JSUD

»Es geht um Solidarität«

JSUD Aktion in Halle zum Jahrestags des Anschlags auf die Synagoge Foto: Thyra Veyder-Malberg

Frau Luft, bei dem Anschlag vom 9. Oktober 2019 wurde auch ein Döner-Imbiss zum Tatort. Dort ermordete der Attentäter einen Gast, nachdem sein Plan gescheitert war, in die Synagoge einzudringen und dort möglichst viele Juden zu töten. Anfang September rief die Jüdische Studierendenunion (JSUD) eine Spendenak-tion für den Kiez-Döner in Halle ins Leben. Einen Monat später konnten Sie knapp 30.000 Euro an den Besitzer Ismet Tekin übergeben. Wie kam diese Spendenaktion zustande?
Die Idee kam von Christina Feist, eine der Überlebenden des Halle-Attentats. Sie steht in engerem Kontakt mit Ismet Tekin und seinem Bruder Rifat. Sie fragte uns, ob die JSUD eine Solidaritätskampagne machen könnte, weil das für eine Einzelperson sehr schwer ist. Wir haben das an den Vorstand weitergegeben, und dann haben wir die Solidaritätskampagne und das Fundraising ins Leben gerufen.

Warum war eine solche Fundraising-Kampagne überhaupt notwendig?
Zum einen, weil die finanziellen Hilfsmittel, die Ismet Tekin von staatlicher Seite versprochen worden sind, bislang immer noch nicht eingetroffen sind. Und zum anderen, weil sein Lokal an Attraktivität verloren hat, weil dort ein Mensch ermordet wurde. Dazu kommt die Covid-19-Pandemie, die natürlich auch für die Gastronomie erhebliche Schäden verursacht hat. Deshalb wollten wir ihm einerseits durch die Fundraising-Kampagne eine konkrete finanzielle Hilfe bereitstellen. Gleichzeitig wollten wir aber auch darauf aufmerksam machen, dass es von staatlicher Seite aus zu wenig Hilfen für die Betroffenen dieses rechtsextremen Anschlages gegeben hat und immer noch gibt.

Was war Ismet Tekins erste Reaktion, als Sie dieses Vorhaben an ihn herantrugen?
Er war natürlich super begeistert, vor allem von dem Aspekt der Solidarität, dass wir so eine Kampagne gestartet haben. Ihm ging es auch überhaupt nicht um die Summe – das hat er auch ganz häufig betont. Natürlich freut er sich über das Geld, das zusammengekommen ist. Es ging ihm aber vor allem um die Unterstützung, die wir ihm damit gezeigt haben, um das Multikulturelle, dass wir überhaupt für ihn eine Spendenaktion ins Leben gerufen haben. Das hat ihn sehr bewegt.

Sind sie selbst überrascht von dem Erfolg Ihrer Kampagne? Da sind ja mehr als 29.000 Euro zusammengekommen.
Absolut. Wir haben natürlich schon mit ein bisschen gerechnet, aber eher im Bereich so um die 5000 Euro. Aber dass es fast 30.000 Euro werden, damit haben wir definitiv überhaupt nicht gerechnet. Und auch nicht mit der medialen Präsenz, die die Kampagne letztlich hatte. Sie wurde in internationalen Medien, darunter sogar in der »New York Times«, in israelischen Medien, in türkischen Medien, erwähnt – und damit haben wir natürlich überhaupt nicht gerechnet. Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass wir so viel Geld sammeln konnten.

Und die Unterstützung aus Deutschland?
Auch die Solidarität in der deutschen Gesellschaft hat uns sehr überrascht, von Politikern und Politikerinnen, von Leuten aus der Kulturbranche, die die Aktion geteilt haben und ihre Fans dazu aufgerufen haben, zu spenden. Ohne sie wäre das so nicht möglich gewesen.

In der vergangenen Woche gab es schon wieder einen Angriff – diesmal vor einer Synagoge in Hamburg. Kann so eine Spendenaktion dazu beitragen, dass Solidarität alltäglicher wird, dass man sieht: Hier gibt es Opfer, hier muss man mehr tun?
Ich glaube schon, aber Solidarität muss auch unabhängig von Hass, Gewalt und Terror stattfinden. Ich würde mir Solidarität im Allgemeinen mit marginalisierten Gruppen wünschen und nicht erst als Konsequenz, wenn etwas passiert ist.

Mit der JSUD-Geschäftsführerin sprach Thyra Veyder-Malberg.

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025