Musik

Festakt im Historischen Rathaus

Die Socken von Guy Mintus sind ein Hingucker. Der 31-jährige Klaviervirtuose aus Israel hatte sich an diesem besonderen Tag für ein Paar mit Kirschmuster entschieden, dazu trug er einen mintgrünen Anzug. Seine Kleiderwahl stach ins Auge, und das ganz absichtsvoll. Mintus verkörperte damit das Motto des Tages: Here we are!

Gleich zwei Jubiläen wurden am 14. Mai in Landsberg am Lech gefeiert: 75 Jahre Befreiungskonzert des jüdischen DP-Orchesters und 75 Jahre Ausrufung des Staates Israel. Zu diesem Anlass hatten die Stadt Landsberg und der Verein »Liberation Concert« zu einem Festakt in den Festsaal des Historischen Rathauses eingeladen. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl begrüßte die Anwesenden an diesem Tag.

staatsgründung Eigene Erinnerungen an die Staatsgründung brachte zunächst die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, zu der auch Landsberg gehört, in die Veranstaltung ein. Sie habe Ben Gurions Rede im Mai 1948 in München im Radio verfolgt, erzählte Charlotte Knobloch, »und natürlich war ich mit dabei, als wir alle nach der Übertragung gemeinsam auf der Straße tanzten«. Allen sei klar gewesen, dass sie Zeuge eines historischen Augenblicks geworden waren. Der neue Staat Israel war, wie kurz zuvor bereits das Landsberger Konzert, ein Zeichen »des Aufbruchs und der erneuerten, selbstbestimmten Freiheit«.

Im Anschluss an den Festakt wurde das DP-Orchester mit einem Jubiläumskonzert im Landsberger Stadttheater gewürdigt.

Auch Carmela Shamir, Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, betonte, die Musiker des kurz nach Kriegsende in einer ehemaligen Kaserne gebildeten provisorischen Orchesters hatten mit der Sprache der Musik ihren unbändigen Willen zum Weiterleben zum Ausdruck gebracht. Trotz der widrigen Umstände, »der Entwurzelung, der Heimatlosigkeit und des Schmerzes, so viele Angehörige verloren zu haben, waren diese Überlebenden voller Hoffnung und Zukunftsoptimismus«.

lebenswille Als nur vier Tage vor der Staatsgründung Israels im Mai 1948 der weltberühmte Dirigent Leonard Bernstein zu Besuch kam und mit dem Orchester Konzerte in mehreren DP-Lagern gab, war das nur ein weiterer sichtbarer Ausdruck dieses großen Lebenswillens. Dass Stadt und Förderverein heute an die musikalische Tradition von damals anknüpften, sei deshalb ein »wunderbares Zeichen«, wie Charlotte Knobloch weiter ausführte: »Den Aufbruch von damals müssen wir im Kopf – und eben auch im Ohr – behalten, damit wir den Herausforderungen unserer eigenen Zeit gerecht werden können.«

Im Anschluss an den Festakt wurde das DP-Orchester mit einem Jubiläumskonzert im Landsberger Stadttheater gewürdigt. Das breite Programm, das Werke unter anderem von Bizet und Brahms ebenso wie hebräische und jiddische Lieder umfasste, kulminierte in einem Stück, das bereits vor 75 Jahren die Zuhörer in den Bann gezogen hatte: der Rhapsody in Blue von George Gershwin. Die meisterhafte, ausdrucksstarke Interpretation von Ehrengast Guy Mintus bedachte das Publikum mit minutenlangen stehenden Ovationen.

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Spremberg

Gegen rechtsextreme Gesinnung - Bürgermeisterin bekommt Preis

Rechtsextreme sprechen im ostdeutschen Spremberg vor Schulen Jugendliche an. Die Schüler schütten ihrer Bürgermeisterin ihr Herz aus - und diese macht das Problem öffentlich. Für ihren Mut bekommt sie jetzt einen Preis

von Nina Schmedding  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025