die Melodie des ›Ma nischtana‹.«

www.lichtig-verlag.de

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025