Erinnerung

Guy Stern im Alter von 101 Jahren gestorben

Der Holocaust-Überlebende Guy Stern engagierte sich zeitlebens für die Demokratie. 2019 hielt er eine Rede im niedersächsischen Landtag Foto: picture alliance/dpa

Der deutsch-amerikanische Germanist und Holocaust-Überlebende Guy Stern ist am Donnerstag im Alter von 101 Jahren in Detroit gestorben. Das teilte der Berliner Aufbau-Verlag am Freitag mit. In dem Verlag erschien die Autobiografie des gebürtigen Hildesheimers (»Wir sind nur noch wenige«) auf Deutsch anlässlich seines 100. Geburtstags am 14. Januar 2022.

Guy Stern wurde am 14. Januar 1922 unter dem Namen Günther Stern
als Kind einer jüdischen Familie in Hildesheim geboren. Als
15-Jähriger floh er 1937 vor der Nazi-Diktatur in die USA. Seine
Eltern und seine beiden jüngeren Geschwister wurden im März 1942 ins
Warschauer Ghetto deportiert und schließlich von den
Nationalsozialisten ermordet. Bis 1945 diente Stern freiwillig in der
US-amerikanischen Armee und schloss sich dort der Spezialeinheit der
»Ritchie Boys« an, einer überwiegend aus Emigranten gebildeten
Einheit des Militärnachrichtendienstes, die deutsche Kriegsgefangene verhörte.

Nach dem Krieg studierte Stern in den USA Romanistik und
Germanistik und lehrte als Professor an verschiedenen Universitäten in Deutschland und Amerika. Er veröffentlichte Bücher und Sammelwerke, insbesondere zur Exilforschung. Seit seiner Emeritierung 2002 war er Direktor des Instituts für Altruismusforschung am Holocaust-Museum in Detroit.

Ausgezeichneter Wissenschaftler

Stern war Mitbegründer der Lessing Society, Vize-Präsident der Kurt Weill Foundation for Music und Präsident des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Der Wissenschaftler erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, die Goethe-Medaille und die Ehrenbürgerschaft von Hildesheim. Er war mit der deutschen Schriftstellerin Susanna Piontek verheiratet und lebte im US-Bundesstaat Michigan.

Noch im hohen Alter hielt Stern Vorträge, oft vor jungen Menschen. 2019 sprach er im niedersächsischen Landtag. Der Holocaust-Überlebende hatte auch die Verbindung zu seiner Heimatstadt Hildesheim wieder neu aufgebaut. Regelmäßig habe er bei Vorträgen und Lesungen dort Einblicke in sein Leben gegeben. Zugleich sei er ein scharfer Kritiker rechtspopulistischer Bestrebungen gewesen. In einem dpa-Interview sagte er im Februar 2022, die Errungenschaften der Demokratie dürften nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. »Eine Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das jederzeit eingehen kann, wenn es nicht genügend gehegt wird«, so Stern. »Wir können derzeit gut beobachten, was sich weltweit abspielt in Ländern, in denen – oft demokratisch gewählt – »starke Männer« ihren Machtradius immer mehr erweitern und die Freiheiten ihres Volkes immer mehr einschränken.« dpa/epd/ja

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025

Frankfurt

Lust auf jüdisches Wissen

Die traditionsreiche Jeschurun-Religionsschule ist bereit für die Zukunft

von Eugen El  23.06.2025

Interview

»Jeder hilft jedem«

Eliya Kraus über schnelle Hilfe von »Zusammen Frankfurt« und mentale Unterstützung

von Katrin Richter  23.06.2025

Leipzig

Tausende Gäste bei Jüdischer Woche

Veranstalter waren die Stadt Leipzig in Kooperation mit dem Ariowitsch-Haus

 23.06.2025

Berlin

Eine Erfolgsgeschichte

Jubiläum: Die Jüdische Traditionsschule Berlin feiert 20-jähriges Bestehen – ein Blick zurück

von Detlef David Kauschke  23.06.2025

NRW

Fenster in die Gemeinden

Ein Marathon: Die Jüdischen Kulturtage Rhein-Ruhr bieten mehr als 80 Veranstaltungen in zehn Städten

von Helmut Kuhn  23.06.2025

Taglit

Zehn Tage, die bleiben

Vor 25 Jahren wurde die Organisation, die junge Leute nach Israel bringt, gegründet. In »Clärchens Ballhaus« wurde gefeiert

von Katrin Richter  22.06.2025

München

Vor dem Vergessen bewahren

Experten diskutierten die Frage, inwiefern die biografische Forschung neue Perspektiven auf jüdische Geschichte und Kultur eröffnet

von Luis Gruhler  21.06.2025