Juden in der Politik – CSU

Für Kruzifix und Brit Mila

»Als Jude im Rathaus«: Marian Offman Foto: Christian Rudnik

Marian Offman war abgetaucht. »Zehn Tage habe ich mir gegönnt.« Er war in Kroatien und dort tatsächlich zum Tauchen. »Eigentlich habe ich die letzten sechs Jahre Wahlkampf gemacht«, sagt er. Das kostet Kraft. Offman sitzt in seinem hellen Büro, wirkt ein bisschen müde, aber auch entspannt. Draußen stehen schöne Villen um schöne Plätze, nicht weit entfernt liegt die Oktoberfestwiese.

grosses »C« München, das ist seine Stadt. Hier wurde Marian Offman vor 65 Jahren geboren, hier hat er studiert, betreibt eine Hausverwaltung, hat zwei längst erwachsene Kinder, ist im Vorstand der IKG, führt als Moderator durch die Sendung »Jüdisches Leben« auf Sat1. In München sitzt er als Stadtrat im Rathaus, »mindestens ein Halbtagsjob« und ehrenamtlich. Er sitzt dort für die CSU.

Ist eine christliche Partei wirklich das Richtige für Juden? Offman sagt eine Nachdenkminute lang nichts, nimmt sich eine dramatische Pause. Dann: »Ich glaube, dass ein Jude die CSU wählen sollte.« Es gehe dabei ja nicht um die christliche Kirche, es gehe um das Christentum und dessen Werte, die auch die Werte des Judentums seien.

»Das Christliche hat sich aus dem Jüdischen entwickelt.« Im Christentum wie im Judentum stehe beispielsweise die Familie im Mittelpunkt. »Deshalb sind der CSU die Belange der Familie auch so wichtig.« Also kümmere sich seine Partei um ausreichend viele Kinderkrippenplätze, darum, dass Arbeit und Familie vereinbar sind, um das also, was alle wollen, jetzt auch die CSU.

Wertekanon »Die CSU ist die Partei, die den Wertekanon des Judentums im Besonderen vertritt«, betont Marian Offman noch einmal, und dass die CSU das Beschneidungsgesetz maßgeblich unterstützt habe, »auch aus eigenem Interesse«. Denn werde die Beschneidung verboten, dann käme als Nächstes das Verbot, in den Schulzimmern Kreuze aufzuhängen.

Offman erzählt, dass er vor einigen Jahren an einer Demonstration teilgenommen habe, eben gegen das Kruzifixverbot. »Das haben damals in der Gemeinde nicht alle akzeptiert.« So etwas registriert er und geht den eingeschlagenen Weg weiter, weil ihm ein paar Dinge, wie eben der Schutz der monotheistischen Religionen, sehr wichtig sind, nicht diskutabel bis unantastbar.

»Wenn ich mich für etwas besonders engagiere, dann geht es mir zumeist um unsere Grundrechte, denn ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir Juden und Jüdinnen nur dort in Frieden leben können, wo diese demokratischen Grundrechte auch verwirklicht werden.«

Bürgernähe Marian Offman ist ein Politiker, der auf die Straße geht. Zum Beispiel gegen eine Partei, die sich »Die Freiheit« nennt und die gegen den Islam wettert, an Ständen in der Stadt mit populistischen Parolen Stimmen sammelt. »Wenn es möglich ist, ein Bürgerbegehren gegen den Islam durchzusetzen, dann kommt als Nächstes ein Bürgerbegehren gegen das Judentum.« Also erscheint er an diesen Ständen und wird von Michael Stürzenberger, dem Frontmann der »Freiheit«, laut und vernehmlich mit den Worten »der Jude Offman ist wieder da« empfangen. »Das ist nicht angenehm.«

Die CSU hält er für die Partei, die für den Einzelnen größte Entfaltungsmöglichkeiten biete, eine Partei für »Individualisten«, also auch für ihn. »Und da scheut man sich überhaupt nicht, mich um Rat zu fragen, sobald es auch nur im Entferntesten um Israel oder Jüdischkeit geht.«

Überhaupt Israel. Er habe noch keinen Politiker so klar und deutlich aussprechen hören, dass das Existenzrecht Israels »unverhandelbar« sei, wie das Frau Merkel getan habe, »und das ist auch ganz klar die Position der CSU«. Als noch keiner gewagt habe, über Waffenexporte nach Israel auch nur zu sprechen, da sei Franz Josef Strauß längst tätig geworden.

brückenbauer Marian Offman genießt es, in der Lage und Position zu sein, Brücken zwischen nichtjüdischen und jüdischen Menschen zu bauen. »Allein die Tatsache, dass ich mich für Belange einsetze, die allen zugutekommen sollen, und dabei viele wissen, dass ich Jude bin, kann einiges bewirken.« Und dass er Jude ist, damit halte er kaum hinter dem Berg.

Auf Marian Offman übt es immer einen Reiz aus, als »David gegen Goliath zu kämpfen«. Zum Beispiel nahm er es vor ein paar Jahren mit den Stadtwerken München auf, monierte mit einiger Beharrlichkeit deren überhöhte Energiekosten und sonstige Schlampereien. Er galt damit als der »Stadtwerke-Kritiker« der Kommunalpolitik, schaffte es damit sogar auf eine Karikatur in der Süddeutschen Zeitung. »Wenn das nichts ist«, sagt er und schiebt stolz und vorsichtig den Rahmen an der Wand, in dem die Zeichnung von damals steckt, ein paar Millimeter nach rechts oben. Gerade.

Ja, er fühle Genugtuung, wenn er »als Jude ins Rathaus gehe«, sagen könne, »nun seht, wir sind wieder da und machen mit«. Wenn über ihn in der Presse berichtet werde, vielleicht, weil es um Jüdisches gehe oder um Israel, dann heiße es schon mal, »der Jude Marian Offman« habe dies und das gesagt. Er kann das ein Stück weit verstehen, nachvollziehen. Trotzdem. Christlich? Jüdisch? »Wenn diese Unterscheidung in den Medien nicht mehr aufscheint, sind wir an dem Punkt angelangt, den wir anstreben sollten.«

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025