Radebeul

Gefangen im Weinberg

Lese: Relief in der Ausstellung des Hoflößnitzer Weinbaumuseum Foto: Volker Kreidler

Radebeul

Gefangen im Weinberg

Ausstellung über Zwangsarbeiter in sächsischen Winzereien

von Karin Schuld-Vogelsberg  09.08.2010 16:53 Uhr

Dicht stehen die Reben an den Elbhängen von Radebeul. Touristen kehren zur Weinprobe in malerisch gelegene Winzergüter ein. Was die Gäste nicht wissen: Ohne die Schufterei von Zwangsarbeitern während des Nationalsozialismus gäbe es heute vielleicht kaum noch sächsischen Wein.

Das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radbeul erinnert seit Ende Juli mit einer Gedenktafel und einer kleinen Ausstellung an die Arbeit der Gefangenen in den Weinbergen. Unterstützt wird die Dokumentation »Erinnerung und Verantwortung. Sächsischer Weinbau im Nationalsozialismus« von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung.

Unbekannt Mit der Zwangsarbeit im Weinbau greift Ausstellungsmacherin Bettina Giersberg ein bisher fast unbeachtetes Thema auf. »In den Chroniken über die 850-jährige sächsische Weinbaugeschichte werden die zwölf Jahre der NS-Diktatur meist übersprungen«, erklärt die Historikerin. Dabei traten die Nationalsozialisten als Förderer der heimischen Reben auf. Anfang des vorigen Jahrhunderts war der Weinanbau an der Elbe fast zum Erliegen gekommen. Die Reblaus hatte vernichtende Schäden angerichtet. Günstige ausländische Tropfen trösteten über den Verlust hinweg. Die Nazis jedoch wollten unabhängig von Importen sein. Sie deklarierten Wein zum Volksgetränk, nutzten Weinfeste für ihre »Blut-und-Boden«-Ideologie und förderten den Anbau reblausresistenter Trauben.

Mit dem Zweiten Weltkrieg sollte der »Freudenspender« Wein keineswegs versiegen. Da die Winzer Kriegsdienst leisten mussten, wurden Kriegsgefangene und ausländische Zivilisten zur Arbeit im Weinberg gezwungen. Wie viele es waren, ist unbekannt. Bettina Giersberg geht von mindestens einigen Hundert aus. Die Zwangsarbeiter kamen unter anderem aus der Sowjetunion und Frankreich, aus Polen und Belgien. Sie mussten schwere körperliche Arbeit leisten: Trockenmauern errichten, Reben pflanzen, die Lese besorgen. Arbeitsschutz und ärztliche Versorgung gab es nicht.

Gerechtigkeit Die Hoflößnitzer Ausstellung liefert Hintergrundinformationen und Zeitzeugnisse: Fotografien, Tagebücher, eine Treppenstufe, in die gefangene Soldaten der Roten Armee Inschriften ritzten. Ministerpräsident Stanislaw Tillich sprach anlässlich der Ausstellungseröffnung von einem »dunklen Schatten« auf Sachsens Weinbaugeschichte. Die Ausstellung sei ein Stück später Gerechtigkeit für die Zwangsarbeiter, so Tillich.

Gedenken

30 neue Stolpersteine für Magdeburg

Insgesamt gebe es in der Stadt bislang mehr als 830 Stolpersteine

 26.08.2025

München

Schalom, Chawerim!

Der Religionslehrer Asaf Grünwald legt Woche für Woche in Kurzvideos den aktuellen Tora-Text für die Gemeindemitglieder aus

von Luis Gruhler  26.08.2025

Frankfurt am Main

Jüdische Gemeinde ehrt Salomon Korn und Leo Latasch

Beide haben über Jahrzehnte hinweg das jüdische Leben in der Stadt geprägt

 26.08.2025

Neuanfang

Berliner Fußballverein entdeckt seine jüdischen Wurzeln neu

Im Berliner Stadtteil Wedding spielt ein unterklassiger Amateurverein, dessen Geschichte mit einigen der bedeutendsten jüdischen Vereine der Stadt verbunden ist. Der junge Vorstand des Vereins will die eigene Geschichte jetzt aufarbeiten

von Jonas Grimm  25.08.2025

Geburtstag

Renate Aris wird 90

Die Chemnitzer Zeitzeugin prägt seit Jahrzehnten das jüdische Leben der Stadt. Sie hat noch viel vor – eine Tour auf dem »Purple Path« zum Beispiel

von Anett Böttger  25.08.2025

Interview

Unikate und Exlibris

Seit fünf Jahren arbeitet Susanne Riexinger in der Münchner Gemeindebibliothek. Ein Gespräch über Katalogisierung, Provenienz und Geschichte in Büchern

von Luis Gruhler  24.08.2025

Porträt der Woche

Queer und hörbar

Gabriella Guilfoil ist Amerikanerin, Sängerin und suchte lange nach ihrer Gemeinde

von Till Schmidt  24.08.2025

Gastronomie

Feine Küche, große Last

Warum der israelische Sternekoch Gal Ben Moshe sein Restaurant »Prism« in Berlin aufgibt

von Alicia Rust  24.08.2025

Hessen

»Propalästinensische« Demonstranten attackieren jüdische Aktivisten

Bei den Angegriffenen handelt es sich um Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt

 23.08.2025