Düsseldorf

Jüdische Gemeinde ehrt Chef des Weltärztebundes

Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes Foto: imago

Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hat am Dienstag Frank Ulrich Montgomery, dem Vorsitzenden der Weltärztebundes, die Josef-Neuberger-Medaille verliehen. Montgomery amtierte von 2011 bis Mai 2019 als Vorsitzender der Bundesärztekammer. Die Medaille erhielt der Mediziner für seine stete Erinnerung an das Schicksal jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Dritten Reich und die Verbrechen nichtjüdischer Ärzte – als Mahnung an die heutige Ärzte-Generation. Außerdem setzt er sich für die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Ärztebund und israelischer Ärzte-Vereinigung ein. In diesem Jahr sprach er mit Schülern in Israel über die Verbrechen der Nazis.

Berufsverbot Nach einleitenden Worten von Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, trat der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in der Synagoge der Landeshauptstadt ans Mikrofon. Gröhe erinnerte an die Entfernung der jüdischen Ärzte aus dem öffentlichen Gesundheitswesen durch die Nazis 1934 und an das Berufsverbot für jüdische Ärzte 1938. »Frühere Patienten und Kollegen wandten sich ab – und gegen sie«, beschrieb Gröhe die Situation. Den meisten jüdischen Medizinern gelang die Flucht. Doch 2000 jüdische Ärztinnen und Ärzte wurden von den Nazis ermordet.

Gröhe rief ins Gedächtnis, dass die nichtjüdischen Ärzte »zu erschütternderen Verbrechen der Nazi-Barbarei beitrugen«, etwa der Ermordung von 200.000 psychisch Kranken und menschenverachtenden Experimenten in den KZs. 45 Prozent der Ärzte seien NSDAP-Mitglieder gewesen, mehr als in allen anderen akademischen Berufen, neun Prozent waren Mitglied der SS.

Montgomery sprach im Zusammenhang mit deutschen Ärzten in der NS-Zeit über »Könner ohne Kompass«.

Man sehe, wohin Fortschrittsstreben führe, wenn es ohne ethischen Rahmen bleibe, so Gröhe. Er sprach im Zusammenhang mit den deutschen Ärzten zur NS-Zeit von »Könnern ohne Kompass«. Montgomery habe zur Rolle der Ärzteschaft zur NS-Zeit immer wieder öffentlich Stellung bezogen. So habe der Deutsche Ärztetag 2012 mitinitiiert von Montgomery Vorsitz die »Nürnberger Erklärung«  verabschiedet. Darin erkannten die Mediziner erstmals die »wesentliche Mitverantwortung von Ärzten an den Unrechtstaten der NS-Medizin an und betrachten das Geschehene als Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft« – verbunden mit der Bitte an die Opfer um Verzeihung.

Der Geehrte sieht sein Verhalten als gar nicht so besonders an: »So sollten es eigentlich alle machen«. Er  sagte, die Ehrung gelte auch der Bundesärztekammer. Seine Maxime lautet: »Wir dürfen nicht vergessen.« Montgomery (Jahrgang 1952) unterstrich: »Meine Generation ist die letzte, die die Gräuel des Krieges noch indirekt miterlebt hat«. Sein Vater sei als britischer Offizier einer der ersten gewesen, die die Öffnung des KZ Bergen-Belsen erlebt hatten. Diese Erzählungen hätten ihn selbst geprägt.

Giftschrank Wie sehr ihre eigene NS-Geschichte noch lange nach dem Krieg für viele Mediziner ein Tabu war, das schilderte Montgomery anhand einer Episode von 1994. Als Montgomery gerade Vorsitzender der Hamburger Ärzteschaft geworden war, habe ihn ein älterer Herr auf den »Giftschrank« in seinem Arbeitszimmer aufmerksam gemacht. Darin fand Montgomery Meldungen an den NS-»Reichsärzteführer« und Listen jüdischer Ärzte, denen die Approbation aberkannt worden war: »So etwas meinte man 1994 noch im Tresor aufbewahren zu müssen«.

Eine Historikerin arbeitete danach die NS-Geschichte der Hamburger Ärzteschaft auf. Montgomery warnte davor, die NS-Zeit mit ihren Verbrechen zu verdrängen und als »Fliegenschiss der deutschen Geschichte« kleinzureden.

Seit 1991 ehrt die Düsseldorfer Gemeinde jedes Jahr nichtjüdische Persönlichkeiten, die sich um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben. Die Medaille geht auf den jüdischen Rechtsanwalt und Politiker Josef Neuberger (1902-1977) zurück. Als Justizminister in NRW setzte er unter anderem Reformen im Strafvollzug durch. Ausgezeichnet wurde neben Angela Merkel und Roman Herzog auch die Band Die Toten Hosen. 2018 ging die Medaille an die Vizepräsidentin des NRW-Landtags, Carina Gödecke, und den Rechtsanwalt Joachim Lüdicke.

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025