Berlin

Fünf Minuten…

Landschaftsarchitekt Joachim Jacobs: »Ein Schwerpunkt der Tagung wird die Bedeutung des Friedhofes Weißensee im internationalen Kontext sein.« Foto: Gregor Zielke

Der Friedhof Weißensee steht im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz, die vom 3. bis 6. April in Berlin stattfindet. Worum geht es bei der Fachtagung?
Experten aus mehreren europäischen Ländern und der Bundesrepublik werden sich dabei über jüdische Friedhöfe und Bestattungskultur in Europa austauschen. Ein Schwerpunkt wird bei der vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, dem Centrum Judaicum und dem Landesdenkmalamt Berlin veranstalteten Tagung die Bedeutung des Friedhofes Weißensee im internationalen Kontext sein.

Auf Anregung der Jüdischen Gemeinde beschlossen Senat und Abgeordnetenhaus 2006 den Friedhof auf die Nominierungsliste des Unesco-Weltkulturerbes zu setzen. Wie ist der Stand der Dinge?
Die Tagung soll die Chancen und Möglichkeiten für den Friedhof Weißensee ausloten. Aber es ist ein längerer Prozess. Der Friedhof Weißensee soll im kommenden Jahr vom Land Berlin für die Vorschlagsliste für Welterbenominierungen bei der Deutschen Kultusminister-Konferenz angemeldet werden. Deren Entscheidung für die Prioritäten wird für das Jahr 2013 erwartet. Der 1880 angelegten Begräbnisstätte kommt zweifellos eine überregionale Bedeutung zu, es ist einer der größten jüdischen Friedhöfe Europas. Doch gibt es bei der Unesco einen Überhang an Anträgen europäischer Projekte, so dass man dort derzeit eher geneigt sein wird, asiatischen oder afrikanischen Welterbestätten den Vorzug zu geben.

Gelingt es, mit dieser Initiative auch die hohen Kosten zu decken, die für den Erhalt des Friedhofs Weißensee anfallen?
Wenn dieses Objekt noch mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerückt wird, sind solche Finanzierungsfragen sicher leichter zu lösen. Aber man muss anerkennen, dass sich Bund und Land bereits sehr stark für den Friedhof engagieren. Ich darf als Landschaftsarchitekt zum Beispiel die Restaurierung der Einfriedungsmauer und dazugehöriger Wandgrabmale begleiten, für die zwei Millionen Euro öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

Senat, Gemeinde und Centrum Judaicum haben 2007 ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Erfassung und Bewertung der über 110.000 Grabmäler gestartet. Wie weit ist dieses Projekt?
Darüber werden wir im Einzelnen auf der Fachtagung informiert. Es gibt bereits Musterbilder und Erfassungskataloge. Ich bin gespannt auf die ersten Ergebnisse dieses mit der Technischen Universität Berlin durchgeführten Vorhabens.

Das Bild der jüdischen Friedhöfe hat sich hierzulande gewandelt. Welchen Einfluss hat die von Zuwanderern mitgebrachte Bestattungskultur?
Es gibt Besonderheiten der russischen Bestattungskultur. Auch dieses Thema werden wir auf der Fachtagung besprechen. Zum Beispiel befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof St. Petersburg auf jedem Grabstein ein Foto des oder der Verstorbenen. Eine andere Sitte, die man beobachten kann, sind Kerzen auf den Grabstätten. Dies ist auf unseren Friedhöfen nicht üblich, die Friedhofsverwaltungen machen auch Vorgaben, so dass zum Beispiel Abbildungen von Verstorbenen nicht erlaubt sind. Aber es wird sich zeigen, wie sich Traditionen der russischsprachigen Zuwanderer auch bei uns etablieren. Jüdische Friedhöfe sind traditionell stets sehr schlicht gestaltet. Aber im 18. und 19. Jahrhundert – und das geschah unter dem Einfluss der christlichen Umgebungskultur – wurden jüdische Begräbnisstätten in Deutschland auch mit gepflegten Wegen und Beeten und teils prunkvollen Grabmalen gestaltet. Der Friedhof Weißensee ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

Mit dem Landschaftsarchitekten sprach Detlef David Kauschke.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025