Interview

Fünf Minuten mit …

Herr Sperling, am Samstag haben 10.000 Menschen in Dortmund gegen den Aufmarsch zum sogenannten Antikriegstag der Neonazis demonstriert. Beruhigt Sie das?
Es gibt in der Dortmunder Gesellschaft einen lauten Aufschrei gegen den Neonazi-Aufmarsch, und das ist gut so. Ärgerlich ist aber, dass das bestehende Problem oft verharmlost wird: Politik und Medien betonen gerne, dass zu diesen Demonstrationen vor allem Rechte von außerhalb kämen und Dortmund nur wegen seiner verkehrsgünstigen Lage zum Schauplatz machten. Zahlenmäßig mag das stimmen, aber die rechten Organisatoren und Rädelsführer sind tatsächlich hier in Dortmund ansässig. Es gibt einen harten Kern von etwa 60 bis 70 organisierten Neonazis, die radikal, verfassungsfeindlich und gefährlich sind.

Wie zeigt sich das?
Seit Jahren gibt es viele rechtsradikale Aktivitäten und auch Angriffe auf Andersdenkende. Den Neonazis, die sich als autonome Nationalisten gebärden, wird hier zu viel Raum geboten. Man darf sie nicht einfach als eine Art radikale Jugendbewegung abtun.

Auch Regierungspräsident Gerd Bollermann hat an der Demonstration teilgenommen. Ist das ein Signal, dass die Politik sozusagen selbst Gesicht zeigt?
Die Dortmunder Politik positioniert sich öffentlich gegen die Rechtsradikalen, was ein sehr wichtiges Zeichen ist. Und das gilt über verschiedene politische Organisationen, eigentlich das gesamte demokratische Spektrum hinweg. Dennoch ist es alarmierend, dass sich die Neonazis in ihren Stadtteilen relativ unbehelligt breitmachen können. Es fehlt der Druck auf sie. Hier wird zu wenig direkt gegen diese radikalen Gruppen getan, vor allem von Justiz und Polizei.

Was können Justiz und Polizei unternehmen?
Man dürfte die Akteure gar nicht erst denken lassen, dass sie die Freiheit hätten, sich hier in Dortmund zu entfalten. Schon kleinste Ordnungswidrigkeiten und Vergehen müssten bei ihnen im Alltag knallhart verfolgt werden. Leider lässt man ihnen zu viel durchgehen. Auch die Demonstrationen will man zwar seit Jahren verbieten, das ist aber nie gelungen. Es war manchmal möglich, sie aus Sicherheitsgründen auf einen festen Ort zu begrenzen. In diesem Jahr hat die Polizei aber dafür gesorgt, dass die Rechten beinahe komplett die geplante Route laufen konnten. Es ist dann zu gewalttätigen Zusammenstößen mit Linksradikalen gekommen, die das verhindern wollten. Da frage ich mich, inwiefern das notwendig war.

Was unternehmen Sie als Gemeinde gegen Rechts?
Wir beteiligen uns vor allem aufklärend bei Informations- und Integrationsveranstaltungen, schulischen Aktionen, Holocaust-Gedenktagen, im interreligiösen Dialog, also an der Basis. Wir wollen verhindern, dass sich rechtsradikales Gedankengut in der Gesellschaft überhaupt ausbreitet. Außerdem machen wir uns öffentlich bemerkbar, indem wir uns an den entscheidenden Stellen in den politischen Diskurs einmischen.

Fühlen Sie sich als jüdische Gemeinschaft genügend geschützt?
Wir erfahren bisher keine Drohungen und auch keine direkte Gefährdung. Die Art und Weise, wie Rechte schon mehrfach das lokale Gedenken am 9. November am Mahnmal an der ehemaligen Synagoge in Dorstfeld störten, hat uns jedoch sehr erschreckt. In diesen Fällen hat die Polizei sofort eingegriffen. Aber es ist beunruhigend für uns, dass sich die Rechtsradikalen überhaupt so frei fühlen können, dass sie es immer wieder versuchen.

Mit dem Geschäftsführer der Großgemeinde Dortmund sprach Heide Sobotka.

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025