Rebbetzins

Für sie

Rebbetzins von heute: Noemi Berger, Katia Novominski und Mascha Radbil (von oben) Foto: pr, Montage: Marco Limberg

Rebbetzins

Für sie

Frauen von Rabbinern stehen fest an der Seite der Gemeinde – sollte ihre Aufgabe mehr anerkannt werden?

von Joshua Schultheis, Katrin Richter  18.08.2022 16:41 Uhr Aktualisiert

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Bildungsarbeit organisieren, Ferienfreizeiten planen, Ansprechpartnerin für die Gemeinde sein, zudem auch Mutter und Vorbild – eigentlich könnte der Tag einer Rebbetzin mehr als 24 Stunden haben und wäre wahrscheinlich auch dann bis auf die letzte Sekunde mit Aufgaben vollgepackt. Die Arbeit einer Rabbinerfrau ist vielfältig und stressig. Sie verlangt den Frauen eine Menge ab, und die Frauen geben viel.

Wie Noemi Berger. Sie ist seit 52 Jahren Rebbetzin – so lange ist sie schon mit ihrem Mann, Rabbiner Joel Berger, verheiratet. Noemi Berger sagt: »Ich sehe uns als Team.« Zusammen haben ihr Mann und sie unter anderem Gemeinden in Göteborg, Bremen und schließlich in Stuttgart betreut. Noemi Berger kommt aus einer Rabbinerfamilie und wusste daher, was sie erwartet: »Es war für mich selbstverständlich, dass ich, wenn ich einen Rabbiner heirate, ihn unterstütze.«

seelsorge Und so gab es praktisch nichts, bei dem sie in den vergangenen Jahrzehnten in den Gemeinden nicht mit angepackt hätte: von der Kinderbetreuung über die Programmgestaltung, vom Kochen und Einkaufen bis zur Seelsorge. Darüber hinaus unterstützt sie ihren Mann bei der Vorbereitung seiner Vorträge – und hält auch selbst welche. Die studierte Judaistin referiert häufig zu verschiedenen Themen, etwa zur Rolle der Frau im Judentum oder über die jüdischen Speisegesetze.

Katia Novominski ist Jahrgang 1985, Rebbetzin in Halle und studierte Pädagogin. Sie unterrichtet in der Gemeinde und in einem Religions-Pilotprojekt in Sachsen-Anhalt. »Ich falle vielleicht ein bisschen aus dem gewöhnlichen Bild einer Rebbetzin raus, weil ich eigentlich schon immer in der jüdischen Bildung aktiv war«, sagt Novominski, die auf mehr als 20 Jahre Gemeindeerfahrung zurückblickt und inzwischen Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden (BtJ) ist. »Das hat an sich nichts mit der Bezeichnung Rebbetzin zu tun. Das fügt sich gut zusammen, ist aber eine andere Aufgabe.«

»Die Leute sollen die Wärme spüren, damit sie Vertrauen fassen.«

Noemi Berger

Mascha Radbil ist 36 Jahre alt und seit 2009 Rebbetzin. »Eine Rebbetzin zu sein, das ist nicht einfach ein Titel. Wir sind neben vielen anderen Aufgaben zuständig für die Mikwe, sind für die Kinder- und Jugendarbeit verantwortlich. Wir sind auch für ältere Menschen da, machen Seelsorge und haben für jeden, egal welchen Alters, ein offenes Ohr.«

ausbildung Drei Frauen, zwei Generationen. Anfang des Monats kündigte die orthodox ausgerichtete Europäische Rabbinerkonferenz (CER) an, eine Ausbildung für Rebbetzins zu starten. Rabbiner-Ehefrauen sollten mehr Anerkennung für ihre Arbeit erhalten und sich professionell fortbilden können, heißt es. CER-Generalsekretär Gady Gronich denkt zudem über eine Entlohnung nach. »Es ist doch verrückt, dass die Frau des Rabbiners von niemandem entlohnt wird, obwohl sie den Menschen in der Gemeinde in vielen persönlichen oder familiären Fragen hilft, Unterricht gibt oder sich um zwischenmenschliche Angelegenheiten kümmert«, sagte Gronich der Jüdischen Allgemeinen.

Und wie sehen die Rebbetzins das selbst? Noemi Berger hat dazu eine klare Haltung: »Ich habe meine Aufgaben immer ehrenamtlich ausgeübt und hätte dafür kein Gehalt gewollt.« Allerdings falle ihre Rente heute sehr gering aus, so die Rebbetzin.

