Interview

Fünf Minuten mit …

Rief vor 27 Jahren die jüdischen Kulturtage ins Leben: Ruth Snopkowski Foto: Rozsika Farkas

Frau Snopkowski, vom 15. bis 25. November finden die Jüdischen Kulturtage in München zum 28. Mal statt. Das hört sich nach einer Erfolgsgeschichte an.
Ja, ich freue mich, dass wir diese Veranstaltungsreihe bis heute durchführen können. Als ich sie 1987 konzipierte, waren jüdische Kulturveranstaltungen noch nicht gang und gäbe in diesem Land. Man lebte bis dahin – kulturell betrachtet – in einem selbst gewählten Ghetto und wagte sich nur ganz sachte an die Öffentlichkeit. Auf der deutschen nichtjüdischen Seite herrschte noch eine gewisse Schwellenangst. Und die junge Generation wusste Ende der 80er-Jahre überhaupt nichts über das Judentum.

Sie bieten ein breit gefächertes Programm mit Theater, Vorträgen, Diskussionen und Musik an, das sich nicht einem bestimmten Motto verpflichtet. Welches Publikum möchten Sie damit ansprechen?
Ein Motto finde ich immer etwas eingleisig. Es ist leider immer noch ein – zwar erfreulich großer, aber doch immer nur bestimmter – Kreis, und der möchte möglichst Vielfältiges geboten bekommen. Uns lag immer auch daran, zu zeigen, dass es eigentlich mehrere jüdische Kulturen gibt und dass sie auch immer von dem Land geprägt wurden, in dem Juden lebten.

Spielstätte ist der Gasteig, ein prominenter Ort für Kulturveranstaltungen. Wie gut ist die Zusammenarbeit mit der Stadt?
Mir war wichtig, dass wir solche Kulturtage im öffentlichen Raum veranstalten, und in diesem Fall glücklicherweise im städtischen Kulturzentrum Gasteig, dessen Eröffnung mit dem Start der Kulturtage zeitlich zusammenfiel. Außerdem hätte die Gemeinde damals gar nicht die richtigen Räume gehabt. Seitdem arbeiten wir mit der Stadt München zusammen, die uns dort die Möglichkeit zu Aufführungen gibt, uns finanziell unterstützt und bei der Werbung hilft. Ich hoffe, dass diese Kulturtage noch viele Jahre stattfinden werden.

Können Sie Ihre Ausgaben einspielen?

Durch unsere Veranstaltungen nehmen wir Geld ein. Wir erhalten aber auch staatliche Subventionen von der bayerischen Regierung. Ich bin immer dafür, dass der wesentlichere Teil des Budgets eines gemeinnützigen Vereins der Realisierung der Vereinsziele zugutekommt und nicht die Büro- oder Personalkosten decken sollte.

Während der Kulturtage findet die Verleihung des Simon-Snopkowski-Preises für Toleranz statt. Sind die Kulturtage ein Bindeglied zwischen Juden und Nichtjuden?
Mit dem Simon-Snopkowski-Preis möchten wir besonders junge Leute für ihre Forschungsarbeiten belohnen und animieren, sich weiterhin mit der gemeinsamen Geschichte von Juden und Nichtjuden vor dem Holocaust auseinanderzusetzen. Was davor war, dass jahrhundertelang Juden in Bayern, in Deutschland gelebt haben, ist noch nicht genug aufgearbeitet. Der Preis soll die jungen Forscher auch anregen, das politische Bewusstsein und die Sensibilität gegenüber Rechtsextremismus zu stärken. Der Preis ist kein dezidierter Schülerpreis, aber es melden sich immer sehr viele Schulen. Wir haben auch in diesem Jahr wieder fantastische Bewerbungen und werden die Preisträger am 18. November prämieren.

Und wie sieht es mit dem Preisgeld aus?
Der Snopkowski-Preis wird seit 2006 in Kooperation mit dem Bayerischen Bildungs-, Kultus-, Wissenschafts- und Kunstministerium sowie der bayerischen Staatskanzlei verliehen. Er ist nicht sehr hoch dotiert. Die Schulen betonen immer wieder, ihnen sei die Anerkennung, die sie von einem jüdischen Verein bekommen, wichtig. Wir waren die erste jüdische Organisation in Bayern, die sich gesagt hat: Wir wollen nicht immer mit dem erhobenen Finger mahnen. Wir möchten den jungen engagierten Leuten auch einmal auf die Schulter klopfen. Und gerade, wenn wir die Jugend loben, lohnt sich das sicher.

Mit der Organisatorin der Kulturtage sprach Heide Sobotka.

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Keiner hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025