Galerie Circle 1

Kaktusstacheln in Acryl

Es sei eine schöne Abwechslung, einmal »über Kunst statt Zentrifugen« reden zu können, sagt Jeremy Issacharoff und lächelt. Der israelische Botschafter in Deutschland spielt auf das iranische Atomwaffenprogramm an. Zusammen mit seiner Frau ist er zu Gast bei Circle 1 in Berlin-Schöneberg. Die Galerie, zu deren Selbstverständnis gehört, Künstler, vor allem israelische, in die Berliner Kunstszene zu integrieren, hat Ende März ihre neuen, größeren Räume in der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg bezogen.

Die erste Ausstellung nach dem Umzug heißt Body Talk, zu Deutsch »Körpersprache«. Sie widmet sich israelischer Kunst aus sieben Jahrzehnten und wird von der israelischen Botschaft unterstützt. Noch bis zur Finnisage am 10. Mai sind Bilder, Fotografien und Videokunst aus 70 Jahren Israel zu sehen. Der Untertitel der Schau lautet: »The Scar, the Scheme, the Sketch and the Scratch – Body Representations in 70 ­Years of Art from Israel« – »Die Narbe, der Plan, die Skizze und das Kratzen – Körperrepräsentationen aus 70 Jahren Kunst aus Israel«.

Das Thema ist damit umrissen, nämlich Körperlichkeit in bildender Kunst anlässlich des 70. Jubiläums der Gründung des Staates Israel. Dem Betrachter der Arbeiten fällt jedoch schnell auf, dass es sich hierbei zumeist um eine Unkörperlichkeit handelt. Figurative Kunst taucht lediglich am Rande der Ausstellung auf. »Für diejenigen Maler, die nach der Staatsgründung in Israel groß geworden sind, spielten Körper, die eindeutig als solche zu erkennen sind, lediglich eine untergeordnete Rolle«, erklärt dazu Ofir Dor, der neben Alona Harpaz Body Talk kuratiert hat.

sabre Dor, drahtig, mit wild gewachsenen grauen Locken und Bart, führt durch die Ausstellung. Der Kurator freut sich über den Zuspruch, den er und seine Partnerin Alona Harpaz, Teil des Gründungsquartetts von Circle 1 und ebenfalls Kuratorin, bislang von den Ausstellungsbesuchern bekommen. Alona Harpaz steht zwischen den Besuchern. Sie kommentiert die Arbeiten, schwärmt von den Künstlern. »Wir wollen mit unserer Galerie keineswegs einen Ort nur für Israelis schaffen«, sagt sie. Circle 1 sei für alle da.

Dor und Harpaz kuratieren nicht nur, sie sind selbst auch Künstler und zeigen einige ihrer Arbeiten im Rahmen der Ausstellung. Damit gehören sie zu den in Berlin lebenden zeitgenössischen Künstlern, die bei Body Talk vertreten sind.
Das Konzept der Gruppenausstellung ist es, Werke großer, über die Landesgrenzen hinaus bekannter, teils nicht mehr lebender israelischer Künstler mit denen einer jungen Generation zusammenzubringen, die in der deutschen Hauptstadt arbeiten, und diese auch als Einfluss kenntlich zu machen.

nahaufnahme Zur jungen Generation zählt der 1974 geborene Erez Israeli, der prominent mit gleich fünf Arbeiten vertreten ist und der ohne Zweifel die Darstellung und den Einsatz des Körpers nicht scheut. Eine Fotografie mit dem Titel »Azabar«, die bereits vor zehn Jahren entstanden ist, zeigt in einer Nahaufnahme den Künstler selbst. Unter dessen Haut sind Nadeln gestochen, die unter den Lippen, den Augen und auf der Stirn wie Kaktusstacheln wieder hervortreten – eine Anspielung auf den Sabra, Hebräisch für »Kaktusfeige«, eine Bezeichnung für in Israel geborene Juden.

Eine weitere Arbeit von Israeli ist »The Princess and the Frog« – »Die Prinzessin und der Frosch«, zwölf kleine Bilder, die scheinbar eine Geschichte, ein düsteres Märchen erzählen, die jedoch auch anders angeordnet werden und einen anderen Sinn ergeben könnten. Entstanden ist »The Princess and the Frog« 2017, als Erez Israeli schon in Berlin lebte.

Bewusst hat der Künstler eine mit Deutschland assoziierte Symbolik, wie etwa den sogenannten deutschen Wald, eingesetzt – von der Romantik bis hin zur völkischen Ideologie der Nazis ist es eine wiederkehrende Metapher in seinen Werken. Darüber hinaus sind Wehrmachthelme und Hitler-Bärte zu sehen, die auf die Nazi-Vergangenheit Deutschlands verweisen. Historischer Kontext, Identität, all das erzählt durch Körperlichkeit und Figürlichkeit.

symbole Für Kurator Dor stehen die Arbeiten Israelis in einer Traditionslinie mit denen von Moshe Gershuni, einem der bekanntesten israelischen bildenden Künstler, der im vergangenen Jahr verstarb. Gershuni malte kindlich naiv, setzte hin und wieder aber auch überdeutlich Symbole ein. Seine Kunst galt von Beginn an als abstrakt.

Es sind diese Verweise von Klassikern hin zu den zeitgenössischen israelischen Künstlern in Berlin, die Body Talk auszeichnen. Ähnlich verhält es sich mit den Arbeiten von Raffi Lavie und denen der Kuratorin Alona Harpaz.

Neben dem Eingang der Galerie, direkt neben den großen Fenstern, hängen zwei Werke Lavies. Auf den ersten Blick sind sie das Gegenteil von körperlich: Mit Buntstiften hat der Künstler Geraden und Bögen auf das Papier gebracht. Die Farben sind kräftig und blass zugleich. Harpaz hingegen hat mit Acryl gearbeitet, ihre Farben sind ausschließlich kräftig.

parallele In den geometrischen Formen und einer Reduktion im Ausdruck besteht jedoch eine Gemeinsamkeit mit Lavie. Harpaz’ arabischer Neon-Schriftzug »Darling, wir haben Europa erreicht« aus dem Jahr 2018 schafft zudem eine zeitliche Parallele zu Lavie, der selbst zwar 1937 in Israel geboren wurde, in dessen Jugendjahre aber die Staatsgründung fiel, als Überlebende des Holocaust dort eine Heimstätte fanden. Zuflucht, so ließe sich Alona Harpaz’ Arbeit interpretieren, finden heute syrische Flüchtlinge in Europa.

Mit Ausstellungen wie Body Talk haben Harpaz und ihre Kollegen entscheidenden Anteil daran, dass nicht nur zeitgenössische israelische Künstler in Berlin bekannter werden, sondern auch die großen Namen der bildenden Kunst Israels aus den vergangenen Jahrzehnten.

Die Ausstellung »Body Talk« läuft bis zum 10. Mai in der Galerie Circle 1 in der Hauptstraße 101 in Berlin-Schöneberg.

Weitere Infos unter www.circle1berlin.com

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