»Rebbetzin ist man 24 Stunden am Tag und länger.«

Mascha Radbil

Für eine zukünftige Lösung des Problems hätte sie einen Vorschlag: »Die Gemeinden könnten sich überlegen, einen Fonds einzurichten, der den Rebbetzins für ihren Ruhestand zur Verfügung gestellt wird.«

Katia Novominski weiß, dass ihre Arbeit in der Jüdischen Gemeinde Halle »nicht als Selbstverständlichkeit« angesehen wird. »Ich erfahre sehr viel Anerkennung, und wenn ich etwas mache, dann wird das entsprechend honoriert. Das ist aber sehr selten der Fall.« Im Gegensatz zu einem Rabbiner sei die Rebbetzin in der Regel nicht angestellt, sagt Novominski.

erwartungshaltung Oft sei es ein Ehrenamt und die Erwartungshaltung sehr hoch. Darüber müsse man sprechen. »Der Rabbiner bringt eine Rebbetzin mit, sie soll sich um die Jugendarbeit kümmern oder andere Aufgabe in der Gemeinde übernehmen, unabhängig davon, ob sie für diese Arbeit qualifiziert ist oder ob sie ihr überhaupt liegt.« Was aber sei, wenn eine Rebbetzin zum Beispiel Informatik studiert hat? Wie soll sie ein Summer-Camp leiten?

»Rebbetzin ist man 24 Stunden am Tag und länger. Man geht nicht nach Hause wie in einem Job«, sagt Mascha Radbil. Für sie steht fest: »Wir machen unsere Aufgaben nicht, um sie bezahlt zu bekommen, sondern wir tun sie von ganzem Herzen. Wir wollen die Gemeinde unterstützen.«

Radbil lebt mit ihrem Mann, Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil, in Konstanz. Das Paar hat vier Kinder. Die ausgebildete Grafik-Designerin ist in Bochum zur Schule gegangen, kam dann nach Berlin und besuchte die Lauder-Schule. 2008 hat sie ihren Mann geheiratet. An ihrer Aufgabe als Rebbetzin sei sie im Laufe der Jahre gewachsen. »Als Rebbetzin hat man einen bestimmten Status, den man auch in der Öffentlichkeit vertreten muss – sowohl für die Jugendlichen als auch für die Älteren«, sagt die gebürtige St. Petersburgerin.

Die beiden Mittdreißigerinnen Radbil und Novominski blicken sehr realistisch auf ihre Aufgabe als Rebbetzins. »Die Gemeindevorstände haben die Vorstellung, dass sie, wenn sie einen Rabbiner anstellen, ein Gesamtpaket bekommen. Die Frau hat sich dementsprechend zu verhalten, die Kinder sollen sich in der Synagoge vorbildlich benehmen – das ist auch absolut okay. Denn wenn man einen Rabbiner heiratet und Rebbetzin wird, weiß man, dass man eine Vorbildfunktion einnimmt. Das gehört nun einmal dazu.«

Selbstverständlichkeit »Die Diskussion, die jetzt aufkommt, wenn es um die Frage geht, welche Aufgaben eine Rebbetzin zu übernehmen hat und welche nicht, die findet bei älteren Rebbetzins nicht in diesem Umfang statt«, sagt Novominski. »Bei ihnen ist das eine Selbstverständlichkeit. Sie haben weniger Verlangen nach Credits oder Anerkennung. Sie sind entspannter in dieser Frage.«

Das kann Noemi Berger unterstreichen. Denn zu wenig Wertschätzung für ihre Arbeit hat sie nicht erfahren. Im Gegenteil: »Man kann sich an der Seite seines Mannes sehr gut selbst verwirklichen«, sagt Rebbetzin Berger, die für ihr Engagement unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Auch nachdem ihr Ehemann 2002 als Landesrabbiner von Württemberg in Rente ging, habe sie nicht aufgehört, Rebbetzin zu sein. »Die Tür steht immer offen für Menschen, die meine Unterstützung brauchen.«

»Ich erfahre sehr viel Anerkennung in der Gemeinde.«

Katia Novominski

Für junge Rebbetzins hat die erfahrene Rabbiner-Ehefrau einige Tipps parat. Um gute Gemeindearbeit zu machen, sei besonders die Haltung entscheidend, meint sie. »Die Leute sollen die Wärme spüren, damit sie Vertrauen fassen.«

Eine Rabbinerfrau müsse tolerant gegenüber allen Gemeindemitgliedern sein, egal wie religiös sie sind, und sich außerdem nicht nur religiös, sondern auch weltlich bilden. »Die Menschen wollen mit der Rebbetzin über alles Mögliche sprechen, auch über Astronomie oder Geschichte.« Am wichtigsten ist aber vor allem eins: »Man muss ein Mensch sein.«

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