Podcast

Erinnerung auf die Ohren

Mit dem Podcast lassen sich auch junge Zielgruppen erreichen. Foto: imago/Westend61

An Frauen und Männer, an Jüdinnen und Nichtjuden, an jederfrau und an jedermann richtet sich das Angebot des Exzellenzclusters »Religion und Politik« und des Instituts für Jüdische Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Aus der interdisziplinären Zusammenarbeit sind im Rahmen des Festjahrs »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« neun Audiodateien im MP3-Format entstanden, die nach und nach ins Netz gestellten werden.

In dem Podcast »werfen Judaistinnen, Historiker und Theologen Schlaglichter auf jüdisches Leben von der Spätantike bis in die Gegenwart – auf Basis und an Fallbeispielen ihrer eigenen Forschung«, erläutert die Leiterin des Zentrums für Wissenschaftskommunikation des Exzellenzclusters, Viola van Melis. Die Audiodateien können im Netz gestreamt, aber auch heruntergeladen werden.

»Zugehörig oder ausgegrenzt?«, so umschreibt der Titel des Projektes die Spannbreite der Features, die sich mit der langen Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland befassen. »Der Podcast ist Teil unseres Forschungstransfers aus den Geistes- und Sozialwissenschaften und richtet sich an eine breite Öffentlichkeit.

BEITRÄGE Mit dem Format Podcast lassen sich auch junge Zielgruppen wie Studierende und Schülerinnen und Schüler erreichen«, betont van Melis. In den einzelnen Beiträgen der Reihe werden von den neun Autorinnen und Autoren die Entwicklungen, Brüche, Schwierig- und Widrigkeiten jüdischen Lebens, aber auch Ursachen und Hintergründe von Verfolgung nachgezeichnet.

»Die Erinnerung an die eigene Geschichte ist seit jeher Bestandteil jüdischen Lebens«, heißt es zum ersten ins Netz gestellten Beitrag der neuen Reihe. Darin befasst sich der Judaist und evangelische Theologe Lutz Doering, der zum Judentum in der Antike und Spätantike forscht, mit dem ältesten erhalten gebliebenen Dokument, dem Edikt des römischen Kaisers Konstantin an die Kölner Ratsherren aus dem Jahr 321, in dem jüdische Bürger der Stadt erwähnt werden.

Der Podcast berichtet vom jüdischen Leben in Deutschland in seiner ganzen Fülle.

In der Folge beschreibt Doering den derzeitigen Forschungsstand zu dem Dokument und gibt Antwort auf die Frage, was mittlerweile über die »ersten Jüdinnen und Juden in der Region, die wir heute Deutschland nennen«, bekannt ist.

Katrin Kogman-Appel, die sich in der zweiten Folge mit der Frage befasst, wie sich jüdisches religiöses Leben im Mittelalter anhand des Feiertagsgebetsbuches aus Köln erforschen lässt, ist in Jerusalem promovierte Judaistin, Mediävistin und Kunsthistorikerin. Sie lehrt an der Universität in Münster seit 2015. Das Leben von Jüdinnen und Juden habe sich im Mittelalter, entgegen verbreiteter Meinung, nicht in Abgrenzung und Isolation von den Nachbarn abgespielt, berichtet Kogman-Appel.

NÄHE »Bei allem, was Juden von ihrem Umfeld unterschied, lebten sie recht eng mit Christen zusammen. Das galt auch für Politik und Handel. Auch in Kleidung und Sprache, dem Jiddischen, bestand viel Nähe«, so Kogman-Appel. Und Distanz sei nicht nur von der christlichen, sondern auch von der jüdischen Bevölkerung ausgegangen. »Ein Ziel jüdischer Gemeinderituale war es, sich vom christlichen Umfeld abzugrenzen, die eigene Identität zu definieren und den Zusammenhalt der Gruppe über Jahrhunderte sicherzustellen.«

Die zwölfminütigen Folgen des Podcasts erscheinen in der Regel wöchentlich.

»Wir berichten im Podcast vom jüdischen Leben in Deutschland in seiner ganzen Fülle, ohne Antijudaismus, Antisemitismus und Verfolgung im Lauf der Jahrhunderte auszuklammern oder falsche Kontinuitäten über die Zeit zu kons­truieren«, betonen Kogman-Appel und ihre Kollegin Regina Grundmann.

Bereits seit 2007 erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der WWU fächerübergreifend das »komplexe Verhältnis von Religion und Politik quer durch die Epochen und Kulturen«, erläutert Viola van Melis. Finanziert vom Bund und den Ländern arbeiten derzeit rund 140 Akademiker aus 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und zehn Ländern zusammen bei den »epochenübergreifenden Untersuchungen von der Antike bis heute, um die besonders Faktoren herauszuarbeiten, die Religion zum Motor politischen und gesellschaftlichen Wandels machen«.

Die zwölfminütigen Folgen erscheinen in der Regel wöchentlich, zuletzt erschien Folge 8 zum Thema »Erinnerung an die Shoah heute« mit dem Judaisten Walter Schiffer. Der Podcast ist über Spotify, Deezer, Apple Podcasts sowie die eigene Website des Exzellenzclusters kostenlos erhältlich.

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025

Lesen

Über eine Liebe nach dem Holocaust

Die österreichische Schriftstellerin Melissa Müller stellte im Münchener Literaturhaus ihr neues Buch vor

von Helen Richter  01.07.2025

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025