Jewrovision

Im Lampenfieber

Ein Traum geht für die Kinder des Aachener Jugendzentrums in Erfüllung: Endlich werden auch sie bei der Jewrovision mit auf der Bühne stehen. »Ich bin als Kind zwar zur Jewro gefahren, aber hatte leider nicht die Möglichkeit aufzutreten«, erzählt die 24-jährige Sofia Boymenblit, Leiterin des Aachener Jugendzentrums Kavanah. Denn das Juze ist zu klein, um einen eigenen Act zu stemmen. Zudem wird es seit einiger Zeit gern gesehen, dass sich mehrere Jugendzentren zusammentun.

Vor ein paar Jahren schlossen sich einmalig zwei Jugendliche aus Aachen der Gruppe des Landesverbandes an. »Aber alle jetzt aktiven Kinder und Jugendlichen waren damals noch nicht im Juze Kavanah aktiv.« So überlegte sich Sofia, was man unternehmen könnte, damit auch die Aachener mittanzen und -singen können. Schließlich schrieb sie eine Nachricht in die NRW-Gruppe. »Hey, möchte ein Juze hier aus NRW zusammen mit Aachen auftreten und einen coolen Act aufstellen?« Die Kinder seien hoch motiviert, talentiert und möchten ihr Können auf der Bühne zeigen.

Knapp 30 Kinder werden für die zwei Städte im Rampenlicht stehen.

Es meldeten sich ein Jugendzentrum und der Zusammenschluss We.Zair des Landesverbandes Westfalen-Lippe. »Wir haben uns über beide Angebote sehr gefreut, uns aber für Köln entschieden.« Denn: »Köln ist für uns perfekt, weil wir nur eine knappe Stunde Fahrzeit haben«, so Sofia. Mit dem Kleinbus der Jüdischen Gemeinde Aachen geht es seit Wochen sonntagnachmittags in Richtung Köln. Am Anfang hatte sie sich schon gefragt, ob es funktionieren wird.

Ariella Dumesch zögerte keine Sekunde, diese Kooperation einzugehen. »Wir sind wegen des früheren Termins der Jewro, der mitten in den Osterferien ist, ausgedünnt«, sagt die Leiterin des Juze Jachad. Viele Familien seien da verreist – und möchten ihren Nachwuchs mitnehmen. »Mit so wenigen können wir auch keine Bühne füllen.« Früher hätte es manchmal Auftritte mit fünf Jugendlichen gegeben, heute seien es oft mehr als 50.

Win-win-Situation

Knapp 30 Kinder werden nun für die zwei Städte im Rampenlicht stehen, 20 aus Köln, die anderen aus Aachen. »Wir haben also eine Win-win-Situation«, so Ariella. Die Pandemie habe im Juze Spuren hinterlassen. Da hätten es größere Städte wie Berlin oder Frankfurt leichter, die Bühne zu füllen. Beispielsweise tanzten und sangen bei der vergangenen Jew­ro mehr als 60 Jugendliche für das Berliner Juze Olam – und gewannen.

Somit hätte die Jewro in diesem Jahr zum wiederholten Mal in Berlin gefeiert werden müssen, aber der Veranstalter, der Zentralrat der Juden in Deutschland, entschied sich für den Austragungsort Hannover. Die Show, die unter dem Motto »Time to shine« steht, findet am 31. März statt und ist in ein Mini-Machane vom 29. März bis zum 1. April eingebunden.

»Ich bin jetzt schon aufgeregt«, sagt Leah-Sarah aus Aachen. Für sie ist es das erste Mal, dass sie dabei ist. Bis vor zwei Jahren war die zehnjährige Schülerin noch regelmäßig beim Ballettunterricht, bringt als Tänzerin also schon etwas Erfahrung mit. Als eine Freundin ihr von der Jewro berichtete, »fand ich es so cool«, dass sie sich sofort anmelden wollte. Sie würde mehr im Hintergrund tanzen. »Die Proben sind toll und bringen super viel Spaß.« Es sei eine schöne Gemeinschaft mit den Kölnern entstanden. »Jetzt habe ich auch coole Freunde in Köln.« Zu Hause studiert sie immer wieder die Videos, die ihr die Trainerin zur Verfügung stellt, und übt die Schritte.

