Berlin

»Keine Zeit zu trauern«

Für einen Monat heißt der Bebelplatz in Berlin-Mitte »Platz der Hamas-Geiseln«. Eine Kunstinstallation erinnert ab dem 16. Mai an das andauernde Leid der 132 Menschen, die sich noch immer in Geiselhaft der Terrororganisation Hamas befinden. Vor allem aber soll die deutsche Öffentlichkeit dazu bewegt werden, sich stärker für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. Und tatsächlich, wenige Minuten nachdem die offizielle Eröffnung hatte beginnen sollen, verkünden die Veranstalter einen Einlassstopp.

»Heute zeigt Berlin Widerstand, Widerstand durch Solidarität«, ruft die Moderatorin Melody Sucharewicz erfreut. Zusammen mit Angehörigen der Geiseln hat die Deutsch-Israelin das Solidaritätsprojekt initiiert. Es sei wichtig für Israel, »dass sie gerade in Deutschland Solidarität erfahren«, so Sucharewicz. Mit einem Selfie will sie Israel zeigen, wie der Bebelplatz in diesem Moment aus ihrer Perspektive aussieht: »Verdammt gut!«

Der Krieg sei in Mitte spürbar, so die Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger. Erst kürzlich stand an der Hauswand vom Rathaus Tiergarten: »Brennt Gaza, brennt Berlin«. Seit dem 7. Oktober wurde Anschläge auf ein jüdisches Krankenhaus, eine Synagoge und ein Holocaust-Mahnmal im Bezirk verübt.

»Das Schicksal Israels ist unweigerlich verbunden mit dem Schicksal der Juden weltweit«, betont Daniel Botmann.

Remlinger drückt ebenso Mitleid aus »für das Leid, dass die Hamas auch über die Palästinenser gebracht hat.« Mittlerweile scheint vielerorts in Vergessenheit geraten zu sein, wer diesen Krieg zu verantworten hat. Der 7. Oktober sei aus den Schlagzeilen, den Köpfen und den Herzen verschwunden, gibt der Präsident der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, Volker Beck, zu bedenken. Alle Opfer dieses Krieges gingen auf das Konto der Hamas.

»Das Schicksal Israels ist unweigerlich verbunden mit dem Schicksal der Juden weltweit«, betont Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden. Und Karin Lorenz von der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem bittet um Vergebung »für die Überheblichkeit, mit der viele deutsche Politiker in Israel auftreten«. Sie würden versuchen, Israel vorzuschreiben, wie es mit der Hamas umzugehen habe. Selbst aber schaffe man es nicht, die eigene jüdische Bevölkerung zu schützen.

Etliche Angehörige der Geiseln sind für die Eröffnung nach Berlin gereist. Eine davon ist Herut Nimrodi, Mutter des 19-jährigen Tamir. Sie weist vor allem auf eines hin: »Es hat die Terroristen nicht interessiert, wen sie töteten und verschleppten. Mein Sohn hat für eine humanitäre Organisation gearbeitet. Sie haben ihn trotzdem entführt.« Yuval Haran berichtet Ähnliches. Er hat das Massaker im Kibbuz Be’eri überlebt. Viele seiner Nachbarn, Freunde und Familienmitglieder, die ermordet oder entführt worden sind, seien Friedensaktivisten gewesen.

Alon Gat konnte flüchten und seine Tochter in Sicherheit bringen.

Alon Gat ist der Hamas gerade so entkommen. Sie hatten ihn bereits festgenommen. Während der Fahrt schaffte er es jedoch, aus dem Auto zu springen und sich und seine vierjährige Tochter Geffen in Sicherheit zu bringen. Seine Mutter hingegen wurde vor seinen Augen erschossen. Seine Frau, Yarden Roman-Gat, und seine Schwester, Carmel Gat, nahmen die Terroristen als Geiseln. Yarden ist mittlerweile wieder in Freiheit. Aus der Gefangenschaft habe sie Alon von Gesprächen der Terroristen berichtet. »Israel war lediglich der Anfang«, sollen sie gesagt haben. Und auch, dass es in Deutschland genügend Hamas-Kämpfer gebe.

Alon erklärt: »Ich habe keine Zeit um meine Mutter zu trauern, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, um für die Freilassung meiner Schwester Carmel zu kämpfen.« Carmel ist am 16. Mai 40 Jahre alt geworden. Wenigstens am Bebelplatz gibt es einen Geburtstagskuchen und Luftballons für sie.

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