Bamberg

Frau Doktor ist Rabbinerin

Die Israelitische Kultusgemeinde Bamberg wartet mit Superlativen auf: Mit ihrer 1.000-jährigen Tradition und 900 Mitgliedern ist sie die größte jüdische Gemeinde in Oberfranken und nun hat sie auch noch die erste fränkische Rabbinerin. Die gebürtige Nürnbergerin Antje Yael Deusel ist obendrein die erste deutschstämmige Rabbinerin nach dem Holocaust, die in Deutschland ausgebildet wurde. Diese »Top-Liste« hatte Heinrich Chaim Olmer, Vorsitzender der Gemeinde Bamberg, parat. »Es steht dem Weltkulturerbe Bamberg gut, wieder eine offene jüdische Gemeinde zu haben«, meinte er zudem.

Die offizielle Amtseinführung von Rabbinerin Deusel am 11. Juli in der Synagoge an der Willy-Lessing-Straße war ein Treffen illustrer Persönlichkeiten. Und ein Beleg dafür, dass das Verhältnis zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in der Stadt außerordentlich gut ist. Den engen Schulterschluss mit der Israelitischen Kultusgemeinde dokumentierten christliche und muslimische Vertreter wie Alterzbischof Karl Braun, der evangelisch-lutherische Dekan Otfried Sperl oder der Vorsitzende des türkisch-islamischen Kulturvereins, Mehmet Cetindere.

freude »Der respektvolle Umgang miteinander und der von Verständnis und Toleranz geprägte Dialog sind ein Aushängeschild unserer Stadt«, betonte denn auch Oberbürgermeister Andreas Starke in seinem Grußwort. Für ihn war die Einführung von Rabbinerin Deusel »ein Freudentag für die gesamte Stadt«.

Henry G. Brandt, Vorstandsmitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, gratulierte der jüdischen Gemeinde zu der »gestandenen Kollegin Deusel«. Es spreche für Weitsicht, eine »rabbinische Führung zu haben: Es braucht eine fortwährende spirituelle Begleitung«. Für manche sei eine Frau als Rabbinerin und ausgebildete Mohelet wohl »starker Tobak«. Brandt sagte Deusel einen Weg vorher, »der nicht mit Rosen bestreut ist«. Er wünschte daher vor allem »Gottes Segen für deine Arbeit«.

Josef Schuster, Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, brachte das neue Buch von Rabbinerin und Urologin Deusel ins Spiel: Mein Bund, den ihr bewahren sollt – Religionsgesetzliche und medizinische Aspekte der Beschneidung. Dieses Buch sei eine »wertvolle Hilfe in der aktuell aufgeflammten Debatte um die Beschneidung«, betonte Schuster. Nach dem Kölner Urteil, das grundsätzlich die religiöse Beschneidung von Kleinkindern als strafbare Körperverletzung brandmarke, seien die Juden in Deutschland »tief verunsichert«.

Schuster wies darauf hin, dass »die grundlegende Mizwa der Beschneidung des Knaben am achten Tag für das Judentum unabdingbar und nicht verhandelbar« sei. Der Gesetzgeber müsse schnell handeln, wenn für die Richter am Kölner Landgericht das Verfassungsrecht auf freie Religionsausübung und das Recht der Eltern auf Erziehung einen minderen Wert habe. Das Urteil »hat keine Rechtsbindung für das Bundesgebiet außerhalb des Kölner Gerichtsbezirks«, sagte Schuster. Wenn doch, wäre »auf Dauer jüdisches Leben in Deutschland nicht mehr möglich«.

Rolle In seinem Festvortrag ging Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs Potsdam, auf das Rollenbild des modernen Rabbiners ein. Dabei hob Homolka besonders die Frauen hervor, die eine wichtige Bedeutung im Rabbinat hätten. Er freue sich daher »über jede Frau im Amt, die uns bereichert«. Rabbiner haben nach den Worten von Homolka Aufgaben als Gesetzesausleger, Richter und Lehrer. »Der Rabbiner steht in der Gemeinde, nicht über ihr«, bilanzierte Homolka.

Die religiöse Zeremonie der Amtseinführung leitete der niedersächsische Landesrabbiner Jonah Sievers. Nach dem Öffnen des Toraschreines sprach er das Gebet: »Gebe ihr ein weises Herz, mit Stärke jeder Herausforderung zu begegnen.« Sievers überreichte Rabbinerin Deusel die Tora mit den Worten: »Sei stark und fest, denn mit dir ist der Ewige.« Die Rabbinerin entgegnete: »(…) dass ich deine Lehre niemals entwürdige, erhalte mich mit deiner Weisung«.

Ethik »Nun fängt die Arbeit an«, betonte Deusel in ihren Schlussgedanken und begann mit einer ersten Auslegung, in der sie der Festversammlung eine Lektion im ethischen Handeln und Verhalten erteilte. »Religionsvermittlung einschließlich Spiel und Spaß für jedes Alter« habe sie sich in ihrem Amt vorgenommen, sagte Deusel.

Dass dabei die Freude nicht zu kurz kommen muss, zeigte das junge Gemeindemitglied Julian Becker, der an der Harfe den Festakt musikalisch begleitete. Unterstützung erhielt er von der Bamberger Professorin für Judaistik, Susanne Talabardon, die mit ihm eine Vivaldi-Fuge für zwei Violinen darbot.

Jom Haschoa

Geboren im Versteck

Bei der Gedenkstunde in der Münchner Synagoge »Ohel Jakob« berichtete der Holocaust-Überlebende Roman Haller von Flucht und Verfolgung

von Luis Gruhler  05.05.2025

Berlin/Potsdam

Anderthalb Challot in Apartment 10b

In Berlin und Potsdam beginnt am 6. Mai das Jüdische Filmfestival. Die Auswahl ist in diesem Jahr besonders gut gelungen

von Katrin Richter  05.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  04.05.2025 Aktualisiert

Nachruf

»Hej då, lieber Walter Frankenstein«

Der Berliner Zeitzeuge und Hertha-Fan starb im Alter von 100 Jahren in seiner Wahlheimat Stockholm

von Chris Meyer  04.05.2025

Essay

Das höchste Ziel

Was heißt es eigentlich, ein Mensch zu sein? Was, einer zu bleiben? Überlegungen zu einem Begriff, der das jüdische Denken in besonderer Weise prägt

von Barbara Bišický-Ehrlich  04.05.2025

Zusammenhalt

Kraft der Gemeinschaft

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern feierte das Fest der Freiheit im Geiste von Tradition und Herzlichkeit

von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman  03.05.2025

Porträt der Woche

Die Zeitzeugin

Assia Gorban überlebte die Schoa und berichtet heute an Schulen von ihrem Schicksal

von Christine Schmitt  03.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025