»Der Juze-Sonntag«

Beiden Leiterinnen ist es wichtig, dass »der Juze-Sonntag« normal weitergeht und alle Kinder ihre üblichen Zeiten in den Gruppen haben. »Das darf nicht in den Hintergrund geraten. Es wird für die anderen kein Juze-Tag ausfallen, im Gegenteil, er steht an erster Stelle«, betonen sie unisono.

Gegen 17 Uhr kommen die Aachener in Köln an. Die Nachwuchskünstler sind zwischen zehn und 18 Jahre alt. Knapp zwei Stunden haben sie dann zum gemeinsamen Singen, Tanzen und Reden Zeit, bis der Fahrer sie wieder abholt. Beim ersten Mal seien die Aachener noch zurückhaltend und aufgeregt gewesen, aber nun konnte Sofia hören, wie ein Mädchen aus Aachen sagte, dass sie sich bei der Jewro unbedingt mit einem aus Köln ein Zimmer teilen möchte. »Für Juzes aus kleineren Städten ist es nicht so leicht, die Kinder ab einem gewissen Alter zu halten. Manchmal gibt es kein gleichaltriges Mädchen oder keinen gleichaltrigen Jungen.«

Es sei erstaunlich, welche Talente sichtbar werden, berichtet Ariella anerkennend. Beispielsweise Robin. Der Aachener habe sich bereits einen Namen gemacht, obwohl er selbst kein Teenager ist. »Er ist noch jünger, kann aber so toll breakdancen, dass alle um ihn herumstehen und ihn bewundern. Es macht Spaß, ihm zuzusehen.« Weitere Kinder, die zunächst noch unsicher waren und zögerten, trauen sich nun, auf der Bühne mitzutanzen. Das Eis ist gebrochen.

Es sei erstaunlich, welche Talente sichtbar werden, berichtet Ariella.

Der Song sei noch geheim. Die Kostüme sind bereits im Entstehen. Bei den Mädchen, die sich an die Gesetze der Zniut halten, müsse man im Blick haben, dass die entsprechenden Regeln berücksichtigt werden. »Der Rock muss knielang sein, die Ellenbogen bedeckt«, sagt Ariella.

Ferner möchten sie auch darauf achtgeben, dass jedes Kind auf der Bühne gut aussieht und sich wohlfühlt. »Die Aachener Gemeinde steht hinter den Kindern und hilft immer da, wo es nötig ist«, meint Ariella anerkennend. Dadurch würden sie sich unterstützt fühlen. »Davon könnten sich andere Gemeinden mal eine Scheibe abschneiden.« Sofia leitet das Juze schon seit mehreren Jahren. Ariella engagiert sich bereits seit drei Jahren in Köln, sie stammt aus Frankfurt, war schon früh in der Jugendarbeit aktiv, unter anderem im jüdischen Hort und in der I.E. Lichtigfeld-Schule. Sie arbeitete auch in der Jüdischen Grundschule in Köln. »Immer dort, wo ich gebraucht wurde. Mittlerweile studiert sie auf Lehramt.

»Natürlich hoffe ich auf den ersten Platz«, sagt Leah-Sarah. Aber sie habe schon erfahren, dass das Dabeisein alles ist. »Die Bühne sieht so groß aus – da bekomme ich schon bei dem Gedanken, auf ihr zu tanzen, Lampenfieber.«

Berlin/Potsdam

Zentralrat der Juden erwartet Stiftung für Geiger-Kolleg im Herbst

Zum Wintersemester 2024/25 soll sie ihre Arbeit aufnehmen

 26.07.2024

Potsdam

Neuer Name für das Abraham Geiger Kolleg bekannt geworden

Die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner soll nach Regina Jonas benannt werden

 26.07.2024

Berlin

Wegner besucht verwüstetes israelisch-palästinensisches Lokal

Das Restaurant wurde vergangene Woche verwüstet

 26.07.2024

Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Im Südwesten der Stadt betreibt die Gemeinde eine metallverarbeitende Behindertenwerkstatt

von Stefan Laurin  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Berlin

Große Räume für große Träume

Hillel zieht von Neukölln nach Kreuzberg

von Joshua Schultheis  25.07.2024

Olam

Für die Kids

Der Senat unterstützt das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit 450.000 Euro

von Christine Schmitt  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Leipzig

Sachbeschädigung an jüdischer Einrichtung

Der Tatverdächtige wurde nach der Tat verhaftet und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß

 24.07.2024