Berlin

Ins Bewusstsein rufen

Blick über die Absperrung: der Schriftzug »Nicht mehr zu sehen« Foto: Chris Hartung

Noch verhindert eine Absperrung einen Blick auf das Denkmal, das im September eingeweiht wird. Ein paar Neugierige gehen dennoch die Böschung am Columbia­damm hoch, um sich das ungewöhnliche Mahnmal anzuschauen. »Nicht mehr zu sehen«, so steht auf dem Rasen geschrieben. Die Buchstaben bestehen aus Stahlrahmen. Gefüllt wurden sie mit Schutt aus Backsteinen, deren Farbe an die Bauten erinnert, die dort einst standen. Die Wörter bilden einen 42 Meter langen Schriftzug, der gerade am Tempelhofer Feld, gegenüber der Golßener Straße, entsteht.

Auf dem Gehweg stehen bereits Infotafeln zum einzigen Konzentrationslager, das es in Berlin gegeben hat. Nach jahrzehntelanger, weitgehender Unsichtbarkeit soll künftig öffentlich wahrnehmbar an das Berliner »KZ Columbia« erinnert werden, heißt es auf der Homepage des Flughafens Tempelhof. Unter den Inhaftierten waren auch der Rabbiner und Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden, Leo Baeck, Robert M. W. Kempner, später Chefankläger der USA bei den Nürnberger Prozessen, und die Kommunisten Erich Honecker, Georg Benjamin und Werner Seelenbinder.

Am 19. September soll das Erinnerungszeichen für das einzige offizielle KZ in der ehemaligen Reichshauptstadt enthüllt werden. Zu der Feierstunde am Tempelhofer Flughafengebäude wird Kultursenator Joe Chialo (CDU) und der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler (SPD) erwartet.

Die Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Bauten dienten ursprünglich als Militärarrestanstalt mit 156 Zellen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Einrichtung zum »Gefängnis Tempelhofer Feld« umgewandelt, aber schon 1920 geschlossen, denn es sollen unzumutbare hygienische und sanitäre Verhältnisse geherrscht haben, heißt es auf der Homepage.

Die Gefängnisse waren schnell überfüllt, weshalb die Nazis auch das düstere Columbia-Haus wieder in Betrieb nahmen.

Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, ließen sie massenhaft politische Gegner verhaften. Die Gefängnisse waren schnell überfüllt, weshalb die Nazis auch das düstere Columbia-Haus wieder in Betrieb nahmen. Im Dezember 1934 wurde es der neu eingerichteten »Inspektion der Konzentrationslager« unterstellt. Es erhielt offiziell die Bezeichnung »Konzentrationslager Columbia«, unterstand der Gestapo, und SS-Männer bewachten es.

In den engen Einzelzellen mussten sich durchschnittlich drei Gefangene drängen. Sie wurden misshandelt und gefoltert, mehrere ermordet. Der Terror sprach sich in der Berliner Bevölkerung herum, sodass sich die Nazis im September 1934 gezwungen sahen, dort offiziell »Schikanen« und »Quälereien« zu verbieten.

In Wirklichkeit sollen die Inhaftierten weiterhin der Willkür ihrer Bewacher ausgeliefert gewesen sein. Im November 1936 wurde das KZ Columbia aufgelöst, die Gefangenen wurden in das neu erbaute KZ Sachsenhausen bei Oranienburg verlegt. Mehr als 8000 Männer waren in dem Berliner Konzentrationslager eingesperrt. Die Gebäude standen mindestens noch bis zum Frühjahr 1938, dann wichen sie der Erweiterung des Flughafens. Wie viele Todesopfer es im Gestapo-Gefängnis und KZ Columbia gab, ist nicht bekannt. Die Täter wurden nicht angeklagt.

Seit 1994 gibt es auf der Kreuzberger Seite des Columbiadamms eine Mahnskulptur, auf Tempelhofer Seite stehen Erinnerungsstelen. Damit mehr Menschen auf sie aufmerksam werden, beschlossen die Bezirksverordneten 2018, ein weiteres Denkzeichen zu schaffen. Ein Gestaltungswettbewerb wurde ausgeschrieben. Die Auswahlkommission hatte sich für den Entwurf des Berliner Architekten Martin Bennis und des Grafikbüros Weidner Händle aus Stuttgart entschieden.

Anmerkung: In einer vorherigen Version des Textes stand, dass auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bei der Veranstaltung erwartet werde. Nach Angaben der Veranstalter stimmt dies jedoch nicht.

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 30.11.2025 Aktualisiert

Porträt der Woche

Familie, Glaube, Neubeginn

Edouard Joukov stammt aus Russland und fand seinen Platz in der Ulmer Gemeinde

von Brigitte Jähnigen  28.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  28.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Mitzvah Day

Grünes Licht

Jüdische Gemeinden und Gruppen gestalteten deutschlandweit den Tag der guten Taten

von Katrin Richter  27.11.2025

Düsseldorf

Cooler Kick

Beim Ilan Fiorentino Cup kamen im Gedenken an Spieler aus dem Kibbuz Nahal Oz Israelis, Exil-Iraner und das NRW-Landtagsteam zu einem Freundschaftsturnier zusammen

von Jan Popp-Sewing  27.11.2025