Castrop-Rauxel

Eine Frage des Standorts

Zwölf Meter Abstand: WC und Denkmal (im Hintergrund) Foto: Ralf Piorr

Wie nah dürfen ein öffentliches Pissoir und ein Denkmal für die Opfer des NS-Regimes beieinander stehen? Diese Frage bewegt zurzeit die Gemüter in der Stadt Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet. Auf der Suche nach dem richtigen Ort für eine »behindertengerechte Bedürfnisanstalt mit Baby-Wickelmöglichkeit«, so der offizielle Terminus, entschied sich die Stadt nach zähen öffentlichen Diskussionen für eine Freifläche auf einem Platz im Zentrum der Altstadt.

Zügig installierte man vor wenigen Tagen eine aus knallrotem Kunststoff bestehende, voll automatisierte City-WC-Anlage. Nur haben sie eines leider nicht bedacht. Seit 1948 steht auf dem Platz, etwa zwölf Meter entfernt, ein Denkmal für diejenigen Bürgerinnen und Bürger Castrop-Rauxels, die in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis umgebracht wurden: Juden, Opfer der Euthanasie, Widerstandskämpfer.

Meinungen »Uns war die Sensibilität des Ortes von Anfang an bewusst«, erklärt Heiko Dobrinth, der für das Projekt zuständige technische Beigeordnete der Stadt Castrop-Rauxel. »Trotzdem handelt es sich um einen wohl abgewogenen Standort. Negative Auswirkungen auf das Denkmal sehen wir nicht.« Allerdings räumt Dobrinth auch ein: »Man kann dazu wahrscheinlich auch eine andere Auffassung vertreten.«

Beratende Meinungen wie etwa vom Stadtarchiv oder von der jüdischen Gemeinde wurden von den verantwortlichen Beamten im Vorfeld jedoch nicht eingeholt. Ein Umstand, den auch Hanna Sperling, Vorsitzende des Landesverbandes jüdischer Gemeinden Westfalen-Lippe, kritisiert. »Wir empfinden die Nähe des WCs zum Denkmal als geschmack- und respektlos, aber es ist in erster Linie Sache der Castroper Bürgerinnen und Bürger, diesen untragbaren Zustand öffentlich anzumahnen und wieder zu verändern.«

instinktlos Einer, der sich bereits seit geraumer Zeit empört, ist Dietmar Scholz. Im Jahr 2006 war er maßgeblich daran beteiligt, dass das Denkmal mit weiteren Namen von Castroper Opfern der Schoa versehen wurde. »Dieses Trauerspiel zeigt einen erschreckenden Mangel an geschichtspolitischer Sensibilität von Verwaltung und Politik«, kommentiert der Stadthistoriker die Baumaßnahme. »Wenn ich mir vorstelle, dass Nachkommen der Opfer das Mahnmal besuchen und dann in unmittelbarer Nähe zum öffentlichen Pissoir stehen, fehlen mir einfach die Worte.«

Aber nicht nur das schockiert Scholz: »Noch unter dem unmittelbaren Eindruck der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs wurde das Denkmal 1948 vom damaligen Oberbürgermeister feierlich den ›Castroper Bürgern‹ übergeben. Wenn man jetzt sieht, was daraus geworden ist, ist es eine regelrechte Schande.« Der Oberbürgermeister der Stadt, Johannes Beisenherz, wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025

Feier

Zusammenhalt und Zuversicht

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lud zum Neujahrsempfang in den Hubert-Burda-Saal

von Esther Martel  02.11.2025

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  02.11.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025